Ice Bucket Challenge: Pfiffig oder nerviger Druck?

Der Erfolg des Video-Spendenaufrufs ist unumstritten. Die Bedingung, die er stellte, nicht so ganz. Ich würde mich über den Erfolg freuen und das Ganze weniger aufgeregt sehen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der Erfolg des Video-Spendenaufrufs ist unumstritten. Die Bedingung, die er stellte, nicht so ganz. Ich würde mich über den Erfolg freuen und das Ganze weniger aufgeregt sehen.

Mit der viralen Verbreitung der „Ice Bucket Challenge“ werden sich wohl nur wenige andere messen können. Doch trotz ihres Erfolgs, oder gerade deshalb, hat die Video-Aktion im Dienste der Spendensammlung für die furchtbare Krankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) die Netzgemeinde gespalten. Die einen fanden die Idee ungemein gelungen und kippten sich gerne öffentlich einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf – für die ALS-Forschung gespendet haben die meisten von ihnen vermutlich auch.

Die anderen fanden das Ganze aus verschiedenen Gründen nervig. Entweder weil sie das Gefühl hatten, der – durch die Videos noch viel stärkere – soziale Druck lässt ein Ablehnen gar nicht zu. Oder sie fühlten sich genötigt, ihre Ablehnung – fürs Baden, nicht das Spenden – öffentlich zu begründen. Vielen war auch der Klamauk-Faktor zu stark.Sie beklagten, dass es nur noch am Rande um die Krankheit ging, bei der die für die Muskelbewegung zuständigen Nerven unwiederbringlich geschädigt werden. Und jetzt fragt sich so mancher, ob das um Gottes Willen die Zukunft des Spendenaufrufs sei, dem man sich aber einem gewissen Bekanntheitsgrad nicht mehr entziehen kann? Tatsächlich schwang da im besten Fall übermäßige Neugier mit, wer sich das alles antut, und im schlimmsten Fall purer Voyeurismus.

Trotzdem fand ich es eine ziemlich gelungene Idee. Mal ehrlich – wer folgt Spendenaufrufen im Fernsehen oder auf Plakaten, wenn man es nicht schon zur Routine gemacht hat? Es war etwas Neues und es hat funktioniert. Das Spendenaufkommen hat sich bei manchen Organisation verdoppelt. Großartig! Mich hat die Aktion auch aus der Spende-Abgestumpftheit geholt. Ich glaube auch, viele wissen jetzt durchaus mehr über die Krankheit als vorher. Denn es gab eben Videos, in denen die Herausgeforderten das Leiden zum Thema machten und erklärten, dass es noch kein Heilmittel gibt.

Nicht alle gaben die Herausforderung weiter, sondern betonten nach der Dusche lieber: Spenden ist wichtig. Andere machten die Eisdusche gar nicht mit, und verbreiteten einfach den Spendenaufruf per Videobotschaft – für Forschung über ALS oder eine andere schlimme Krankheit. Das macht die Aktion zum Erfolg. Man ist auch kein schlechter Mensch, wenn man gar nicht spendet. Aber es ist ein gutes Gefühl, wenn man es tut.

Warum wurde ausgerechnet ALS hervorgehoben? Offenbar warben die ersten Icebucket-Spende-Aufrufe noch für die Krebsforschung – bis prominente Erkrankte die Idee entdeckten. Schwer zu sagen, warum das mehr verfing. Aber es spielt keine Rolle: Natürlich kann man auch für etwas völlig anderes spenden. Hauptsache, man tut etwas.Wem die Dusch-Aktion zu affig war: Klar musste man die nicht mitmachen, um nicht unten durch zu sein. Ein fröhlicher Post oder gar ein Video, man habe gespendet und dass es hoffentlich auch andere tun werden, reicht doch völlig. Und wenn man nur 10 Euro spendet. Oder man reicht einfach den Spendenaufruf weiter, ohne Angabe, ob man selbst gespendet hat. Am nächsten Tag fragt doch niemand mehr, ob man sich nun Wasser über den Kopf gekippt hat oder nicht. Ich habe ehrlich gesagt sehr schnell den Überblick verloren, wer mitgemacht hat und wer nicht.

Ich glaube auch nicht, dass wir uns künftig vor lauter Challenges nicht werden retten können (außer die Fernsehsender entdecken das für sich und starten Spenden-Spielshows). Aber ich glaube nicht, dass sich ein ähnlicher Erfolg wiederholen kann. Noch einmal werden das dieselben Leute nicht für die Krebs- oder Parkinson-Forschung mitmachen. Bis die nächste neuartige Idee kommt, die genug aufrüttelt. (vsz)