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Bei geringen und mittleren Lasten lässt sich bis zu einem Liter Sprit sparen

VW bringt dem 1.4 TSI Zylinderabschaltung bei

Technik ggo

Wenn nur zwei von vier Zylindern die Antriebsarbeit leisten müssen, kann die damit verbundene Last­punkt­verschiebung zu geringerem Verbrauch führen. VW bietet die neue Spar­technik ab 2012 an – zunächst im Polo

Wolfsburg, 1. September 2011 – Volkswagen bringt als erster Hersteller einen aufgeladenen Benziner mit vier Zylindern und Schubabschaltung auf den Markt. Technische Basis ist der 1.4 TSI in der Variante mit Turbolader, aber ohne Kompressor. Erstmals eingesetzt wird der TSI mit Schubabschaltung ab Anfang 2012 im Polo 1.4 TSI. Der Motor wird 103 kW (140) PS leisten und ein stämmiges Drehmoment von 250 Nm bieten. Im leichten Polo wird der neue TSI für ein recht zügiges Fortkommen sorgen, wichtiger sind aber die Verbrauchsvorteile. Die Schubabschaltung verringert den Normverbrauch des 1.4 TSI um 0,4 Liter pro 100 Kilometer.

Konstantfahrt

Die Schubabschaltung kann im Drehzahlbereich zwischen 1500 und 4000 U/min aktiviert werden, Voraussetzung ist zudem, dass das Drehmoment zwischen 25 und 75 Nm liegt. Am meisten lässt sich bei konstanter Fahrt und moderatem Tempo sparen: Bei 50 km/h verbraucht man im 3. oder 4. Gang fast einen Liter weniger, bei 70 km/h im fünften Gang sind es noch 0,7 Liter. Mit steigender Geschwindigkeit nimmt der Verbrauchsvorteil ab, wobei der "break-even" allerdings erst bei etwa 140 km/h erreicht ist – mit anderen Worten: Eine ruhige Fahrweise zahlt sich in den meisten Fahrsituationen noch mehr aus, als sie es ohnehin tut.

Lastpunktverschiebung

Bei der Zylinderabschaltung werden ausschließlich die Zylinder 2 und 3 lahmgelegt, was folgendermaßen funktioniert: Zunächst werden noch einmal bei offenen Einlassventilen die Brennräume gefüllt, um eine ausgeglichene Drucksituation zu schaffen. Danach machen alle Ventile dicht und es wird kein Kraftstoff mehr eingespritzt. Die Kolben 2 und 3 werden nun mitgeschleppt und Zylinder 1 und 2 müssen die ganze Antriebsarbeit übernehmen. Wie man es auch vom Downsizing [1] kennt, führt das zu einer Lastpunktverschiebung – die zwei aktiven Zylinder haben also mehr zu tun, ohne dass der Verbrauch proportional mitsteigen würde.

Rangierbetrieb

Damit im laufenden Betrieb die Ventile geschlossen bleiben können, musste VW die Nockenwelle modifizieren: Für Zylinder 2 und 3 sitzen die Nocken auf einer Hülse, die auf der Nockenwelle verschiebbar gelagert ist. Im Normalbetrieb werden die Ventile über den kleinen Umweg der Rollenschlepphebel von den Nocken eingerückt. Im "Sparbetrieb" dagegen wird die Hülse so verschoben, dass der Rollenschlepphebel freiläuft, sodass das jeweilige Ventil geschlossen bleibt.

Weichenstellung

Etwas schwieriger zu beschreiben ist, wie die Hülsen – VW spricht von Nockenstücken – eigentlich verschoben werden. Das Nockenstück hat im Prinzip drei Sektionen: erstens den Nocken, zweitens den "Nullnocken" und drittens eine umlaufende Mehrfach-Nut, in die bei Bedarf kleine, elektromagnetisch betätigte Stifte eingeführt werden können. Die "Mehrfach-Nut" sieht aus wie das Negativprofil einer Weiche, das auf eine Walze projiziert ist. Wenn nun kurzzeitig einer der kurzen Stifte dort eingreift, wird die Hülse in die jeweils gegenüberliegende Richtung verschoben. Nach Abschluss dieses Vorgangs wird die Position von federbelasteten Kugeln arretiert, und die Stifte kehren in die Ruheposition zurück.

Glattgebügelt

Der ganze Vorgang dauert je nach Drehzahl 13 bis 36 Millisekunden und soll natürlich für den Autofahrer unbemerkt stattfinden. Das geschieht, indem die Motorsteuerung durch Eingriffe in Zündung und Drosselklappe den Übergang "glättet" – soll wohl heißen, dass eine kleine Drehmomentanpassung erfolgt, um die Wahrnehmung eines Ruckelns zu verhindern. Im Übrigen führt der Zustand "zwischen 25 und 75 Nm sowie 1500 und 4000 U/min" nicht immer zum Auslösen der Zylinderabschaltung. VW wertet die Fahrzeugsensorik aus, um Zustände zu erkennen, in denen das nicht sinnvoll wäre, etwa bei Umfahren eines Kreisverkehrs oder bei munterer Landstraßenfahrt und entsprechend eifriger Betätigung des Gaspedals.

Fortsetzung folgt

Trotz der nicht ganz trivialen Mechanik, der aufwendigeren Motorsteuerung und der uneinheitlichen Lastzustände im Motor verspricht VW, dass "der exzellent ausbalancierte 1.4 TSI noch sehr leise und vibrationsarm" läuft. Erstmals angeboten wird er in einer mäßig sportlich ausgelegten Variante des Polo, weitere Anwendungen sollen schrittweise folgen.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Druck-Erzeugnis-Hubraum-ist-doch-zu-ersetzen-457002.html