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Konstanter Wandel

Unterwegs im VW Golf 1.5 TSI

Fahrberichte Jürgen Wolff
VW Golf Facelift

(Bild: VW)

Ein erster kurzer Ausflug mit dem überarbeiteten VW Golf zeigt, dass vieles so blieb, wie es zuvor schon war. Der neue 1,5-Liter-Vierzylinder überzeugt hinsichtlich Kraft und Lautstärke, doch VW hat die Chance verpasst, Vorreiter zu sein

Natürlich erheben Hersteller im Rahmen einer Überarbeitung gern den Anspruch, ein neues Autos vorgestellt zu haben – getreu dem Motto: Nur wer trommelt, kann gehört werden. Im Falle des überarbeiteten Golf bleibt VW seiner bisherigen Taktik trotz eifrigen Schlagens auf die Marketing-Trommel treu: Änderungen am bestehenden Modell bleiben meistens recht überschaubar, größere Umgestaltungen gibt es erst mit einem Modellwechsel. Für das aktuelle Golf-Update gibt es dafür gute Gründe. Eine erste kurze Ausfahrt mit dem neuen 1.5 TSI und dem erstarkten GTI liefert dafür eine Erklärung.

Kaum verändert

Der überarbeitete Golf ist als solcher bestenfalls auf den zweiten oder dritten Blick zu erkennen. Stoßfänger und Kühlergrill wurden leicht verändert – es sind die Bauteile, die sich ohne große Kosten ändern lassen. Die Rückleuchten wurden neu gestaltet, die aufpreispflichtigen Scheinwerfer haben nun LEDs statt Xenonbrenner. Damit sind zusätzliche Lichtfunktionen leichter umzusetzen. Zudem setzt VW ganz nebenbei eine spürbare Preiserhöhung durch: Für den Golf Comfortline kostete das Xenonlicht 885, das LED-Licht nun 1085 Euro.

Funktional gab es keine Fortschritte. Das Armaturenbrett bietet kaum Ablagen für den täglichen Kleinkram, das Display des Navigationssystems sitzt zu tief. Keine gute Idee war es auch, den Drehregler für die Lautstärke durch zwei Tasten zu ersetzen. Was sich bisher blind regeln ließ, erfordert nun einen Blick auf das System. Gegen Aufpreis gibt es nun auch im Golf ein Display als Ersatz für ein klassisches Kombiinstrument mit Zeigern. Es lässt sich in gewissen Grenzen konfigurieren, allerdings sind diese enger gezogen als beispielsweise im neuen Peugeot 3008. Mit mindestens 510 Euro ist der Spaß im Golf auch nicht ganz billig.

Neue Antriebe

Eine Menge hat sich bei den Motoren getan. Der 1.2 TSI hat im Golf endgültig ausgedient. Er wird ersetzt durch einen Einliter-Dreizylinder, den es mit 85 und 110 PS gibt. Der Basismotor hätte uns sehr interessiert, er stand bei dieser ersten Ausfahrt allerdings nicht zur Verfügung. Eine Anfrage von uns an VW läuft, wir hoffen, demnächst einen Fahrbericht mit dem 85-PS-Golf nachreichen zu können. Die Werksangaben klingen vielversprechend: Mit 175 Nm hat er soviel Drehkraft wie der 1.2 TSI mit 110 PS – und der erschien uns in einem Test [1] kräftig genug.

Für den Erstkontakt mit dem überarbeiteten Golf hatte VW nur zwei Motoren mitgebracht, die beide oberhalb dessen liegen, was sich der durchschnittliche Golf-Neuwagen-Käufer leistet: Den neue 1,5-Liter-Vierzylinder mit 150 PS und den GTI. Letzterer ist mit 230 PS minimal stärker geworden, spürbar ist das nicht. Noch immer bietet er exzellente Fahrleistungen und einen sonoren Sound. Beides wird die über Jahrzehnte gepflegte Zielgruppe zu schätzen wissen.

Der neue 1,5-Liter hinterließ den erwarteten Eindruck: Der Golf ist damit temperamentvoll motorisiert. Stets ist mehr als nur ausreichend Kraft da. An diesem Eindruck ändert auch die Tatsache nichts, dass der neue Motor bei den Werksangaben minimal hinter dem bisherigen zurückbleibt. Im Standardsprint ist er mit 8,3 Sekunden 0,1 hinter dem bisherigen 1.4 TSI zurück, im 5. Gang von 80 auf 120 km/h vergehen nun 9 statt 8,5 Sekunden. Angenehm ist, dass der Motor stets leise bleibt. Dass sich im Teillastbereich immer wieder mal Zylinder abschalten [2], merkt man allenfalls an der „ECO“-Anzeige im Kombiinstrument.

Im NEFZ nennt VW 5 Liter, was gegenüber dem Vorgänger im Zyklus einen kleinen Rückschritt bedeutet. Dort wurde ein Laborwert von 4,7 Liter genannt, die Nutzer auf Spritmonitor [3] kommen auf 7 Liter. Das ist auch für den neuen Motor in etwa zu erwarten. Der alte 1.4 TSI gab es im Konzern auch ohne Zylinderabschaltung, der neue 1,5-Liter-TSI mit 150 PS wird nur mit Zylinderabschaltung angeboten. Der von uns für den Vergleich herangezogene 1.4 TSI war der mit Zylinderabschaltung.

Ohne Filter

Leicht hätte sich VW hervortun und den neuen Motor von Anfang an mit einem Partikelfilter ausstatteten können, was angesichts der laufenden Diskussion rund um den Abgas-Skandal sicher kein Fehler gewesen wäre. Diese Chance hat der Konzern verpasst. Stattdessen wartet VW bei diesem Motor unseres Wissens bis zum letzten Moment. Die Abgasnorm Euro 6c [4] schränkt für direkteinspritzende Benziner die Partikelanzahl auf ein Zehntel des bisherigen Grenzwertes ein. Das wird vielfach nur mit einem Partikelfilter einzuhalten sein. Die Abgasnorm Euro 6c gilt für neu homologierte Fahrzeuge ab dem 1. September 2017, für alle erstmals zugelassenen Autos ein Jahr danach. Um es drastisch zu formulieren: Wer jetzt einen Neuwagen mit Benziner kauft, fährt schon in anderthalb Jahren ein Auto mit nicht mehr aktueller Abgasnorm. Dies betrifft natürlich nicht nur VW, sondern fast alle Hersteller. Warum die Hersteller so agieren, ist recht einfach zu erklären: Das Thema ist in der Öffentlichkeit derzeit noch keines.

Das Basismodell kostet 17.850 Euro. Dafür liefert VW einen zweitürigen, grauen Golf mit manueller Klimaanlage und einem einfachen Radio. Zwei weitere Türen kosten immerhin 900 Euro mehr, was die meisten Käufer inzwischen auch zahlen. Dinge wie das erwähnte Display, diverse Assistenten oder auch ein Schiebedach gibt es für das Basismodell Trendline auch gegen Aufpreis nicht. Wer den von uns gefahrenen 150-PS-Benziner haben will, muss mindestens die mittlere Ausstattung „Comfortline“ nehmen. Der genaue Preis ist, Stand heute, noch nicht bekannt – sowohl in der Preisliste wie auch im Konfigurator ist noch der 1.4 TSI genannt. Wir gehen aber davon aus, dass es bei rund 24.500 Euro bleiben wird. Denn wer in dieser Hinsicht zu eindeutig für die eigenen Aktionäre trommelt, verschreckt womöglich den, der am Ende indirekt alle Rechnungen übernimmt.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3613921

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-Golf-1-2-TSI-mit-110-PS-im-Fahrbericht-Befoerderungsmitte-2514473.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/VW-bringt-dem-1-4-TSI-Zylinderabschaltung-bei-1334947.html
[3] https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/50-Volkswagen/452-Golf.html?fueltype=2&constyear_s=2014&constyear_e=2016&power_s=148&power_e=152&powerunit=2
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Chemiefabrik-im-Auspuff-Was-die-Euro-6c-Norm-erfordert-3098815.html