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Test Scottoiler E-System V2

Winterscheue Schotten

Motorrad Clemens Gleich
Zweirad

Um dem neuen Kettensatz des Alltagsfahrzeugs Kawasaki Ninja 300 ein längeres Leben zu schenken als seinem Vorgänger, montierten wir einen Kettenöler. Leider versagt der Scottoiler ausgerechnet im Winter

Stuttgart, 31. März 2016 – Die meisten Motorräder führen das Leben einer Wochenendliebschaft, mit viel zärtlicher Pflege und sofortiger Reinigung, wenn doch mal Wasser an den Rahmen spritzt. Meine nicht. Am härtesten hat es jedoch die Kawasaki Ninja 300 der Freundin. Die muss jeden Tag bei jedem Wetter Kurzstrecke durch die Stadt fahren. Der Motor wird fast nie vollständig warm und der Dichtringketten-Endantrieb sieht im Winter so viel Schmutz wie der einer Enduro.

Der letzte Kettensatz der Ninja musste daher noch vor der 12.000er-Inspektion bei rund 11.000 km gewechselt werden, trotz regelmäßiger Schmierung mit Kettenfett, bei Regenwaschung oft zweimal täglich. Das ist in meiner Garage ein Negativrekord. Als ich noch mit dem Motorrad im Winter pendelte, habe ich sehr gute Erfahrungen mit Kettenölern gemacht, die meisten und besten davon mit dem belgischen Pro Oiler. Deshalb habe ich zur neuen Kette den elektronischen Scottoilder "E-System V2" montiert.

Beschleunigung statt Tempo

Er besteht aus einem Tank mit schön ins Gehäuse integrierter Pumpe, einer Cockpit-Einheit, Geschläuch und einer Düse, die das Kettenblatt mit Öl benetzt, von dem aus wiederum die Kette geschmiert wird. Statt irgendwo per Reed-Magnet oder Tachosignal die Wegstrecke abzugreifen, misst der Scottoiler Beschleunigungen, die Temperatur und die Bordspannung, um die nötige Fördermenge zu schätzen und im Stand kein Öl abzugeben. Das macht ihn einfacher zu montieren als Systeme, die ein Tachosignal benötigen.

Im Winter trocken

Im Sommer funktionierte er top. Im Herbst musste ich von Hand die Fördermenge hochstellen, obwohl das System ein Thermometer hat und die erhöhte Viskosität des beiliegenden Schmieröls kennen und die Pumpparameter entsprechend einstellen sollte. Im Winter dann fiel die Kette trotz auf Maximum eingestellter Schmierung komplett trocken. Ich kontrollierte die Düse, da sie die häufigste Fehlerursache nicht funktionierender Kettenöler ist. Sie funktionierte einwandfrei. Man konnte per Entlüftungsfunktion auch Öl fördern, das sich wie es sollte auf der Kette verteilte. Die Pumpe förderte nur viel, viel, viel weniger Öl, als ihre Software dachte.

Höchstwahrscheinlich liegt das an der erhöhten Ölviskosität, die bei Scottoiler offenbar nicht oder nur sehr unzulänglich ins Schmiermodell eingeht. Ich habe im Winter bestimmt vier Mal den Tank wieder auf "voll" gestellt am Cockpit, während real etwa ein Drittel Öl wirklich gepumpt wurde. Dazu kommt, dass der Scottoiler jetzt am Pumpengehäuse angefangen hat, Öl zu schwitzen. Vielleicht ist also nicht nur die Software schlecht, sondern auch die Pumpe unterdimensioniert. Man könnte noch dünnflüssigeres Öl für den Winterbetrieb suchen, ich halte es aber für unnötig unkomfortabel. Außer im Tank muss das Öl ja auch aus den Förderschläuchen getauscht werden. Das finde ich für den aufgerufenen Preis inakzeptabel, vor allem, weil andere Öler solche Sperenzchen eben nicht brauchen.

Bessere Investition

Bei der Motorradhandelskette "Louis [1]" kostet der Scottoiler als Set 280 Euro. Investieren Sie dieses Geld lieber in Heiko Höbelts CLS-Evo-Kettenöler oder in den belgischen Pro Oiler. Das CLS Evo habe ich noch nicht selbst getestet, der Pro Oiler funktionierte bei mir über viele Jahre von -15° C bis +50° C exzellent. Die neueste Version des Pro Oiler misst die Entfernung über GPS, was die Installation wie beim Scottoiler erleichtert. Vom Scottoiler E-System bin ich sehr enttäuscht. Ich brauche keinen Kettenöler im Sommer, wenn eine Schmierung mit Kettenfett bei gutem Wetter 1000 km halten kann, sondern ich brauche ihn im Siff einer langen Tour und im Winteralltag. Eine Firma aus dem kalten, nassen Glasgow sollte es besser können.


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[1] http://www.louis.de