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Extrem leicht, äußerst exklusiv und sehr teuer: Die Ducati 1199 Superleggera

Tugendhaft asketisch, sündhaft teuer

Motorrad Ingo Gach

Wer heute ein wirklich exklusives Motorrad anbieten will, muss sich schon einiges einfallen lassen. Schließlich verfügen mittlerweile schon Serienbikes über 200 PS und Fahrwerksspielereien wie in der Formel 1. Ducati setzt beim Gewicht an

Köln, 4. November 2013 – Wer als Hersteller heutzutage ein wirklich exklusives Motorrad anbieten will, muss sich schon einiges einfallen lassen. Schließlich verfügen mittlerweile sogar schnöde Serienbikes über massive 200 PS, Fahrwerksspielereien wie in der Formel 1 und eine Programmierbarkeit, die man bis vor kurzem eher in der Raumfahrt vermutet hätte. Bei Ducati hat man sich Gedanken gemacht, wie man auch die verwöhntesten Kunden noch zum Niederknien bekommen kann. Das Ergebnis nennt sich eher profan „1199 Superleggera“, also „Superleicht“ ­– ein uralter Trick der Italiener, die bereits vor über zwei Jahrzehnten erleichterte Varianten ihrer Serienmotorräder auf die Räder stellten, um sie gegen deutlichen Aufpreis zu verkaufen. Die schlichte Gleichung dahinter lautet: „leichter gleich schneller“.

Limitiert? Muss man haben!

Das Versprechen zieht auch heute noch bestens, aber jetzt kommt der eigentlich geniale Schachzug: Die 1199 Superleggera wird auf 500 Exemplare limitiert. Der Verlockung, eines der besten und seltensten Motorräder der Welt zu besitzen, zieht die betuchte Sportfraktion an, wie die Cayman Islands die Steuerflüchtlinge. Die Ducatisti stürmen die Händler, um diese mit Geldscheinbündeln zu überhäufen – und der 501. Kunde wird achselzuckend abgewiesen.

Rein optisch sieht die 1199 Superleggera aus wie die schon nicht eben billige 1199 Panigale R, die mit 31.690 Euro in der Liste steht. Wer jetzt glaubt, er müsste vielleicht zehn, höchstens zwanzig Prozent mehr für die abgemagerte Version auf die Theke legen, sollte sich nun gut an seine alte Ducati klammern, um nicht umzukippen: Sie kostet rund 65.000 Euro! Das wären sogar 10.000 Euro mehr als Ducati schon 2007 für die Desmosedici aufgerufen hat – ein direkter Ableger ihres MotoGP-Bikes. Bei der 1199 Superleggera weisen die Bologneser hingegen darauf hin, dass sie aus der Superbike-WM stammt.

Fliegengewicht

Tatsächlich soll die 1199 Superleggera mit leerem Tank, aber allen Betriebsstoffen nur 166 Kilogramm wiegen, vollgetankt 177. Das sind zwölf Kilogramm weniger als bei der 1199 Panigale R. Die Leistung des Leichtgewichts wird mit 200 PS beziffert, was zwar nicht ganz an das Renngerät aus der Superbike-WM rankommt (die vermutlich um die 230 PS hat, aber die Werte werden von den Teams unter „Top Secret“ eingestuft), aber im Gegensatz zu dem Racebike besitzt die Superleggera eine Straßenzulassung. Das bedeutet, sie ist so leicht trotz Scheinwerfer, Rücklicht, Blinkern, Spiegeln und Kennzeichenhalter.

Um zu verstehen, wie Ducati das geschafft hat, bieten sie auf ihrer Homepage einen Chemie-Crashkurs an, in dem sie die verwendeten Elemente wie Aluminium, Magnesium, Lithium, Titan und Wolfram beschreiben. Allein schon die reichliche Verwendung von Magnesium lässt erahnen, warum die Superleggera so teuer wurde. Das komplette Monocoque und die Felgen bestehen aus dem extrem leichten Material und sparen zusammen ungefähr zwei Kilogramm Gewicht ein. Die Verkleidung, diverse Anbauteile und der Heckrahmen sind aus Kohlefaser – noch mal 2,2 weniger. Eine Auspuffanlage aus Titan macht die Superleggera gleich 2,5 Kilogramm leichter. Der Einsatz von Wolfram mag erst einmal widersinnig erscheinen, denn das Element hat eine sehr hohe Dichte und ist daher ziemlich schwer. Es wird aber präzise und kompakt als Gegengewicht an der Kurbelwelle eingesetzt.

Rekord zumindest beim Leistungsgewicht

Heraus kommt das zurzeit aufwendigste und spektakulärste Fahrzeug auf zwei Rädern, das im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden darf. Für die Mathematiker: Sie hat ein Leistungsgewicht von nur 0,885 kg pro PS – Rekord für straßenzugelassene Motorräder. Für die Fahrer: Das Teil ist eine Bodenrakete. Um die Höllenmaschine zu kontrollieren, verfügt sie über ausgefeilte elektronische Helferlein: diverse Modi von festgelegten Leistungsprogrammen, abschaltbarem ABS, Traktionskontrolle, elektronisch überwachtem Motorbremsmoment, elektronisch gesteuertem Schaltautomat. Selbstverständlich gibt die Maschine zur Datenanalyse zahreiche Parameter über einen USB-Stick aus und bietet dazu sogar ein bordeigenes GPS auf, um die Geschwindigkeit an jedem einzelnen Punkt der Rennstrecke akribisch zu registrieren.

Voll einstellbare Federelemente des schwedischen Hersteller Öhlins sorgen für Ruhe im Fahrwerk und bieten in Kombination von Zug- und Druckstufe, Vorspannung, einstellbarer Anlenkung und veränderbarer Kennlinie hunderte von Einstellmöglichkeiten. Eingefangen wird die Superleggera von gewaltigen Brembo-Evo-M50-Monobloc-Bremszangen und zwei suppentellergroßen Bremsscheiben am Vorderrad.

Fahren oder ausstellen?

Mit dem aufpreispflichtigen Race-Kit bringt es die Superleggera sogar auf 205 PS, dank eines ziemlich offenen, ziemlich lauten Titan-Rennauspuffs. Ob die Superleggera wirklich schneller ist als die Konkurrenz wird sich in der nächsten Saison zeigen, wenn die ersten der limitierten Edelbikes ausgeliefert werden. Man riskiert natürlich Hohn und Spott, wenn die Kollegen auf serienmäßigen BMW S 1000 RR [1] oder Kawasaki ZX-10R – beide ebenfalls rund 200 PS stark, aber bereits für knapp unter 17.000 Euro zu haben – auf der Rennstrecke an einem vorbeiziehen. Die eigentliche Frage bleibt aber, wer es überhaupt riskiert, mit einem 65.000 Euro-Motorrad einen Rundkurs zu befahren. Selbst nach einem harmlosen Sturz können die Reperaturkosten leicht zur Privatinsolvenz führen. Es soll tatsächlich Ducati-Fans geben, die so ein Edelbike in einer Vitrine im Wohnzimmer ausstellen, ohne je einen Meter darauf gefahren zu sein.


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