Angst vor dem falschen Gift?

Glyphosat ist so umstritten wie eh und je. Aber sowohl Gegner als auch Befürworter können ihre Position durch entsprechende Studien untermauern. Jetzt hat sich Kalifornien jedoch entschieden, das Herbizid zu brandmarken.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Wenn sich die Fachleute schon nicht einig sind, wird es für Außenstehende erst recht schwer, sich eine Meinung zu bilden. Was ist denn nun mit dem Glyphosat? Am 19. Juli werden die EU-Mitgliedsstaaten erneut im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Nahrungs- und Futtermittel in die Debatte über die Verlängerung der Zulassung für das Herbizid einsteigen. Denn vorigen Sommer hatte man sich vorgenommen, bis Ende 2017 eine Entscheidung zu fällen.

Doch das scheint auch in diesem Jahr nicht einfach zu sein. Nicht einmal die deutsche Regierung kann sich auf eine einheitliche Position einigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa verkündete laut der Neuen Osnabrücker Zeitung Ende Juni auf dem Deutschen Bauerntag, sich für die weitere Zulassung von Glyphosat einzusetzen. Das Bundesumweltministerium unter Ministerin Barbara Hendricks (SPD) hingegen bleibt bei seiner kritischen Haltung gegenüber einer Neuzulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs, wie auf der Webseite von top agrar nachzulesen ist. Bisher sorgte die Uneinigkeit der Großen Koalition dafür, dass Deutschland auf EU-Ebene nicht mit abstimmte, sondern sich enthielt.

Nun ist zwar ein Jahr seit der Vertagung vergangen. Aber an der Informationslage scheint sich kaum etwas geändert zu haben. So haben Behörden wie die Europäische Chemikalienagentur (Echa) dem Deutschlandfunk zufolge den Wirkstoff längst als ungefährlich eingestuft. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist schon früher explizit zu dem Schluss gekommen, dass die vorliegenden Daten keinen Hinweis darauf geben, dass Glyphosat krebserregend ist. Ebensowenig scheint es laut BfR Anzeichen dafür zu geben, dass sich der Stoff schädlich auf Fruchtbarkeit, Reproduktion und Embryonalentwicklung – allerdings bei Labortieren – auswirkt.

In Übersee dagegen hat sich der US-Bundesstaat Kalifornien jetzt laut der Webseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entschlossen, das Herbizid am 7. Juli auf seine Liste jener Chemikalien zu setzen, die Krebs erregen können. Das hat zur Folge, dass innerhalb des kommenden Jahres alle glyphosathaltigen Produkte in Kalifornien mit dem Etikett "krebserregend" ausgezeichnet werden müssen. Die kalifornische Umweltbehörde stützt sich bei ihrer Entscheidung auf andere Forschungsergebnisse als die Europäer. Denn als "möglicherweise krebserregend" hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO (IARC) Glyphosat eingestuft.

Den Europäern wird der Vorstoß der Amerikaner kaum weiterhelfen. EU-Verbraucherkommissar Vytenis Andriukaitis schlägt indes eine Verlängerung der Zulassung um weitere zehn anstelle der 15 grundsätzlich möglichen Jahre vor. Ein Kompromiss? Vielleicht kein allzu großes Opfer, wenn man an Katja Scherers Analyse in Technology Review von 2016 zurückdenkt. Sie zitierte Lothar Willmitzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie, der warnte, "wegen der Resistenzen, die sich inzwischen bei Unkräutern gegen Glyphosat bilden, wird das Mittel in vielleicht 15 Jahren sowieso vom Markt verschwunden sein".

Vielleicht können wir den Grabenkrieg um die Gefährlichkeit von Glyphosat nur mit Mühe entscheiden. Andererseits kennen wir die Herausforderungen nicht, die künftig auf uns warten, wenn es um die Ernährung der Weltbevölkerung geht. Dicamba zum Beispiel, ein neues Unkrautmittel für Monsantos nächste Generation von Biotechnutzpflanzen, steht derzeit der New York Times zufolge unter genauer Beobachtung in Arkansas, nachdem die dortige Landwirtschaftsbehörde ein Verbot anregte. Wer ahnt also, was uns nach Glyphoat noch so alles blüht. (inwu)