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Geachtet

Vorstellung: VW Golf 8

Autos Florian Pillau
VW Golf 8

(Bild: VW)

Es ist – ein Golf! Mag sich Volkswagen und seine Kernmarke VW auch in immer kürzeren Abständen neu erfinden und sein Personalkarussell in immer schnellerer Folge drehen müssen – Golf bleibt Golf. Selbstverständlich auch in achter Generation

Es ist – ein Golf! Mag sich Volkswagen und seine Kernmarke VW auch in immer kürzeren Abständen neu erfinden und sein Personalkarussell in immer schnellerer Folge drehen müssen – Golf bleibt Golf. Selbstverständlich auch in achter Generation.

Als der Kompaktwagen 1974 erstmals erschien, wirkte er uns käferfahrenden Westdeutschen wie ein Botschafter aus der Zukunft. Endlich hatten die Manager in Wolfsburg eingesehen, dass das Festhalten an der KdF-Technik der 1930er-Jahre in Form vergrößerter Käfer wie dem VW 411 sie nicht würde retten können. Dass das Konzept jedoch so weit tragen würde, hätte damals niemand gewettet: Der Käfer war 1974 gerade mal 38 Jahre jung – den Golf gibt es heute bereits seit 45 Jahren. Seither sind über 35 Millionen Stück verkauft [1] worden. Den Käfer überholte er bereits 2002.

Volkswagen ging von Anfang an einen anderen Weg als jene japanischen Hersteller, die ihre Massenprodukte seit Jahrzehnten mit dem gleichen Namen verkaufen, sie aber von Generation zu Generation auch mal völlig neu gestalten, etwa durch eine Umstellung von Hinterrad- auf Frontantrieb. Oder umgekehrt, indem ein substanziell kaum weiterentwickeltes Auto plötzlich einen anderen Namen bekommt. Oder eine Neuerscheinung wieder eine alte Bezeichnung.

Kontinuität im Konzept

Den Deutschen lag da jede Risikobereitschaft fern, wohl auch als Kunden. Schon als 1983 der Golf II erschien, sagte Volkswagen: „Der Golf muss ein Golf bleiben. Also keine Neukonstruktion, die sich vom Golf Konzept entfernt – aber trotzdem ein von Stoßstange zu Stoßstange neues Auto nach der Devise: Kontinuität im Konzept, Fortschritt in Detail und Qualität.“ Es war also von Beginn an Programm, dass sich der Golf sich so von Generation zu Generation gewissermaßen immer ähnlicher wurde

Was schon immer dazugehörte, war die behutsame Weiterentwicklung der technischen Basis, vieles aus dem vorangegangenen Modell blieb auch im neuen, einiges hielt sich über mehrere Generationen. Ganz selbstverständlich ist das auch beim Übergang vom 7er so. Den Golf 8 braucht man dazu gar nicht auf eine Hebebühne zu stellen: Die Fensterheberschalter zeigen wie selbstverständlich ihre Herkunft aus dem Golf 4. Man kann das liebenswürdig finden.

So besteht die Antriebshardware beim 8er größtenteils wieder aus bewährten Komponenten, einige gibt es bereits seit geraumer Zeit, wie etwa das manuelle Sechsganggetriebe. Natürlich muss man die Aggregate nicht immer ganz neu erfinden, manchmal darf man es auch gar nicht. Beim Stand der Technik steht den Ingenieuren ein hinreichend großer Baukasten zur Verfügung, mit dem sie auf alle neuen Anforderungen reagieren können. Zudem hat man auch bei den ältesten Einheiten auch diesmal wieder Kleinigkeiten verbessern können. Anders wäre es nicht bei über 1,8 Milliarden Euro Entwicklungskosten geblieben.

Weiterentwickelt mit Bosch

Die modernisierten Dieselmotoren* mit 2,0 Litern Hubraum und 85 respektive 110 kW sollen im WLTP bis zu 17 Prozent weniger verbrauchen. Für die aktuellen und kommenden Abgasnormen sind diese Motoren mit Harnstoffeinspritzung in einen motornahen und einen Unterboden-SCR-Katalysator ausgestattet. VW hatte ziemlich überraschend die alte Plattform noch von Speicher- auf SCR-Kat umgerüstet. Nun kommt noch ein SCR-Kat hinzu.

Dass die Entstickung noch weitere Maßnahmen umfasst, darf vorausgesetzt werden. Dass sie aus einer Zusammenarbeit mit Bosch entstammen, ist ebenso gut wie sicher. Eine Technikgeschichte zum Versuchsmotor haben wir im April 2018 geschrieben [2]. Volkswagen sagt, die NOx-Emission der Motoren läge „an der Nachweisgrenze“ [3]. Beide Dieselmotoren werden mit einem neu entwickelten manuellen Sechsgang- oder dem bewährten, etwas modernisierten Siebenstufen-Doppelkupplungsgetriebe DQ200 [4] angeboten. Der Diesel mit 110 kW wird auf Wunsch auch mit bedarfsgeregeltem Allradantrieb ausgeliefert.

*Korrektur erfolgt: Ursprünglich hieß es, die Diesel hätten 1,6 und 2,0 Liter Hubraum. Richtig ist aber, dass beide 2,0 Liter Hubraum haben.

Der ebenfalls überarbeitete 1,5-Liter-Vierzylinder-Ottomotor mit Direkteinspritzung und Zylinderabschaltung nutzt in seiner 96 kW-Version wie schon zuvor das sogenannte Miller-Brennverfahren mit kurzem Verdichtungs- und langem Expansionshub. Wie das funktioniert, haben wir im Detail beschrieben [5]. Es macht in Verbindung mit hoher Verdichtung die Verbrennung deutlich effizienter, allerdings auf Kosten des Drehmoments. Diesen Nachteil gleicht ein Turbolader mit variabler Geometrie (VTG) aus, wie er bisher nur an Dieselmotoren verwendet wurde, Fahrbarkeit und Effizienz steigen.

An einem herkömmlichen Ottomotor wäre so ein Lader zu hohen Abgastemperaturen ausgesetzt und hätte dadurch aus allzu teuren Materialien gefertigt werden müssen. Beim Miller-Brennverfahren jedoch bleibt das Abgas kühl genug für einen günstigen VTG-Lader. Einen Benziner mit VTG konnte sich bisher nur Porsche leisten, weil die Kunden den Mehrpreis gern inkauf nehmen. Der Golf ist jedoch ein hoch kostensensibles Großserienprodukt.

Sparsame Dreizylinder

Der erprobte Einliter-Dreizylinder, der auf dem 1,5-Liter-Motor basiert, wird künftig mit 66 und 81 kW angeboten. Sie sollen erstmals die wichtige 95 g/km-Schwelle beim CO2-Ausstoß nicht überschreiten. Ab 2020 gilt das als durchschnittlicher Grenzwert beim Verbrauch für alle neu zugelassenen Pkw, hat also Symbolcharakter. Beide Dreizylinder werden von Beginn an verfügbar sein.

Fünf der Benziner werden von einer E-Maschine unterstützt, was sie – technisch ansonsten unverändert – im Zyklus dank Boost und Rekuperation mit einem 48-Volt-Teilnetz bis zu 12 Prozent sparsamer machen soll. Drei „eTSI“ genannte Mildhybride mit 48-Volt-Teilnetz und Starter-Generator leisten 81, 96 und 110 kW. Sie sind immer an das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gekoppelt und können im Segelmodus abgestellt werden. Der Riemen-Starter-Generator soll einen fast unmerklichen Start ermöglichen und spürbar beim Anfahren mithelfen. Teilelektrisch hingegen kann dank 13-kWh-Batterie der Golf GTE mit 150 oder 180 kW als „eHybrid“ fahren. Dieses Modell wird zum Verkaufsbeginn aber noch nicht verfügbar sein.

e-Golf nach Kigali

Ein e-Golf 8 hingegen erübrigt sich mit der Ankunft des VW ID.3 [6] natürlich. Der laut Katalog 31.900 Euro teure Batterie-Golf 7 verkauft sich bereits jetzt schlecht, eine Rabattstudie des CAR-Instituts der Uni Essen-Duisburg fand Angebote bei Internet-Händlern von knapp über 20.000 Euro inklusive staatlicher Förderung. Immerhin bekommt der e-Golf (Test) [7] wohl eine Art zweite Chance. Als Teil eines afrikanischen E-Mobilitäts-Pilotprojekt [8]s will Volkswagen demnächst 50 Stück auf die Straßen von Ruandas Hauptstadt Kigali bringen. Das sagte Anfang der Woche der Geschäftsführer von Volkswagen South Africa, Thomas Schäfer. Die Ladeinfrastruktur in dem ostafrikanischen Land soll Siemens aufbauen.

Wie der VW Golf eHybrid und die Erdgas-Motorisierung „TGI“ mit 96 kW [9] sollen auch die Modelle GTI, GTD und der allradgetriebene Golf R mit 221 kW noch 2020 nachgezogen werden. Bei letzterem soll sich die Fahrdynamik verbessern, indem erstmals die Lamellenkupplung des Allradantriebs mehr Freiheit bei der Drehmomentverteilung nach hinten bekommen soll. Wir kennen den Effekt der damit erreichten höheren Gierrate bereits aus dem VW T-Roc R (Test) [10]. Selbstverständlich wird sie auch aus dem Frontantrieb-Golf kein Auto mit Hinterradantrieb zaubern.

Vieles Bewährte wird also behutsam fortentwickelt, anderes dagegen muss sich komplett ändern. Wie alle Hersteller muss Volkswagen sich auf den mittlerweile völlig durchsmartphonisierten Nutzer einstellen. Der Golf ist „always on“ und erkennt alle berechtigten Fahrer auch ohne Telefonie-Funknetz an Daten auf deren (kompatiblen) Telefonen. Der übertragene Datensatz ersetzt den Schlüssel, auf dem Telefon sind darüber hinaus Sitzeinstellung, Ambientebeleuchtung, Sprache, Lieblingssender und viele Präferenzen mehr abgelegt. So kann man mit einem aktuellen VW Touareg (Test) [11] oder Passat [12] (andere VW-Modelle werden das erst später können), den man sich beispielsweise am Messegelände, Bahnhof oder Flughafen einer fremden Stadt ausleiht, einfach mit seinen gewohnten Einstellungen losfahren.

Touch & Slide

Homo Wischgestiensis hat Volkswagen aber auch dazu gebracht, das Bediensystem sehr konsequent serienmäßig auf Bildschirme umzustellen. Im Bewusstsein der Problematik der für die Fahrsicherheit eigentlich ungünstigen Bedienung über Berührungsbildschirme hat man nicht nur das zentrale Display weit nach oben gerückt – im Golf 7 lag er noch unter den zentralen Luftausströmern – Volkswagen hat sich auch virtuelle Schieberegler in physischen Mulden ausgedacht.

Die neuen „Touchslider“ setzen eine Wischgeste um, die je nach gewähltem Menü etwa Lautstärke oder Gebläsestufe und die Öffnung des elektrisch betätigten Glasschiebedachs regelt. Ein guter Anfang, weil bediensicher wie ein Drehregler. Im Test eines Golf VII [13] schrieben wir: „Der Testwagen war mit dem teuersten Navigationssystem ausgestattet. Der Wunsch der Designer nach einer knopflosen Oberfläche ist verständlich, führt aber dazu, dass Kartenzoom und Lautstärke nun umständlicher zu bedienen sind.“ Übrig bleibt heute nur noch eine handvoll physischer Knöpfe, die jedes Auto für die Homologation weiterhin haben muss: Vier Fensterheberwippen und ein Warnblinkschalter.

Unschönes Spiegelbild

Die Blickabwendung möglichst verringern helfen soll auch ein aufpreispflichtiges Head-Up-Display mit direkt in die Windschutzscheibe eingeblendeten Symbolen. Wie bei den meisten anderen uns bekannten Systemen spiegelt sich leider auch bei diesem HUD bei Lichteinfall von schräg oben der Schacht unschön in der Scheibe. Das war auf der Präsentation gut zu sehen wegen der kräftigen Spots an der Hallendecke in 12-Uhr-Position.

Assistenz wird immer wichtiger und so bekommt der Golf 8 als Serienausstattung einen Spurhalteassistenten, ein Umfeldbeobachtungssystem mit City-Notbremsfunktion, Fußgänger- und Radfahrererkennung, Ausweichunterstützung und Abbiegeassistent. Als Standard baut Volkswagen auch eine Car-2-X-Funktion mit rund 800 Metern Reichweite ein, die eine (aktive und passive) Warnfunktion etwa bei Stauende, Liegenbleiben oder herannahenden Einsatzfahrzeugen übernehmen kann, sofern die anderen Fahrzeuge, Straßendienst oder Lichtzeichenanlagen entsprechend ausgerüstet sind.

Richtung Autonomie

Einen Schritt Richtung autonome Längs- und Querführung machen Stauassistent (bis 60 km/h) und „Travel Assist“ (bis 210 km/h). Aus rechtlichen Gründen muss der Fahrer das Lenkrad dabei umfassen. Um den Komfort zu erhöhen, hat Volkswagen nun eine kapazitive Erkennung statt einer über das Lenkmoment eingebaut. Dadurch genügt eine auf dem Lenkradkranz befindliche Hand – die bisher zur Fahrererkennung nötigen leichten Lenkkorrekturen sind dadurch nicht mehr nötig. Sollte der Fahrer den Golf länger als 15 Sekunden freihändig fahren lassen, wird er mithilfe eines Warntons und später eines Bremsrucks aufmerksam gemacht. Reagiert er nicht, wird der Wagen automatisch angehalten.

Im neuen Golf werden alle verfügbaren Assistenzfunktionen bereits angelegt sein. Dem Kunden werden außer der Serienausstattung diejenigen davon freigeschaltet, die er auch bezahlt. Das ist beim Kauf der Fall, kann aber beliebig häufig auch danach noch passieren. Sollte dem Kunden nachträglich eine Funktion fehlen, kann er sie dazuerwerben. Ein Gebrauchtwagen kann also auch von einem der späteren Besitzer auf ein besseres Niveau gebracht werden. Volkswagen profitiert bei der Produktion von einer reduzierten Anzahl an Varianten und kann Gebrauchtwagen und Leasingrückläufer bei Bedarf aufwerten.

Glühfaden- oder Wischblinken

Die Matrixscheinwerfer bieten zehn verschiedene Lichtverteilungen, kosten aber Aufpreis. In diversen Tests anderer Volkswagen-Modelle haben sich diese Dinger bereits unsere uneingeschränkte Empfehlung verdient und werden schon in den aktuellen VW Touareg- und VW Passat in einer weiter verbesserten Form eingesetzt. Sie soll auch den Fahrern des Golf 8 zugutekommen.

Grundsätzlich sind die Leuchtmittel nun immer LED, mit der kleinen Gemeinheit, dass in der Grundausstattung die vorderen Blinker noch mit Glühfadenlampen arbeiten. Alle höheren Versionen hingegen bekommen ein LED-Band mit Wischblinkfunktion. Richtig verärgern will man aber offenbar keinen Kunden mehr mit dem sehr teuren Austausch ganzer Scheinwerfereinheiten, selbst wenn nur eine LED versagt: Die neuen Scheinwerfer sollen sich nun praxisgerecht durch den Ersatz einzelner LED-Felder reparieren lassen.

Konstanz

Die Gestaltung zeigt, wie wichtig Volkswagen die Konstanz des Golf ist. Der Dachspoiler wuchs wegen der Aerodynamik, die Motorhaube hat keine Einschnitte mehr für die Scheinwerfer, weil die nun nach unten in die Schürze ragen. Mit diesem Detail gleicht Volkswagen den Golf der Gestaltung des batterieelektrischen ID.3 an.

Das E-Auto soll innerhalb weniger Jahre zum wichtigsten Umsatz- und Gewinnbringer werden, wenn es nach den Ankündigungen des aktuellen Chefs Herbert Diess geht, was ein bisschen nach Abschied von der aktuellen Cashcow des Konzerns klingt. Ob es schon den Golf der achten Generation betrifft, will aber noch niemand voraussagen.

Mehr zur Vernetzung und den Hybridantrieben erfahren Sie in diesem Artikel auf heise/online [14].


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4564270

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/30-Millionen-VW-Golf-Tops-und-Flops-seiner-Geschichte-1891076.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Bosch-verbessert-Diesel-Abgaswerte-dramatisch-4036230.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Neue-Diesel-Fast-kein-NOx-mehr-4352045.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Varianten-des-Doppelkupplungsgetriebes-1127289.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Ungewoehnlich-Volkswagen-bringt-Ottomotor-mit-VTG-Lader-zusammen-3589560.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-VW-ID-3-4516910.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Der-VW-e-Golf-im-Test-3774086.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Volkswagens-erstes-afrikanisches-E-Mobilitaets-Projekt-4571599.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Seat-Leon-1-5-TGI-4368132.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-VW-T-Roc-R-4548712.html
[11] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Touareg-3-0-TDI-4409548.html
[12] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Passat-Variant-GTE-4557723.html
[13] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Golf-1-5-TSI-ACT-3751530.html
[14] https://www.heise.de/news/VW-Golf-8-Teilelektrisch-und-stets-vernetzt-4558988.html