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Single-Dasein

Triumph Bonneville Bobber Test

Fahrberichte iga
Zweirad

Es gibt zurzeit wohl kaum ein Motorrad, mit dem man mehr auffällt. Der scheinbar freischwebende Sattel und der vermeintliche Starrahmen im Heck sorgen überall für Aufsehen. Dabei beeindruckt der Zweizylinder fast noch mehr, dank seines mächtigen Drehmoments. Der Erfolg gibt Triumph Recht, das erste Modelljahr der Bonneville Bobber ist bereits ausverkauft

Die Bonneville Bobber von Triumph ist das vielleicht mutigste Motorrad der Saison. Einen scheinbar freischwebenden Einzelsitz traut sich sonst kein Hersteller zu. Darunter gaukelt die Triumph ein Starrrahmenheck vor, in Wirklichkeit aber ist das fast waagerecht liegende Federbein unter dem Sitz versteckt. Mit der Bobber muss man sich an jeder roten Ampel dem Publikum stellen. Die häufigsten Fragen müssen verneint werden: „Nein, es ist kein Oldtimer“, „Nein, es ist keine Harley“ und „Nein, es gibt keinen Soziussitz“.

Reichlich Drehmoment

Das soll die Bobber aber auf keinen Fall negativ erscheinen lassen, denn einen auffälligeren Hingucker gibt es zur Zeit wohl nicht. Dabei basiert sie auf dem 1200er-Reihenzweizylinder mit 270 Grad Hubzapfenversatz der Bonneville, wurde jedoch ihrem Einsatzzweck entsprechend neu abgestimmt. Sie bietet mit 77 PS bei 6100/min zwar etwas weniger Höchstleistung, dafür aber noch mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich. Zwischen 3000 und 5000/min liegt die Drehmomentkurve permanent über 100 Nm, maximal sind es 106 Nm Drehmoment bei 4000/min. Doch die nackten Zahlen spiegeln nur ansatzweise die Verhältnisse wider. Wenn der Fahrer den Gasgriff nur leicht öffnet, merkt er sofort: „Aha, ein braver Bulle, der seine Last von 245 kg locker zieht“. Doch bei Kommando Vollgas bricht die Stampede aus – die Bobber reißt Ross und Reiter mit Urgewalt nach vorne. Der bis dahin herrlich blubbernde Sound aus den beiden Slash-cut-Auspufftöpfen in Verbindung mit der neu entwickelten Doppel-Airbox steigert sich zum adrenalinausschüttenden Fortissimo. Wohlgemerkt: Alles konform der Euro4-Vorschriften.

Schwarze Striche auf dem Asphalt

Obwohl das Sechsganggetriebe sich weich schalten lässt und die Kupplung nur minimale Handkräfte erfordert, müssen beide Komponenten an der Bobber selten bemüht werden. Bei Tempo 100 im letzten Gang dreht sich die Kurbelwelle gerade 2600 Mal pro Minute. Also, leicht erhöhtes Standgas. Interessanterweise kappt Triumph die Höchstleistung in den oberen beiden Gängen, wohl um die Fuhre nicht zu schnell werden zu lassen. Der sechste Gang ist ohnehin als Overdrive ausgelegt und der Geschwindigkeitsrausch wird bei 177 km/h abrupt abgeriegelt. Die Traktionskontrolle lässt die Wahl zwischen „Road“ und „Rain“ und ist sogar abschaltbar, wenn schwarze Striche auf den Asphalt gemalt werden sollen. Auf kurviger Strecke wird jedoch in Anbetracht der anbrandenden Drehmomentwogen dringend von der Deaktivierung abgeraten.

Vibrationen sind der Bobber fremd

Der Einzelsitz scheint frei zu schweben, ist aber natürlich am Rahmenrohr befestigt und kann diagonal in der Höhe verstellt werden. Je tiefer man ihn stellt, desto weiter hinten sitzt der Fahrer. Doch so schick die Aluminium-Sitzschale mit dem dünnen Polster auch aussieht, bequem ist sie auf Dauer nicht.

Nach spätestens einer Stunde drückt sie mächtig auf den Steiß, was aber auch an der Sitzhaltung mit den weit vorne platzierten Füßen liegt. Das Problem ist allen Harley-Davidson-Fahrern bekannt. Wenn wir schon beim Vergleich mit der amerikanischen Marke sind: Die Kraftentfaltung des Triumph-Reihenzweizylinders verläuft deutlich geschmeidiger als die des ruppigen V2 aus Milwaukee. Vibrationen sind der Bonneville Bobber fremd. Im Gegensatz zur Amerikanerin wird die Kraft der Britin außerdem von einer Kette und nicht von einem Zahnriemen auf das Hinterrad übertragen.

Niedrige Sitzhöhe

Ein Bobber zeichnet sich durch einen fetten Hinterreifen und ein relativ großes Vorderrad aus, entsprechend rollt die Triumph vorne auf einem Reifen der Dimension 100/90-19 und hinten auf 150/80-16. Im Vergleich zur T120 verlängert sich der Radstand auf 1510 mm, der Lenkkopfwinkel bleibt mit 64,2 Grad fast identisch, aber der Nachlauf fällt mit 87,9 mm deutlich kürzer aus. Die Bobber vermittelt erwartungsgemäß ein relativ stures Fahrgefühl, in Kurven will sie mit leichtem Nachdruck in Schräglage gebracht werden. Dann hält die Britin aber auch problemlos die Linie und setzt erstaunlich spät mit den Fußrasten auf – da kratzt die Konkurrenz schon wesentlich früher über den Asphalt.

Selbst sehr Kurzbeinige fühlen sich auf der Bobber wohl, denn mit dem Sattel in tiefster Position hockt der Fahrer nur 690 mm über der Straße. Dafür muss er relativ weit nach vorne greifen, kann dann aber mit dem breiten Lenker das Bike gut kontrollieren. Die Federelemente sind nicht einstellbar und eher auf Komfort ausgerichtet. Da die Bobber über keinen Soziussitz verfügt und nur 121 kg zugeladen werden dürfen, hatten es die Ingenieure etwas einfacher mit der Abstimmung von Vorderradgabel und Mono-Federbein. Allerdings teilt die Britin bei schlechter Wegstrecke schon mal deutliche Schläge Richtung Fahrer aus. Leider verrichtet am Vorderrad nur eine einzelne Bremsscheibe mit Doppelkolben-Schwimmsattel ihren Dienst, was nicht unbedingt zur optimalen Verzögerung beiträgt. Das ABS spricht erst sehr spät, aber wenigstens feinfühlig an.

Leidenschaft der Entwickler

Die Triumph Bobber will natürlich eine Stil-Ikone sein. Dazu gehört auch ein kleiner, tropfenförmiger Tank mit nur neun Liter Volumen. Die Reichweite im Test beschränkte sich daher auf knapp 200 Kilometer. Viel länger möchte man auf dem harten Sattel aber ohnehin nicht ohne Pause verbringen. Ein Verbrauch von nur 4,5 Liter auf hundert Kilometer ist in Anbetracht des 1200 cm3 großen Motors aber aller Ehren wert.

Die Details zeugen davon, mit wieviel Leidenschaft die Entwickler zu Werke gegangen sind. Der Batteriekasten wird von einem Metallband aus Aluminium gehalten, wie überhaupt viel mattes Aluminium an der Bobber glänzt. An den Lenkerenden sind kleine Spiegel befestigt, die Blinker sind mit LEDs bestückt und im Glas des kleinen Scheinwerfers ist das Triumphlogo eingelassen. Das einzelne und im Neigungswinkel einstellbare Rundinstrument hat bereits die goldene Schallplatte verliehen bekommen. Zumindest sieht der gold unterlegte Tacho so aus. In dem kleinen digitalen Display im unteren Viertel werden winzig klein die wichtigsten Informationen angezeigt, wahlweise auch die Drehzahl.

Reichlich Zubehör

Über Gepäck muss sich der Bobber-Besitzer keine Gedanken machen – es gibt nämlich keine Möglichkeiten es unterzubringen. Eher muss er sich den Kopf zerbrechen, wie er sein Schmuckstück noch aufwerten möchte. Zwar sieht der Bobber im Serienzustand schon außergewöhnlich aus, aber Triumph lockt im Zubehör mit über 150 Teilen. Egal ob Café Racer mit Stummellenker oder Chopper mit „Ape hanger“ – jede Stil-Richtung kann durch Austausch weniger Komponenten eingeschlagen werden.

Das mutige Konzept der Bobber ist aufgegangen, sämtliche 550 für Deutschland bestimmten Exemplare waren schon ausverkauft, bevor die erste beim Importeur eintraf. Die meisten hatten den Vertrag sogar unterschrieben, ohne den Kaufpreis zu kennen. Der beträgt 12.500 Euro, wird jedoch sicher von den meisten Käufern durch Zubehör noch weiter nach oben geschraubt.

Das Testfahrzeug wurde vom Importeur gestellt, die Kosten für den Kraftstoff hat der Autor getragen.


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