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Volumen-Modell

Test: Land Rover Range Rover Velar

Fahrberichte Martin Franz
Land Rover Range Rover Velar

(Bild: Pillau)

Der Range Rover Velar ist eine Mischung aus SUV und Geländewagen. Einerseits kommt er, entsprechend ausgestattet, im Gelände weiter als die meisten SUV, andererseits ist er ein komfortables Reiseauto. Wie schlägt sich der Velar im Alltag?

Was für ein Umstieg: Auf einen Dacia Duster folgte im Testfuhrpark ein Range Rover Velar. Beide trennen in getesteter Konfiguration rund 90.000 Euro. Dafür kann man allerhand erwarten, was sich an fast allen Stellen auch bestätigt. Im Test: Der Range Rover Velar mit dem 300-PS-Diesel.

Ein Riese

Die nackten Dimensionen beschreiben den Velar nur unzureichend. Mit 4,8 Metern Länge liegt er zwischen Modellen wie dem Volvo XC60 [1] oder dem Audi Q5 [2] (beide rund 4,7 m) und einem BMW X5 [3] (4,92 m). Doch der erste Eindruck besagt: Der Velar liegt gefühlt viel dichter am X5 als an den kleineren Modellen. Ein VW Touran [4] wirkt, aus dem Cockpit des Velar betrachtet, geradezu erschreckend kompakt. Das liegt zum einen an einer wirklich hohen Sitzposition und daran, dass der Brite mit 2,15 Metern Breite (inklusive Außenspiegeln) ziemlich wuchtig geraten ist.

Das merkt man nicht nur in der Stadt, sondern auch auf schmalen Landstraßen sehr schnell: Wo ein Seat Ibiza [5] einfach durchflitzt, muss der Velar-Lenker schon aufmerksamer zielen. Die meisten Interessenten werden sich sicher gut überlegt haben, ob sie so einen Brocken durch ihren Alltag schieben wollen. Ich brauchte ein paar Tage, um mich daran zu gewöhnen und fand den anschließenden Umstieg in ein deutlich kompakteres Auto befreiend. SUV-Fans sollten sich davon nicht abschrecken lassen – ich gehöre einfach nicht zur Zielgruppe dieser Fahrzeuggattung. Wobei man mit dem Begriff SUV hier vorsichtig operieren sollte: Der Velar kann sicher mehr als nur eine feuchte Wiese mit Anstand verlassen. Grenzen dürften Reifen und deren Format setzen.

Klare Positionierung

Die Briten positionieren den Velar an anderer Stelle sehr klar. Der Testwagen war mit der Luftfederung und einem aktiven Sperrdifferenzial ausgestattet. Natürlich gibt es verschiedene Fahrmodi, mit denen sich der Charakter des Wagens ändern soll. Die Unterschiede zwischen Dynamik und Komfort sind stark ausgeprägt und deutlich spürbar. Dennoch zeigen sich die Grenzen des Versuchs, aus einem solchen Riesen mit Gewalt ein Chamäleon machen zu wollen. Ja, im Dynamik-Modus ist der Velar zu einem erstaunlichen Tempo in der Kurve fähig. Das Fahrwerk bietet in diesem Modus mehr Rückmeldung von der Straße, Lenkung und Gasannahme wirken gestrafft – im Vergleich zum Komfortmodus.

Charakter

Doch wie in der Mercedes C-Klasse [6] spricht auch der Velar eine eindeutige Sprache, manch einer nennt das auch Charakter. Das SUV ist auf Komfort ausgelegt, was meines Erachtens genau der richtige Weg ist. Wer unbedingt über kurvige Landstraße hetzen muss, findet anderswo dafür Angebote, die besser geeignet sind als ein voluminöses Zwei-Tonnen-Gerät. Ich finde allein den Versuch einer Sport-Schminke meistens eher peinlich, auch wenn einige Hersteller mit viel Aufwand durchaus beeindruckende Resultate abliefern. Dem Fahrgefühl einer Alfa Romeo Giulia [7] ist so aber noch keiner nahegekommen. Was diese lässig aus dem Handgelenk erledigt, bekommt niemand mit viel Elektronik nachgerüstet. Die meisten SUV-Kunden wissen nicht, was sie da verpassen und werden es wohl auch deshalb nicht vermissen.

Wer in den Komfort-Modus wechselt, innerlich wie im Auto, wird dem Velar viel eher gerecht. Die Federung ist dann flauschig-weich, die Lenkung behelligt den Fahrer nicht mit Informationen, die er bei dieser Gangart ohnehin nicht braucht. Das wirkt ziemlich entspannend, zumal die Geräuschdämmung ganz ausgezeichnet ist. Ein teures, aber auch sehr ordentlich tönendes Soundsystem und bequeme Sitze, die sich in einem großen Bereich verstellen lassen, vervollständigen den Eindruck eines Autos, das sich für lange Strecken empfiehlt. Wenn es unbedingt ein SUV sein muss, dann bitte mit dieser Ausrichtung.

Dazu kommt ein gutes Platzangebot und eine Verarbeitung, die um Welten oberhalb dessen liegt, was wir vor längerer Zeit in einer der ersten Jaguar F-Pace [8] gesehen haben. Land Rover hat hier sichtbar viel Mühe in Materialauswahl und Verarbeitung gesteckt – mit Erfolg. Man muss schon suchen, um beispielsweise eine nicht einhundertprozentig sauber eingepasste Heckklappe zu finden. Auch der billige Kunststoff, der sich hinter den ausfahrenden Türgriffen zeigt, passt nicht in diese ansonsten sehr feine Umgebung. Gleiches gilt für die Verkleidung der B-Säule, die nach 15.000 Kilometern arg mitgenommen aussah.

Auto-Massage

Mein Kollege Christian fand die farbliche Zusammenstellung im Testwagen furchtbar, mir gefiel der helle Farbton ganz gut. Wir waren beide irritiert, als während der Fahrt die Massage startete. Christian vermutete ein Bug, ich eine Verknüpfung mit der Müdigkeitserkennung. Zumindest ein Bug ist es nicht, vielmehr gibt es in den Tiefen der Menü-Struktur die Funktion „Auto-Massage“, die aktiviert war. Leider lässt die ansonsten sehr umfangreiche Bedienungsanleitung offen, nach welchen Kriterien bestimmt wird, wann eine Massage nötig ist. Sollte es tatsächlich mit einer erkannten Müdigkeit zusammenhängen, wäre die Erkennung einer solchen unglaublich schnell. Denn bei mir lief sie einige Male schon nach rund 200 Metern an – ein zarter Hinweis auf die Arbeitsbelastung in der Redaktion? Da die Massage angenehm ist, fand ich ihren Aktionismus sympathisch.

Stark gewöhnungsbedürftig ist die Bedienung im Velar. Alles sieht sehr modern aus. Es gibt drei Displays, die sich in einer zunächst unfassbar scheinenden Tiefe variieren lassen. Wir empfehlen dringend, diese Möglichkeiten im Stand zu erkunden, denn unterwegs lenkt das enorm ab. Nicht jede mögliche Konfiguration erscheint sinnvoll, so wird in einer beispielsweise gleich dreimal das aktuelle Tempo angezeigt. Bei Verstellen des Kombiinstrumentes fiel zudem auf, dass die linke Bedieneinheit auf dem Lenkrad etwas störrisch war – nicht immer, aber eben ab und zu. Es sind manchmal scheinbare Kleinigkeiten, die den Umgang im Alltag prägen. Sehr gut finde ich, dass es zwei Drehregler gibt: Einen für die Lautstärke und einen, der menüabhängig agiert.

Clever

Die beiden Touchscreens in der Mittelkonsole reagieren gut auf Eingaben, allerdings ist die Kombination aus glänzender Oberfläche und strahlender Sonnenschein keine, die besonders gut miteinander harmoniert. Dann ist nur mit Mühe etwas auf den Bildschirmen zu erkennen – ein Umstand, der auch bei längerem Gebrauch wirklich nervt. Ganz allgemein muss man sich in die Bedienung einarbeiten: Ohne Hinsehen die Temperatur verstellen oder einen Radiosender wechseln – diese Zeiten sind Dank Touchscreen vorbei. Eine Mode, die nicht jeder lieben wird, wenngleich Land Rover hier keine Ausnahme ist. Die deutsche Konkurrenz macht es in diesem Segment vielfach nicht anders.

Zwei Dinge hat Land Rover dagegen clever gelöst: Oben gibt es vier Desktops, zwischen denen man wechseln kann. Einen davon kann man sich nach seinem eigenen Gusto einrichten. Das ersetzt zwar keine frei belegbaren Favoritentasten, ist aber trotzdem besser als nichts. Unter „letzte Ziele“ findet man im Navi den Punkt „letzter Startpunkt“ – eine kluge Idee, finde ich.

Spar-Möglichkeit

Land Rover bietet den Verlar derzeit mit sechs Motoren an. Dazu zählen zwei Vierzylinder-Benziner mit 250 und 300 PS sowie vier Diesel an. Die beiden Vierzylinder-Selbstzünder leisten 180 und 240 PS, die Sechszylinder 275 und 300 PS. Im Testwagen war der stärkste Diesel eingebaut. Der klingt zwar nicht so bärig wie der Reihen-Sechser im X3 [9], bietet aber für sich betrachtet souveräne Fahrleistungen. Im Vergleich zeigt sich jedoch, dass er beispielsweise einem BMW X5 xDrive30d mit 265 PS nicht davon fährt. Den härtesten Konkurrenten hat der 300-PS-Diesel aber im eigenen Haus: Der V6 mit 275 PS auf gleicher Basis geht kaum schlechter, kostet etwas weniger, verbraucht allerdings im Zyklus genau soviel. Sofern knapp 2000 Euro in dieser Klasse noch eine Rolle spielen sollten, würden wir sie hier einsparen. Oder anderweitig investieren, wofür es reichlich Möglichkeiten gibt.

Der fehlende Eil-Reiz schlägt sich auch im Testverbrauch nieder. Land Rover nennt in der Preisliste 6,6 Liter/100 Kilometer. Wir kamen minimal auf 7,2 Liter, insgesamt waren es bei uns 8,5 – bei überwiegend gemütlicher Fahrt über Landstraßen. Selbstverständlich lässt sich dieser Wert mühelos überbieten, doch hier in der Redaktion fand sich keiner, der Lust verspürte, den Velar zu hetzen. Das muss man natürlich nicht so sehen, doch dann sollte auch klar sein, dass die Zusammenfassung von reichlich Gewicht, Leistung und Stirnfläche eben unvermeidlich entsprechende Verbrauchswerte nach sich zieht.

Abgasnorm nachgezogen

Der Velar wird seit September 2017 verkauft. Die ersten Modelle erfüllten nur die Abgasnorm Euro 6b. Im Frühjahr 2018 wurden alle auf die Abgasnorm Euro 6d-TEMP [10] umgestellt. Die ersten Kunden sind damit wieder einmal die, die benachteiligt sind. Auch wenn die Leasing-Quote vermutlich sehr hoch sein wird, ist dieses Vorgehen nicht gerade kundenfreundlich. Auffällig: Die angegebenen Verbrauchswerte sind nach der Umstellung etwas höher – was nicht weiter verwundert, denn es liegt mit der Euro 6d-TEMP ein anderer Zyklus zugrunde. Der bis April 2018 angebotene Benziner mit 380 PS ist vorerst in der Preisliste nicht mehr zu finden.

Basis = teure Extras

Allradantrieb und Achtgang-Wandlerautomatik sind in allen Modellen serienmäßig. Die Grundausstattung ist ordentlich, doch bei den Extras langt Jaguar kaum weniger zu als die deutsche Konkurrenz. Wer das Basismodell mit dem Laser-Fernlicht haben möchte, muss mehr als 4000 Euro zusätzlich hinlegen, gleiches gilt für die 22-Zoll-Felgen. Doch das wird kaum jemand machen. Die meisten Velar-Käufer werden wohl zu einer der teureren Ausstattungen greifen, die dann mehr mitbringen und einige Optionen etwas weniger teuer machen. Ein Beispiel sind die 22-Zoll-Felgen, die in der teuersten Version 500 Euro kosten – und eben nicht 4000. Beim großen Soundsystem liegen fast 2000 Euro dazwischen. So lobenswert der Ansatz ist, auch dem Käufer des Basismodells nahezu alle Extras zu offerieren: Schon mit ein paar Sonderwünschen wird das Einstiegsmodell meistens teurer als die umfangreicher ausgestatteten Versionen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Volvo-XC60-D4-3862511.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Audi-Q5-TDI-3850876.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-BMW-X5-4069359.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Touran-1-6-TDI-im-Test-Spielfrei-3173061.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Seat-Ibiza-1-0-EcoTSI-Style-3889096.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Auslauf-fuer-den-Mercedes-AMG-C-43-4Matic-3883688.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Alfa-Romeo-Giulia-2-2D-3875200.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Jaguar-F-Pace-30d-AWD-3520703.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-BMW-X3-20d-4032362.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Abgasnormen-im-Ueberblick-4060878.html