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Sparvergnügen

Test: Toyota Prius Plug-in

Fahrberichte Martin Franz
Toyota Prius Plug-in

Sparsam war schon der erste Toyota Prius Plug-in. Die zweite Auflage ist insgesamt ein besseres Auto geworden, was sich in nahezu jedem Bereich nachvollziehen lässt. Um einen Punkt scheint sich Toyota besonders bemüht zu haben - mit einigem Erfolg

“Bescheiden ist, wer sich den Käse mit den größten Löchern nimmt.” - Adolph Freiherr von Knigge. Dieses Ansinnen ließ sich ganz wunderbar auf den bisherigen Prius Plug-in übertragen, denn sein ebenso sparsamer wie genialer Antrieb verleitete oftmals dazu, über sonstige Schwächen des Autos hinwegzusehen. Es ist ziemlich genau drei Jahre her, dass wir einen Toyota Prius Plug-in für zwei Monate in der Redaktion hatten. Nach den damaligen Erfahrungen – schlauer Antrieb in unterdurchschnittlicher Verpackung – waren wir auf den Nachfolger sehr gespannt. Nach zwei Wochen im Toyota Prius Plug-in können wir, soviel sei vorab verraten, Fortschritte in nahezu jedem Bereich bestätigen.

Mehr Leistung

Die Verkaufszahlen des ersten Prius Plug-in waren in Deutschland sehr überschaubar. Das Modell war deutlich teurer als der „normale“ Prius, woran sich mit dem Modellwechsel nichts verändert hat. Doch Toyota hat das Plug-in-Modell in mehrfacher Hinsicht attraktiver gemacht. Zum einen ist der E-Antrieb nun kräftiger. Verbaut sind zwei E-Motoren, die 22,5 und 53 kW leisten und so für mehr Agilität gut sind. Allein mit diesen beiden Motoren unterwegs wirkt der Prius flink und vermittelt mit geladener Batterie eine Ahnung davon, wie angenehm die Zukunft im Elektroauto werden kann. Der akustische Komfort kommt dem in einem Mercedes E200 T-Modell [1] nahe – und das will was heißen.

Toyota hat die Kapazität der im Plug-in-Modell zusätzlich verbauten Batterie von 4,4 auf 8,8 kWh vergrößert. Das reichte im Test für rund 50 Kilometer elektrische Fahrt, sofern man mit dem Prius nicht versucht, allen davongefahren. Schleichen ist dafür allerdings auch nicht von Nöten. Mit etwas Übung sind sicher Werte von etwas mehr als 50 km möglich. Dazu gehört zum Beispiel das Bremsen: Mit der richtig dosierten Verzögerung lässt sich die Rekuperation optimieren - es wird so beim Bremsen mehr Energie zurückgewonnen.

Da ich wissen wollte, wie groß der Ladehub ist, fuhr ich die große Batterie auf einer abendlichen Runde über Landstraßen „leer“. Mein Strommessgerät zeigte am nächsten Morgen – ohne die Nutzung der Vorklimatisierung – einen Verbrauch von 6,2 kWh an. Das ist nur geringfügig mehr als im Falle des BMW 330e [2], dessen Ladehub kleiner ist.

Die Reichweite im BMW war ebenfalls deutlich geringer – sehr viel mehr als 30 Kilometer sind nicht möglich. Der Prius bietet genau jenes bisschen mehr, was im Alltag den Unterschied macht: Mit einer Reichweite von rund 50 Kilometern steigt der Anteil der elektrisch zurückgelegten Wege in meinem täglichen Szenario auf fast 100 Prozent. Das ist allein deshalb erstrebenswert, weil der Prius eine Eigenschaft aller Plug-in-Hybride teilt. Er ist im elektrischen Betrieb ein so wunderbar entspanntes und leises Auto, dass man den Benziner nicht mehr hören mag. Das ist fast ein wenig ungerecht, denn der Verbrenner ist im neuen Prius viel besser gedämmt und wirkt längst nicht mehr so aufdringlich wie im Vorgänger.

Hybridmodus

Im Hybridmodus wandelt sich das Bild etwas. Der Benziner unterstützt nun die beiden Elektromotoren, was deutlich zu hören ist. Dennoch bleibt der Anteil der elektrisch zurückgelegten Strecke, in der der Benziner also aus ist, erstaunlich hoch – sofern der Fahrer das will. Denn eines ist trotz des Fortschritts, den der Prius in allen Bereichen gemacht hat, gleich geblieben. Als Fahrer muss man sich auf das Konzept des Prius einlassen. Menschen, deren Fahrstil außer Vollgas und Bremsen keine weiteren Betriebszustände erlaubt, werden mit ihm nicht glücklich. Der Prius ist noch immer ein Auto, das sein größtes Talent dann perfekt ausspielt, wenn reisen statt rennfahren die bevorzugte Fahrweise ist. Wer das beherzigt, erfährt locker Werte zwischen 3 und 4 Liter auf 100 km im Hybridbetrieb.

Flotte Fahrt

Neu ist allerdings, dass er nun auch anders kann, wenn es denn unbedingt sein muss. Das hängt nicht nur mit dem harmonischer abgestimmten Antriebsstrang zusammen, sondern vor allem mit dem Fahrwerk. Denn zweifelsohne ist hier der größte Fortschritt zu vermelden. Eine so präzise Lenkung, die Rückmeldung gibt und trotzdem störende Einflüsse dämpft, gab es bisher im Prius noch nicht. Dazu ist auch das Ansprechverhalten der Dämpfer viel besser geworden. Kleinere Unebenheiten filtert das Fahrwerk gut heraus, erst gröbere Verwerfungen werden spürbar. Hier macht sich natürlich auch das Reifenformat von 195/65 R15 positiv bemerkbar. Es gibt nicht mehr viele Neuwagen, denen eine solche Flankenhöhe vergönnt ist. Alles in allem: Mehr Komfort bei gesteigerter Agilität - einen so großen Fortschritt bei einem Modellwechsel gab es lange nicht mehr. Im Vergleich dazu wirkt das Fahrwerk des Vorgängers schlicht unbeholfen und hölzern.

Auch in einem weiteren Bereich sind die Unterschiede zum Vorgänger eklatant. Der Innenraum mag nicht die oberflächliche Güte eines Volkswagens haben, doch alles ist ordentlich zusammengesetzt und auch die Materialien wirken deutlich hochwertiger als zuvor. Das innere wie äußere Design bleibt Geschmackssache - mein Fall ist es nicht, auch wenn ich grundsätzlich eine Abwechslung vom allgegenwärtigen Wolfsburger Konservativismus begrüße.

Leider haben die Entwickler teilweise Design vor Funktion gestellt. Damit ist nicht etwa der mit 26 cm arg flache Kofferraum gemeint, der als Konzession an das Konzept gesehen werden muss - irgendwo muss die Batterie nun mal untergebracht werden. Dazu passt eine Zuladung von 250 Kilogramm, zu denen noch der EU-Norm-Fahrer (68 kg schwer) und sein EU-Norm-Gepäck (7 kg) kommen. Etwas mehr als zwei stämmige Herren und deren Handgepäck kann der besagte Normfahrer also nicht mitnehmen, ohne den Prius zu überladen. Eine Victory Magnum bietet 248 Kilogramm Zuladung - nur zwei kg weniger.

Ungereimtheiten

Ein paar Ungereimtheiten bleiben. Die Handbremse als Pedal wirkt in dieser avantgardistischen Umgebung wie ein Fremdkörper. Warum muss die Betätigung der Sitzheizung vorn unter den Knien eingebaut sein? Die Sitze fand ich eher durchschnittlich bequem - im Seat Leon [3] sitzt man definitiv besser. Auch der Verstellbereich nach hinten könnte noch größer sein, wobei ich zugebe, diesbezüglich überdurchschnittliche Ansprüche zu haben. Verzweifelt bin ich fast am Tempomat: Er ließ sich einschalten, die Geschwindigkeit sich aber nicht speichern. Bei den Kollegen funktionierte er anstandslos. Des Rätsels Lösung: Ich war fast immer im B-Modus des Getriebes unterwegs gewesen, weil das dem Ein-Pedal-Betrieb etwas näher kommt als der gewöhnliche D-Modus. Im B-Modus lässt sich aber der Tempomat nicht nutzen - ein Umstand, den Toyota in der ansonsten recht ausführlichen Anleitung ruhig hätte erwähnen können.

Ein paar Worte hat sich auch die Unterhaltungselektronik verdient. Auch hier ist Toyota ein großer Schritt gelungen, allerdings kam das System im Vorgänger gefühlt auch aus einer Epoche, in der der gute alte DIN-Schacht [4] noch nicht vollkommen ausgestorben war. Das neue System im Prius ist besser als das im Vorgänger, gut ist es deshalb aber nicht. Die Auflösung ist grob, auf dem glänzenden Display ist bei Sonnenschein kaum etwas zu erkennen, das Tempo der Routenberechung lahm. Einen Kollegen führte es ins Irgendwo, Staus, die im Radio schon mehr als einmal angesagt wurden, fanden keine Berücksichtigung bei der Routenführung.

Die Audio-Abteilung ist etwas verwinkelt angelegt - die Klangregelung war nicht im Audiomenü, sondern separat. Auf USB-Sticks können keine Ordner ausgelesen werden. Wie im Volvo V90 [5] stellt sich auch hier die Frage, warum mir ein Hersteller vorschreiben muss, wie ich meine Musik zu ordnen habe. Um zwei Zeilen Programmcode zu sparen? Meine mit dem Microsoft Mediaplayer erstellten Playlisten wurden ebenfalls nicht akzeptiert. Da beides in anderen Autos anstandslos klappt, denke ich, Toyota hätte das sicher auch hinbekommen können. Kleiner Trost: Das ganze System inklusive Navigation ist serienmäßig und der Klang an sich okay.

Zeichenverkennung

Ein Punkt allerdings unterbietet die Bedienung der Audioabteilung nochmals deutlich. Die Schildererkennung ist ein Witz - aber kein guter. Ihre Trefferquote lag bei etwa 30 Prozent. Anders ausgedrückt: Wer sich gedankenlos auf sie verlässt, dürfte bald ein gut gefülltes Punkte-Konto haben. Die Bandbreite der falschen Annahmen reicht von Tempo 50 bis “120 aufgehoben” auf Landstraßen, Ortsschilder werden meistens ganz ignoriert. Hoffentlich war dieses Totalversagen eine Eigenheit des Testwagens und kein prinzipielles Prius-Problem.

Rentiert sich nie

Der Prius Plug-in kostet unverhandelt und ohne staatliche Prämie derzeit mindestens 37.550 Euro. Das liegt doch erheblich über dem, was derzeit für einen normalen Prius verlangt wird. Das tägliche Einsatzszenario müsste schon ziemlich genau zur E-Reichweite passen, um mit dem Plug-in-Modell deutlich kostengünstiger unterwegs zu sein als mit dem normalen Prius. Das jemand den Aufpreis von mehreren tausend Euro komplett wieder reinholt, dürfte die absolute Ausnahme sein - schließlich ist der Prius ohne externe Ladefunktion auch kein Säufer. Es bleibt allerdings der Reiz des elektrischen Fahrens im Prius Plug-in.

Die darin enthaltene Ausstattung ist sehr umfangreich: Ob nun Navi, Lederlenkrad, Tempomat, LED-Scheinwerfer - alles inklusive. Eines möchten wir jedoch auch dem sparsamsten Käufer zusätzlich noch ans Herz legen: Die Einparksensoren hinten kosten 320 Euro. Auf die sollte keiner verzichten, denn besonders übersichtlich ist der Prius nicht.


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https://www.heise.de/-3737137

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mercedes-E-200-T-Modell-3656357.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-BMW-330e-3625680.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Seat-Leon-1-4-TSI-ACT-Xcellence-3704036.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Intelligente-Loesungen-und-Ungereimtheiten-2762667.html?bild=1&view=bildergalerie
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Volvo-V90-D4-AWD-3664365.html