Critical Chain Management: ein Weg zu mehr Agilität in Projekten?

Für das Projektmanagement allgemein wurde die Theory of Constraints von Eliyahu Goldratt bereits adaptiert. Aber paßt das zu agilen Projekten?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Oestereich

Nachdem Ende der 90er Jahre Lean Management, Just-in-Time, Toyota Produktionssystems & Co aktuelle Managementhypes waren, wurde vor ein paar Jahren Eliyahu Goldratt mit der Theory of Constraints und dem Critical-Chain-Management populär. Wer davon noch nichts gehört, dem seien als Einstiegswerke die Bücher "Die kritische Kette" und "Das Ziel" von Goldratt empfohlen. Es sind ganz leserliche und halbwegs spannende Romane. Wer also Tom DeMarcos "Der Termin" mochte, der findet die Goldratt-Romane wahrscheinlich auch ganz passabel.

Während der Roman "Das Ziel" das Managementkonzept anhand eines Produktionsbetriebes beschreibt, geht "Die Kritische Kette" speziell auf Projektmanagement ein. Das Critical-Chain-Projektmanagement (CCPM) finde ich durch seinen naheliegenden Bezug zum Lean-Management einerseits interessant, da auch agile Projektmanagementverfahren für die Softwareentwicklung sich vielfach darauf beziehen. Andererseits schreckt mich der Ansatz auch ab, denn die kritische Kette ist eine Weiterentwicklung der Netzplantechnik und des kritischen Pfades – ein Ansatz aus dem traditionellen Projektmanagement. Mir schweben sofort Gantt-Diagramme vor meinem inneren Auge. Um den kritischen Pfad bestimmen zu können, muss ich alle Einzelaktivitäten und ihre Abhängigkeiten untereinander kennen. Agile Projekte verzichten gewöhnlich darauf, da der Gesamtplan meistens nur grob vorliegt (z.B. Releaseplanung), die Details aber erst zu einem sehr späten Zeitpunkt geplant werden: iterationsweise und erst kurz vor einer Iteration. Wasserfallartige Vorgehensweisen unterstellen letztendlich die zeitlich vollumfängliche Planbarkeit der Projekte, werden diesbezüglich aber fast immer durch die sich ändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen eines besseren belehrt. Zumindest wenn die Projekte größer und komplizierter werden, also immer dann, wenn der kritische Pfad interessant sein könnte. Deswegen konnte ich mit dem Konzept des kritischen Pfades in der Praxis nie richtig warm werden. Da die kritische Kette darauf aufbaut, hatte ich auch hier sofort entsprechende Vorbehalte.

Beim kritischen Pfad geht es darum, aufgrund der Abhängigkeiten von Vorgänger- bzw. Nachfolgeraktivitäten den benötigten Zeitbedarf, also die Projektdauer zu berechnen. Dauert eine der Aktivitäten auf dem kritischen Pfad länger, verzögert sich das Gesamtprojekt.

Bei der kritischen Kette ist es ähnlich, jedoch wird auf die Ressourcen fokussiert. Was nützt es, wenn eine Aktivität zwar nicht auf dem kritischen Pfad liegt, die dafür notwendige Person aber zum benötigten Zeitpunkt überlastet (mehrfach belegt) ist, dass deswegen sich das Projekt verzögert? Deswegen wird beim CCPM nach den Ressourcenengpässen gesucht, diese werden entsprechend ihrer Abhängigkeiten zu einer kritischen Kette hintereinander gereiht, um so die minimal notwendige Projektlaufzeit zu berechnen. Dann werden durch gezielte Puffer auf Zulieferpfaden und durch Ressourcenänderungen Optimierungen vorgenommen, so dass das CCPM kürzere Projektverläufe erzielen kann.

Ungewohnt ist das CCPM-Konzept immer dort, wo lokale Ineffizienzen bewußt geplant werden. Normalerweise wird unterstellt, dass wenn jede Ressource jederzeit ausgelastet ist, die Gesamtproduktivität am höchsten ist. Beim CCPM kann es sein, dass einzelne Ressourcen zeitweise nichts zu tun haben. CCPM beweist paradoxerweise, dass es trotz dieser lokalen Ineffizienz insgesamt produktiver wird.

Wie können wir diesen Ansatz in einfacher Weise, ohne wasserfallartig alle Einzelaktivitäten zu analysieren, in agilen Projekten nutzen?

Die Romanform von Goldratts Theorien hat den Vorteil, dass ein großer Pragmatismus deutlich wird, so dass es keine große Idee ist, zu fragen, ob oder wie das Konzept der kritischen Kette im Kontext agile Projekte eingesetzt werden kann. Mein Vorschlag hierzu (ohne ihn bisher selbst in Projekten ausprobiert zu haben) ist der so genannte Staffelholzträger, aber dazu im nächsten Beitrag mehr. ()