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Anti-SUV

Test: VW Caddy Trendline 1.0 TSI BMT

Fahrberichte Christian Lorenz
VW Caddy Trendline 1.0 TSI BMT

Unter jungen Familien und Sportbegeisterten, die keinen SUV wollen, hat der Caddy eine Fangemeinde. Wir haben uns den Nutz-Golf einmal näher angesehen. Kann man damit auch ohne Askese leben? Taugt Dreizylinderbenziner als TDI-Alternative?

Selten gab es ein Auto, das unsere Redaktion so gespalten hat, wie der Kleinlieferwagen von VW. Dabei würde man dem weißen Caddy 1.0 TSI Trendline alles zutrauen, nicht aber die Entfachung von echter Leidenschaft. Es handelt sich dabei schließlich um ein Nutzfahrzeug. Volkswagen bietet ihn lediglich in einer domestizierten Version für Familien und Sportler an. Der Caddy scheint so etwas wie ein Gegenentwurf zu den immer schneller, größer und luxuriöser werdenden SUV. Er wendet sich an eine besondere Kaste, die den nüchternen Nutzgedanken im Auto bewusst vor sich her trägt.

Dreizylinder als TDI-Alternative

Bisher wurde der Caddy geradezu ausschließlich mit TDI-Motoren mit 1,6 oder 2,0 Litern Hubraum verkauft. Jetzt hat Volkswagen selbst ganze Arbeit dabei geleistet, die Diesel-Technologie, die dafür überhaupt nichts kann, obsolet zu machen. Als Alternative liegt der 102 PS starke Dreizylinder-Turbobenziner nahe – zumindest von der Papierform her.

Schmucklos ergonomisch

Wer einfach nur ein Auto haben will, das sich im Alltag zurückhaltend und dienstfertig benimmt und für Shuttle- und Transportaufgaben bestens gerüstet ist, wird sich im Caddy sofort zu Hause fühlen. Da gibt es keine Eingewöhnungszeit, keine übergriffigen Funktionen, kein Menüsurfen. Man steigt ein und fährt los, als ob man nie einen anderen Wagen gefahren hätte. Wer ein Smartphone auf Rädern erwartet, muss von sowas natürlich angewidert werden. Das ist logisch und setzt sich konsequent fort.

Die Innenausstattung besteht größtenteils aus gut verarbeitetem Nutzplastik. Ein paar wenige Zierteile gibt es hier zwar auch. Die dezente Chromoptik, die sich links und rechts von den Türtafeln bis an den Rand der Mittelkonsole erstreckt, wirkt aber im Vergleich zu einem Passat Highline [1] wie eine abgespeckte Bio-Fassung. Mich stört das nicht, im Gegenteil. Die Chi-chi-Transporter mit Touran-Syndrom sind so überschminkt, dass sie jede Würde verlieren. Sie erinnern an eine 70-jährige Promiputzfrau mit Botox-Sonnenbank-Komplettabo. Der Caddy hingegen weiß einfach, wo er hingehört. Er ist stimmig bis ins letzte Detail und will nichts sein, was er nicht ist.

Fahrspaß trotz Starrachse

Dass der Caddy ein domestiziertes Nutzfahrzeug ist, zeigt sich an seinem Fahrwerk. Es wartet mit einem Detail auf, das sich kein europäischer Automobilhersteller mehr traut, in einem modernen Personenwagen anzubieten: eine hintere Starrachse mit Blattfedern. Tatsächlich wird der Caddy für sein Fahrwerk, genauer gesagt für seinen eingeschränkten Federungskomfort, in den meisten Tests und Fahrberichten kritisiert. Und ja, Fahrwerksgourmets mit geeichtem Popometer werden hin und wieder an kurz-abrupten Wellen ein charakteristisch-tätschelndes Stuckern von der Hinterhand wahrnehmen. Aber man muss tatsächlich darauf achten.

Für mich war hingegen überraschend, wie gut die VW-Nutzingenieure dieses vorsintflutlich anmutende Fahrwerk hinbekommen haben. Das gilt auch für die Straßenlage. Es macht wirklich Spaß, den Caddy schnell in Kurven zu werfen. Man fühlt sich unerwartet zu flotter Fahrweise animiert. Und die leichte Hemdsärmligkeit bei niedriger Beladung an ungünstigen Kanten passt geradezu kongenial zur stimmigen Nüchternheit im Ambiente.

Auch der Einliterdreizylinder mit 102 PS fügt sich nahtlos in die Sinfonie der Schmucklosigkeit. Er macht genau das, was er soll. Der Caddy beschleunigt linear, ohne einen mit übermäßigem Antritt zu erschrecken. Er bleibt akustisch stets im Hintergrund. Seine leicht kernige Tonfärbung macht ihn sympathisch, wie den Mann aus einfachen Verhältnissen, der selbstbewusst zum Geruch der Straße steht. Ein Kollege notierte, der Dreizylinder fühle sich hier im Vergleich zu anderen Konzernmodellen seltsam zäh an. Ja klar, sportlich ist schon etwas anderes, aber für einen Schnelllaster passt das genau, finde ich. 172 km/h Höchstgeschwindigkeit und 12,1 Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h können sich im Alltag richtig vergnüglich anfühlen.

Ich bin aus dem Caddy entspannter ausgestiegen als aus manchem übertourten Premium-Mittelklassehobel mit Prokuristen-Paket. Zumal mit dem Fünfgang-Getriebe Gangwechsel, Anfahren usw. wie blind funktionieren. Es wirkt alles so, als habe man nie ein anderes Auto bewegt. Die Gangempfehlung sagt einem nur, was man eh schon von selbst machen würde. Alles flutscht. Nüchtern kann die Welt so schön sein. Wie von selbst gewöhnt man sich eine entspannte Fahrweise an, die auch dem Verbrauch zu Gute kommt. Mit 6,5 Litern Super kommt man im Alltag wunderbar aus. Der Zyklusverbrauch von 5,5 Litern ist also gar nicht so weit weg.

Der Caddy kann also schon zufrieden machen, ohne dass man auf seine Paradedisziplin schaut, das schier unglaubliche Platzangebot. Auf knappen 4,41 m Länge bringt man so ziemlich alles unter, was einem das Leben als Aufgabe stellen mag: Fünf Personen und eine Waschmaschine (750 Liter Stauraum) haben bequem Platz oder zwei Personen und 3030 Liter Gepäckvolumen bei ausgebauten Rücksitzen. Mit der optionalen Zweiersitzbank in der dritten Reihe kann man auch insgesamt sechs Kinder mit sechs Turnbeuteln zum Sportunterricht bringen (190 Liter Kofferraum).

Der Caddy wächst zwar nicht mit seinen Aufgaben. Es gibt aber kaum eine, für die ein Caddy mit kurzem Radstand nicht groß genug ist. Wer sein Fahrrad transportieren will, klappt die hinteren Sitze um und stellt es einfach hinten rein. Über diejenigen, die dafür das Vorderrad demontieren müssen, kann ein Caddy-Fahrer lachen. Dabei ist der Nutz-VW von den Abmessungen her kompakt und angenehm hoch in der Sitzposition. Wenn man so will bietet der Caddy als Anti-SUV die gleichen Vorteile.

Nichts für Technikfreaks

Für den Technikfreak ist der Caddy aber nichts. Das Navigationssystem ist längst nicht mehr auf dem neuesten Stand, der Monitor ist klein und sitzt deutlich zu tief. Auch die neuesten Assistenzsysteme aus dem Volkswagen-Konzern haben im Caddy noch nicht Einzug gehalten. Dafür gibt es Ablagen über Ablagen. In einem Galeriefach über der Frontscheibe kann man Aktentaschen wie im ICE unterbringen, unter einer Klappe im oberen Teil des Armaturenbretts lässt sich im Sommer ein Handy schmelzen. In den Türen sind große Flaschenhalter. Überall findet man Platz für die kleinen Dinge des Alltags.

Hoher Preis

Allerdings muss man wissen, dass der Caddy trotz aller Dienstfertigkeit kein Sonderangebot ist. Die Entscheidung für den Familientransporter kann also nicht mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet werden. Die Ausstattungslinie Trendline ist nach der Basis Conceptline die erste Ausbaustufe. Insgesamt gibt es fünf Ausstattungslinien, zwei Sondermodelle und eine Campingversion namens Beach. Für Familien empfehlen wir 1600 Euro in die Trendline zu investieren. Denn auf die zweite Schiebetüre links, Radio, Tempomat und vor allem Kopfairbags in der zweiten Reihe sollte man nicht verzichten. Auf jeden Fall zugreifen sollte man dann noch beim Plus-Paket für 2000 Euro. Darin sind Klimaanlage, ein besseres Radio, Parksensoren hinten, Wärmeschutzverglasung, Tagfahrlicht, automatisch abblendender Rückspiegel und Gepäckraumtrennnetz enthalten. Das macht den Caddy Trendline 1.0 TSI dann zum vernünftigen Auto für gut 24.000 Euro.

Unser Testwagen kam mit Navigationssystem, klappbarer Beifahrerlehne, Klimaautomatik, Rückfahrkamera, Alufelgen sowie so gänzlich übertrieben anmutenden Dingen wie in Wagenfarbe lackierten Stoßfängern und Außenspiegeln auf knapp 31.000 Euro. Damit ist der Caddy zwar gut ausgestattet, aber weit weg vom übertriebenen Luxus. Bei aller Sympathie für den nüchternen Charme des Caddy, man muss ihn ziemlich teuer bezahlen. Da waren wir uns schließlich alle einig in der Redaktion.

Die Kosten der Überführung wurden von VW übernommen, jene für Kraftstoff vom Autor.


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