Digitale Kernfusion

Physiker haben einen wichtigen Schritt bei der Übertragung von Quanteninformationen geschafft. Dem Quantencomputing könnte es dennoch nicht besser ergehen als der Positronik-Phantasie der Perry-Rhodan-Autoren.

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Von
  • Niels Boeing

„Vorhersagen sind immer schwierig – vor allem über die Zukunft“ lautet ein vielzitiertes Bonmot des Physikers Niels Bohr. Vor allem die Geschichte der Computertechnik ist voll davon. So konnten sich die Schöpfer der Perry-Rhodan-Serie in den Sechzigern nicht vorstellen, dass die interstellare Zukunft der Menschheit mit elektronischen Rechnern zu bewältigen wäre, und erfanden kurzerhand Positronenrechner. Über die können wir heute herzlich lachen, wenn wir die Leistungsfähigkeit der gegenwärtigen Supercomputer betrachten – erst recht angesichts der Schwierigkeit, Positronen zu speichern.

Als Richard Feynman, einer der weitsichtigsten Physiker des 20. Jahrhunderts, 1981 ein Konzept für einen Quantencomputer vorstellte, war die damalige Rechnertechnik ebenfalls noch weit von den Möglichkeiten eines Earth Simulators entfernt. 1995 stellten dann Peter Zoller und Ignacio Cirac 1995 den ersten Prototyp eines solchen Rechners mittels Ionenfalle vor.

Inzwischen arbeiten etliche Forschungsgruppen in aller Welt am Quantencomputing (die englische Wikipedia bietet eine schöne Zeitleiste hierzu an), und es ist beeindruckend, wie viele technische Details sie seither gelöst haben. In vergangenen Jahr gelang es einer Gruppe, acht Qubits, ein Qubyte, physisch zu realisieren.

Qubits sind die Grundinformationseinheit der Quantenrechner und nutzen die Tatsache, dass in physikalischen Quantensystemen verschiedene Zustände parallel existieren können, wenn auch mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten. Während ein klassischer 2-Bit-Speicher zu einem bestimmten Zeitpunkt nur eine der Zahlen 1 bis 4 darstellen kann, kann ein 2-Qubit-System alle vier auf einmal repräsentieren und verarbeiten. In acht miteinander verschränkten Qubits überlagern sich 256 verschiedene Zahlen.

In der aktuellen Nature-Ausgabe berichten Physiker von der Universität Kopenhagen von einem weiteren Fortschritt: Ihnen gelang es, quantenmechanische Zustände von Cäsium-Atomen über mit ihnen verschränkte Lichtteilchen auf andere Cäsium-Atome zu übertragen. Das ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass Qubit-Systeme – wir könnten auch Quantenprozessoren sagen – nicht nur Inseln bleiben, sondern mit anderen funktionalen Teilen eines hypothetischen Quantencomputers überhaupt Informationen austauschen können. Dieser Vorgang der Teleportation wird leider in vielen Medien immer wieder fälschlicherweise mit dem Beamen von Star Trek gleichgesetzt.

Doch selbst wenn die Gruppe um Eugene Polzik damit einen Meilenstein in der Geschichte des Quantencomputings erreicht haben sollte (und die Störanfälligkeit von Quantensystemen beherrscht werden könnte): Es wird heutige Rechner genauso wenig ersetzen wie Perry Rhodans lustige Positronik. Denn Quantencomputer eignen sich nur für ausgewählte Rechnungen, die massive Parallelität erforden, etwa das Zerlegen einer Zahl in Primzahlfaktoren, vielleicht auch superschnelle Suchprozesse.

Das Problem hat der österreiche Quanteninformatik-Experte Anton Zeilinger einmal so beschrieben: „Man muss allen Qubits beim Auslesen der Information eine gemeinsame Frage stellen.“ Die geben dann zwar auch eine Antwort. Aber danach schweigen sie dann – die in den parallelen Zuständen gespeicherte Restinformation ist verloren, weil das Qubitsystem beim Auslesen, sprich: Messen, auf den Lösungszustand reduziert wird. Das ist eine elementare Tatsache der Quantenmechanik.

Es ist nicht einmal klar, ob aufwändige Simulationsrechnungen für die Faltung von Proteinen, für die man die gegenwärtigen Superrechner braucht, überhaupt in einen Quantenalgorithmus umsetzbar sind. So erinnert das Quantencomputing ein wenig an die Kernfusion: ein tolles Konzept, das theoretisch existierende vergleichbare Technologien in den Schatten stellt. Nur kann man es nicht in eine alltagstaugliche Technologie umsetzen.

Und so wie die Kernfusion durch eine intelligentere Nutzung heutiger Energietechnik eines Tages überflüssig werden könnte, könnte auch das Quantencomputing als eine Lösung in die Geschichte eingehen, über die die Zeit hinweg gegangen ist – weil aus konventioneller Hard- und Software noch so viel herausgeholt werden konnte, dass wir in Jahrzehnten über die mangelnde Phantasie der heutigen IT-Gemeinde lachen. (wst)