zurück zum Artikel

Mit 3,3 Liter Verbrauchsangabe so genügsam wie ein Smart 0.8 cdi

VW Polo BlueMotion: Auf Sparkurs im Fünfsitzer

Fahrberichte sle/mfz

Den ersten Platz der Hitliste der sparsamsten Serien-Pkw teilen sich derzeit zwei Autos: Der Smart Fortwo mit dem 54-PS-Diesel und der VW Polo BlueMotion mit 75-PS-TDI und Platz für fünf Personen

München, 24. September 2010 – Das Bestreben um immer kleinere Verbrauchswerte hat mitunter merkwürdige Folgen: Da bietet VW zwei technisch identische Polo-Varianten zum gleichen Preis an, von denen der eine geringfügig sparsamer sein soll als der andere. Wir wollten mit einem der momentan genügsamsten Pkw überhaupt herausfinden, wie effektiv die Sparmaßnahmen in der Praxis sind. Dazu wählten wir einen Polo BlueMotion 87 g aus, der mit 3,3 Litern auf 100 km auskommen soll.

Zwei Gramm Unterschied

Die neueste Version des Polo BlueMotion besitzt einen 1,2-Liter-Diesel mit drei Zylindern und einer Leistung von 75 PS. Die Standardversion Polo 1.2 TDI verbraucht laut VW 3,8 Liter auf 100 Kilometer. Der Polo BlueMotion benötigt natürlich weniger, aber hier wird es schon kompliziert: Vom BlueMotion-Modell gibt zwei Versionen, eine mit der Bezeichnung "87 g" und eine mit dem Beinamen "89 g". Die Werte beziehen sich auf die CO2-Emissionen in Gramm pro Kilometer. Der gefahrene "87 g" verbraucht 3,3 Liter, während es bei der Schwesterversion ein Zehntelliter mehr ist. Die beiden Varianten unterscheiden sich lediglich durch die verfügbare Ausstattung. Beim "87 g" sind nur wenige Optionen bestellbar.

Verschiedene Schwungmassenklassen

So kommt der "87 g" in eine günstigere Schwungmassenklasse als der 89-g-Kollege. Hintergrund: Bei der Messung des Spritverbrauchs auf dem Rollenprüfstand muss der Fahrwiderstand des Autos mit einer Bremse eingestellt werden. In den Fahrwiderstand geht außer dem Luftwiderstand auch die Masse des Fahrzeugs ein, die in Schwungmassenklassen eingeteilt wird. So fallen zum Beispiel alle Autos mit einem Gewicht von 1080 kg bis 1190 kg in die Schwungmassenklasse [1] "1130 kg".

Gewicht von Extras

Auf den ersten Blick verwirrend, denn die 87 g- und die 89 g-Version haben mit 1150 Kilogramm exakt das gleiche Leergewicht. Des Rätsels Lösung: Ermittelt wird diese Schwungmassenklasse immer mit allen lieferbaren Extras, wie uns ein Ingenieur von VW erklärte. Mit dieser Vollausstattung steigt natürlich auch das Gewicht. Da sich der Polo mit 1150 kg Leergewicht nur 40 kg unterhalb der nächst höheren Schwungmassenklasse bewegt, schränkt VW beim 87-g-Modell einfach die Auswahl an lieferbaren Extras ein. Denn bei der Einstufung können schon ein paar Kilogramm mehr oder weniger einen deutlichen Unterschied ausmachen.

Bekanntes Spar-Instrumentarium

Zu den Modifikationen beider BlueMotion-Modelle gehören Spritsparmaßnahmen, wie wir sie von vielen Spardieseln kennen: eine Start-Stopp-Automatik, Bordnetz-Rekuperation, ein geschlossener Kühlergrill, eine aerodynamisch optimierte Unterbodenverkleidung sowie spezielle Felgen und Reifen mit geringem Rollwiderstand. Dieser unspektakuläre Feinschliff sorgt in der Summe für einen runden halben Liter Verbrauchsvorsprung gegenüber dem normalen Polo 1.2 TDI – das sind immerhin 13 Prozent Ersparnis.

Wer schaltet, kommt schneller voran

Aber zurück zur Praxis: Die 3,3 Liter auf 100 Kilometer schafften wir auf unseren Ausflügen nicht, wir brauchten durchschnittlich ganze 2 Liter mehr. Allerdings fuhren wir auch nicht betont sparsam. Denn der Motor ist kein Spaßverderber, sondern liefert durchaus guten Schub – wenn man fleißig die Gänge wechselt. Nur wenn man den richtigen Drehzahlbereich erwischt, geht es vorwärts. Vor dem Überholen sollte man also das Zurückschalten nicht vergessen. Mit der serienmäßigen Fünfgang-Schaltung stellen Gangwechsel kein Problem dar. Die Akustik des Dreizylinders ist allerdings Geschmackssache. Der kleine Diesel klingt sehr rau und ist auch etwas laut. An der Ampel wird es dann aber schnell totenstill, da die serienmäßige Start-Stopp-Automatik den Motor abschaltet. Beim Treten der Kupplung springt die Maschine klaglos wieder an.

Guter Halt in Kurven

Das Fahrwerk ist für einen Kleinwagen gut. Zumindest in der Stadt, für die der BlueMotion ja wohl in erster Linie gemacht ist, erweist es sich als genügend komfortabel. Auf Straßen mit unebenem Belag fühlt sich unser Spar-Polo allerdings zuweilen etwas hart an. Dafür neigt sich das Auto in Kurven wenig. Zum positiven Kurvengefühl tragen auch die Sitze bei – sie bieten, wie von vielen VW-Modellen gewohnt, hervorragenden Seitenhalt. Der Innenraum unterscheidet sich nicht wesentlich von den übrigen Polo-Varianten. Auch im Fond finden Erwachsene noch genug Platz für Beine und Kopf. Der Kofferraum bietet 261 bis 952 Liter Volumen, was in dieser Klasse noch in Ordnung geht – Konzernbruder Skoda Fabia bietet freilich mit 315 bis 1180 Liter spürbar mehr Raum. Den praktischen Einlegeboden gibt es für den BlueMotion 87g nicht – eine Konzession an die erwähnte Schwungmassenklassen-Einstufung.

Viele Kilometer nötig

Der Polo BlueMotion kostet 16.675 Euro – unabhängig, ob man sich für die 87-g- oder die 89-g-Version entscheidet. Damit ist das Modell 1625 Euro teurer als ein Polo 1.2 TDI Trendline. Dafür erhält man außer optischen Modifikationen die beschriebene Spritspar-Technik inklusive 15-Zoll-Alurädern sowie einen Tempomaten, Nebelscheinwerfer und eine Multifunktions- und Reifenkontrollanzeige. Diese Extras machen 825 Euro aus, sodass der Mehrpreis auf 800 Euro zusammenschrumpft. Geht man vom Herstellerverbrauch aus, spart man pro 100 Kilometer etwa 60 Euro-Cent an Spritkosten. Bis sich die scheinbar geringfügigen 800 Euro amortisiert haben, stehen über 130.000 Kilometer auf der Uhr – für einen Kleinwagen schon ein beträchtlicher Wert. In der Stadt, wo sich der Spritspareffekt der Start-Stopp-Automatik unseres Spar-Polos besonders bemerkbar macht, dürfte es allerdings schneller gehen.

Gleicher Basispreis

Beim Polo 87 g sind als Sonderausstattungen nicht viel mehr verfügbar als das Cool-and-Sound-Paket, bestehend aus Klimaanlage und CD-Radio, zwei Zusatztüren und Kurvenlicht. Eine Alternative zum Polo BlueMotion ist der Seat Ibiza SC 1.2 TDI Ecomotive, der vom gleichen Motor angetrieben wird und auch nur 3,4 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen soll. Er ist ab 15.350 Euro zu haben. Außerhalb der Konzerngrenzen bietet sich der Ford Fiesta 1.6 TDCi Econetic an. Er ist mit 95 PS deutlich stärker und verbraucht laut Werksangabe 3,7 Liter. Die Preise beginnen hier mit 15.300 Euro. All diese Fahrzeuge sind rund 1300 Euro günstiger und verbrauchen nicht viel mehr als unser Testmodell.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1094597

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.motorlexikon.de/?I=6058