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Auf dem Dienstweg

Vorstellung: VW Passat Facelift 2019

Autos Christoph M. Schwarzer
VW Passat Facelift 2019

Viel ändert sich bei der Überarbeitung des Bestsellers VW Passat nicht. Die wichtigste Neuerung betrifft den Plug-in-Hybrid, dessen Batterie wächst. Ansonsten gibt es viel Feinschliff im Detail und Fortschritte bei Infotainment und Licht

„Das Update“. So nennt Volkswagen die Modellpflege des Passats. Auf einem Technologie-Workshop haben die Wolfsburger erklärt, wo sie das Auto überarbeitet haben. Tatsächlich sind bei der Konnektivität und Fahrautomatisierung viele Verbesserungen erzielt worden, auf die der Begriff Software-Update gut passt. Es gibt aber auch handfestere Fortschritte. Zum Beispiel beim Plug-in-Hybrid namens GTE.

Speicher plus

Dessen Batteriekapazität wächst ein wenig von 9,9 auf 13 kWh. Die Reichweite soll 55 km betragen, finale Homologationsdaten liegen aber noch nicht vor. Bisher gab das Werk im rein elektrischen Betrieb bis zu 50 km an, der Fortschritt scheint auf den ersten Blick also geradezu erstaunlich gering. Doch die alte Angabe wurde unter den laschen Bedingungen des NEFZ ermittelt, die neue unter den etwas strengeren des WLTP [1].

Die Ingenieure sind zuversichtlich, dass alle Ausstattungsversionen des Passat GTE [2] die Kriterien des Elektromobilitätsgesetzes (EMoG) erfüllen werden, um ein E-Kennzeichen zu erhalten und – noch wichtiger bei diesem klassischen Dienstwagen – damit unter die neue 0,5 Prozent-Regel [3] zu fallen: Die pauschale Besteuerung des geldwerten Vorteils eines elektrischen Firmenautos ist seit dem 1. Januar 2019 halbiert. Der GTE wird dem TDI damit vermutlich ein paar Prozentpunkte des modellinternen Marktanteils wegnehmen.

Leistungsgleich

Der Antriebsstrang des Passat GTE blieb unverändert: Der Ottomotor leistet 115 kW, der E-Motor 85 kW. Die Systemleistung liegt bei 160 kW (218 PS), das maximale Systemdrehmoment bei 400 Nm. Keinen Fortschritt gab es auch beim Laden: 1 Phase, maximal 3,6 kW Ladeleistung. Anders ausgedrückt: Für eine Reichweite von maximal 55 km ist stundenlanges Laden nötig. Unverändert bleibt auch das Doppelkupplungsgetriebe mit sechs Gängen und nassen Kupplungen. Volkswagen setzt es nur noch in wenigen Modellen ein, beispielsweise im Sharan und im Caddy (Test) [4]. Ein Pluspunkt für zukünftige Gebrauchtwagenkäufer: Als einziger Passat erfüllt der GTE die erst ab 1. Januar 2021 verpflichtende Abgasnorm Euro 6d. Wie alle Ottomotoren im überarbeiteten VW Passat hat auch der Plug-in-Hybrid einen Partikelfilter.

Euro 6d-Temp

Die Diesel sind wie gehabt mit 120, 150, 190 und 240 PS erhältlich, wobei die oft bestellte Ausführung mit 150 PS eine Neuentwicklung sein soll. Die soll vor allem weniger verbrauchen als der direkte Vorgänger – die Rede ist von 10 g CO2 pro Kilometer. Die Benziner gibt es mit 150, 190 und 272 PS. Sie alle erfüllen nur die Abgasnorm Euro 6d-Temp [5], Volkswagen wird also vor dem Produktionsende des aktuellen Passats noch einmal nachbessern müssen. Denn Neuwagen mit der Euro 6d-Temp können in der EU nur bis zum 31. Dezember nächsten Jahres erstmals zugelassen werden. Technisch wird sich zumindest bei den Benzinern nichts ändern, denn die Grenzwerte von Euro 6d-Temp und Euro 6d sind identisch. Eine Verschärfung erfolgt gewissermaßen indirekt über den strengeren Konformitätsfaktor.

Optisch hat sich beim Passat nur wenig verändert, es blieb bei der erwarteten Annäherung an den VW Arteon. Die Formensprache ist schnörkellos und konservativ. Wenn man so will, ist die wohl größte Schwäche dieses beliebten VW, dass er kein zeitgeistiges SUV ist. Das ist keineswegs zynisch gemeint, denn klassische Kombis verkaufen sich tendenziell schlechter, während SUVs boomen. Es ist den internen Vorschriften der Flotteneinkäufer („Car Policies“) in großen Unternehmen zu verdanken, dass der Passat weiterhin einigermaßen läuft – hier sind SUVs mit Blick auf den zu hohen Autobahnverbrauch im Regelfall verboten. Für alle, die Tiguan oder Touareg für Unsinn halten, aber eine gewisse Schlechtwege-Kompetenz brauchen, bietet Volkswagen wie gehabt den Passat Alltrack an: Er hat Allradantrieb, eine auf 17,2 Zentimeter erhöhte Bodenfreiheit und Radlaufverbreiterungen.

„Größte Ausbaustufe“ der Assistenzsysteme

Das natürliche Zuhause des Passats ist jedoch die Autobahn. Auf langen Strecken macht sich auch das Update bemerkbar: Mit „Travel Assist“ lässt sich per Knopfdruck die Teilautomatisierung auf Level 2 aktivieren, also die Kombination aus adaptivem Tempomat ACC (0-210 km/h) und Mittelspurführung. Außerdem werden Tempolimits auf Wunsch in die sogenannten vorausschauende Geschwindigkeitsregelung übernommen. Volkswagen sagt, dass die Fülle der Assistenzsysteme im Passat die „aktuell größte Ausbaustufe“ darstelle.

Ein Baustein dazu ist das kapazitive Lenkrad. Es ist, ähnlich einem Smartphone, berührungsempfindlich. Der Fahrer muss im teilautomatisierten Modus nicht mehr durch gelegentliches Ziehen am Lenkrad nachweisen, dass er „im Loop“ (nicht abgelenkt oder eingeschlafen) ist, wie die Entwickler sagen. Es genügt das Anfassen des Steuers. Wer nach der mehrstufigen optischen, akustischen und Bremsruck-Warnung dennoch nicht die Hand am Lenkrad hat, wird wie bisher durch den "Emergency Assist" automatisch zum Stillstand gebracht. Neu dabei: Wenn das System eine Autobahn erkennt, lenkt der Passat im Fall eines inaktiven Fahrers auf den Standstreifen. Das kann bei einem medizinischen Notfall Leben retten.

Matrix-Licht

Neu sind die aus dem Touareg [6] übernommenen Matrix-LED-Scheinwerfer, die VW IQ.Light nennt. Schon bisher gab es im Passat für reichlich Aufgeld eine adaptive Lichtverteilung, die andere Verkehrsteilnehmer in einen Schattenkegel setzen kann. Beim neuen Lichtsystem werden einzelne LEDs gezielt abgeschaltet, um andere nicht zu blenden. Die Verteilung des Lichts ist hier deutlich feiner als bisher. So wird beispielsweise ein Verkehrsschild weniger intensiv angeleuchtet, um eine Blendung zu vermeiden. Angesichts dessen, wie gut das aktuelle, teure Licht beispielsweise im VW Arteon (Test) [7] bereits ist, darf man auf den Fortschritt im Passat sehr gespannt sein.

Mit dem überarbeiteten Passat debütiert auch der Modulare Infotainment Baukasten 3 (MIB3). Er bringt unter anderem ein neues Display als Kombiinstrument, welches sich weitreichender als bisher konfigurieren lassen soll – mit nur einer Taste, wie Volkswagen verspricht.

Die vielen, verbesserten Details sind einerseits Feinschliff. Andererseits erhöht genau der den Komfort und die Sicherheit. Vielfahrer, die reichlich Kilometer im Jahr abreißen, wissen das zu schätzen. Was das alles kostet, sagt Volkswagen noch nicht. Bestellungen werden wahrscheinlich ab April angenommen.

Digitale Dienste Volkswagen „We“

Mit dem Update des Passat B8 führt Volkswagen auch die Dachmarke „We“ für digitale Dienste ein. Die dritte Generation des Modularen Infotainmentbaukastens (MIB3) im Passat ist dank eigener SIM-Card „always on“. Hieraus ergeben sich bekannte Grundfunktionen wie Web-Radios oder Echtzeitnavigation. Unter „We“ fasst Volkswagen zusätzliche Services zusammen. Vom bargeldlosen Parken („We Park“) übers Fuhrparkmanagement („We Connect Fleet“) bis zum Ersatz des Schlüssels durch das Smartphone ist alles dabei.

Die mit dem Passat B5 [8] eingeführten Bezeichnungen Trendline, Comfortline und Highline verschwinden. Das Basismodell bekommt künftig keine zusätzliche Signatur, die teureren Linien heißen ab sofort „Business“ und „Elegance“. Vielleicht ringt sich Volkswagen im Rahmen dieser Maßnahme dazu durch, die im Vergleich zu vielen Konkurrenten arg dürftige Serienausstattung etwas aufzubessern. Rechnen sollte man damit realistischerweise eher nicht: 70.007 Passat wurde in Deutschland 2018 erstmals zugelassen, größere Zugeständnisse sind vom Bestseller in der Klasse [9] nicht zu erwarten.

Der Letzte aus Emden?

Der Passat, den die Volkswagen-Mitarbeiter im Gespräch als B8.2 bezeichnen, dürfte der letzte seiner Art aus Ostfriesland sein. Die Produktion des Nachfolgers wird mutmaßlich zusammen mit dem kommenden Skoda Superb erfolgen. Das Traditionswerk in Emden, wo der Passat seit 1977 vom Band läuft, bekommt dann eine neue Aufgabe. Es gibt Spekulationen, nach denen sich wegen der räumlichen Nähe zur Stromversorgung aus Offshore-Windkraftanlagen der Bau eines Elektroautos [10] anbietet.

Bis es soweit ist, verkörpert der Volkswagen Passat besonders als Variant ein Old School-Konzept im besten Sinn: Er ist praktisch und hat viel Platz, er ist relativ flach und eignet sich darum für weite Touren bei angemessenem Verbrauch. Die Dieselmotoren sind für Außendienstler mit engem Zeitbudget nach wie vor erste Wahl, und wer ein kleines Stück Zukunft haben will, wählt den steuerbegünstigten GTE mit Ladestecker.


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https://www.heise.de/-4298239

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Plug-in-Hybrid-Verbrauchsermittlung-im-WLTP-4225028.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Unterwegs-im-Volkswagen-Passat-GTE-3141281.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/0-5-Prozent-Regelung-fuer-elektrische-Dienstwagen-4210485.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Caddy-Trendline-1-0-TSI-BMT-3863910.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Abgasnormen-im-Ueberblick-4060878.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-VW-Touareg-2018-4001534.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Arteon-2-0-TSI-3926327.html
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Volkswagens-Wasserrettung-1923953.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Bestseller-2018-4277264.html
[10] https://www.heise.de/autos/thema/Elektroautos