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14 der seltenen Sportcoupés kamen per Schiff aus Japan

Wankel-Wallfahrt: Mazda-Cosmo-Treffen in Deutschland

News rhi
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Einen Mazda Cosmo Sport aus den späten 1960er-Jahren zu sehen, ist in Deutschland fast unmöglich. Umso faszinierender ist es, wenn gleich ein gutes Dutzend der seltenen Zweitürer vor Ort ist

Gersthofen, 20. August 2009 – Hierzulande ist der Mazda Cosmo Sport mit Wankelmotor fast nicht zu sehen, schließlich wurden zwischen 1967 und 1972 gerade 1176 Stück gebaut und ausschlißlich in Japan verkauft. So war es eine Offenbarung für Wankel-Liebhaber aus aller Welt, was sich vom 10. bis zum 15. August auf dem Hof des Mazda-Händlers Frey in Gersthofen bei Augsburg zutrug: Fein säuberlich erwarteten uns dort in Reih und Glied vierzehn der seltenen Coupés.

Japaner mit italienischem Antlitz

Am frühen Morgen ist noch wenige Betrieb auf dem Gelände, eine ideale Gelegenheit für uns, die Cosmo-Mazdas näher anzusehen. Auf den ersten Blick wirkt die flache Karosserie mit dem etwas zu lang geratenem Heck etwas seltsam, doch bei genauerem Hinsehen denken wir: Gut gelungen für einen Japaner aus dieser Zeit. Schließlich neigten Nippons Ingenieure damals im allgemeinen zur Miniaturisierung von US-Karossen. Wir müssen uns tief bücken, um einen Blick durch die Seitenscheibe werfen zu können und sehen ein auffallend ergonomisches Cockpit mit vielen Rundinstrumenten und einem großen Dreispeichenlenkrad. Allzu groß sollten die beiden Passagiere nicht sein, doch immerhin sie dürfen immerhin auf kariertem Stoff Platz nehmen. Der Schaltstummel, mit dem das Viergang-Getriebe bedient wird, erinnert an den Joystick des ersten Mazda MX-5.

Quer über den Ozean

Der Grund für die Anwesenheit der kleinen Japaner ist das erste internationale Cosmo-Treffen. Eigens für diesen Zweck trat eine Gruppe von besagten 14 Autos die weite Reise von Japan nach Europa im Bauch eines Mazda-Transportschiffs an. Für die Besitzer der Fahrzeuge kein einfacher Schritt, schließlich mussten sie ihr Schätzchen für Wochen weggeben. In Deutschland angekommen, wurde aus Versicherungsgründen erstmal ein hiesiges Kurzzeitkennzeichen über die japanischen Nummernschilder montiert. Während des fünftägigen Treffens stand für die Cosmo-Freunde ein dichtes Programm an, unter anderem ein Besuch beim Zweiginstitut Felix Wankels im schweizerischen Rorschach und natürlich ein Trip zu Schloss Neuschwanstein.

Wankel-Wallfahrt: Mazda-Cosmo-Treffen in Deutschland

Der Sound der kreisenden Kolben

An diesem Morgen biegen die ersten Shuttlebusse auf den Parkplatz und bringen die Cosmo-Eigner. Fast alle sind mit ihren Ehepartnern gekommen. Interessanterweise ist der Altersdurchschnitt gut gemischt. Sofort wird poliert und gewienert was das Zeug hält, sogar der Motorraum. Eine gute Gelegenheit, um einen Blick auf das Teil zu werfen, was einst NSU in Rage brachte. Der Zweischeiben-Wankel ist mit einem Vierfach-Vergaser von Hitachi und Doppelzündung für jeden Läufer (das Pendant zum normalen Kolben) ausgerüstet. Trotzdem nimmt das Aggregat nur wenig Platz unter der Haube ein und verliert sich fast im Motorraum. Umso erstaunlicher sind die Leistungsdaten: 110 PS bei 7000 Umdrehungen und eine Spitze von 185 km/h. Einige der Cosmo-Piloten lassen ihre Maschinen an: Das typische Wankel-Sirren vermisst man, es tritt zugunsten eines heiseren Brabbelns in den Hintergrund.

Pionier mit zwei Scheiben

Genau jener Motorsound sorgte anno 1967 für Zoff zwischen Mazda und NSU. Die Wankel-Pioniere aus Neckarsulm wollten mit dem Ro 80 auf der IAA glänzen, dem ersten Serienauto mit Zweischeiben-Kreiskolbenmotor unter der Haube. Und dann das: Ein halbes Jahr vorher zeigt Mazda den Cosmo Sport – ebenfalls mit zwei rotierenden Scheiben! Dabei forschten die Japaner zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechs Jahre an dem vermeintlichen Aggregat der Zukunft. Zwar wird der Ro 80 trotzdem zum Star der IAA 1967 (von der man Mazda fernhält), doch man war nur die Nummer zwei. Gut 42 Jahre später ist NSU längst Geschichte, einzig in Mazda hält dem Antriebsprinzip die Treue. Vielleicht erlebt der Wankelmotor ja als Antrtieb für Range Extender [1] von Elektroautos eine Renaissance.

Unscheinbares Wankel-Eldorado

Auf geht es zum zweiten Tagesordnungspunkt, wir besuchen die Oldtimersammlung von Walter Frey. Den Cosmo-Modellen fährt ein nagelneuer Facelift-RX-8 zur Orientierung voran, denn das Ziel befindet sich im kleinen Dorf Heretsried, rund 20 Minuten von Gersthofen entfernt. Hier haben Frey und seinen Söhne nicht nur etwa fünf oder sechs alte Autos zusammengetragen: Beim Betreten der Halle steht dem Besucher der Mund offen. Hier gibt es so gut wie alles, was jemals mit Wankelmotor angetrieben wurde. Sei es ein Wasserski-Schleppgerät, diverse Motorräder oder sogar ein Flugzeug, bei Frey bleibt kein Wunsch offen.

Wankel-Wallfahrt: Mazda-Cosmo-Treffen in Deutschland

Mehrere "Blaue Mauritius" auf Rädern

Den Kern der Sammlung bilden allerdings die rund 160 (!) Autos, welche sich in zwei Hallen auf zwei Ebenen verteilen. Wir entdecken auch Oldies mit Kolbenmotor wie einen Messerschmitt Kabinenroller oder diverse Alt-Opel. Doch die Highlights sind knapp 45 Fahrzeuge mit Wankelmotor mit Schwerpunkt Mazda. Darunter sind Pretiosen wie der ultrarare Roadpacer und zwei Wankel-Pickups. Zu den weiteren Knüllern zählt ein Lada der russischen Autobahnpolizei mit kreisenden Kolben.

Es wankelt weiter

Leicht benommen von der puren Masse an seltenen Autos begeben wir uns nach draußen. Im Gedächtnis rufen wir ab, welche Wankel-Autos noch fehlen könnten und vermissen zwei Modelle: die berühmte Mercedes-Studie C 111 und der Mazda-Wankel-Bus mit 26 Plätzen. Ziele bleiben also auch dem leidenschaftlichsten Sammler noch. Derweil sehen wir die Facelift-Version des RX-8 bei strahlendem Sonnenschein auf den Parkplatz fahren. Vermutlich schaut Felix Wankel, der selbsternannte "Langstreckendenker", gerade stolz aus dem Erfinderhimmel auf seine Verehrer in Gersthofen herab.


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