Kant @ Softwarearchitektur

Wie jüngste Skandale beweisen, muss sich auch die Softwareentwicklung an ethischen Grundsätzen messen lassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Dr. Michael Stal

Wie jüngste Skandale beweisen, muss sich auch die Softwareentwicklung an ethischen Grundsätzen messen lassen.

Mein absoluter IT-Lieblingssatz lautet unangefochten "Ich habe nichts zu verbergen". Damit versüßen sich IT-Nomaden die tagtägliche Konfrontation mit Tretminen à la Adware oder Spyware. Andere machen sich hingegen sofort verdächtig, sobald sie ihre Privatsphäre schützen wollen. "Der hat sicher was zu verbergen", scheinen misstrauische Zeitgenossen zu vermuten. Dabei sollte Datenschutz und nicht Datenfreizügigkeit den Normalfall darstellen.

Was eigentlich denken sich die Softwareexperten von Autoherstellern, wenn sie durch ihre Software illegale Praktiken unterstützen? Befehl ist Befehl? Ein verzeihliches Kavaliersdelikt? Das Argument, sie hätten davon nichts gewusst, lasse ich an dieser Stelle nicht gelten.

Mal angenommen, das Blutdruckmessgerät oder die Personenwaage runden Messwerte großzügig nach unten, während das Bestrahlungsgerät stets eine kräftige Dosis dazupackt. Das könnte in Bezug auf funktionale Sicherheit schwerwiegende Konsequenzen haben. Oder nehmen wir den Fall, dass mehrere Unternehmen oder Behörden personenbezogene Daten kombinieren, um exakte Personenprofile zu erstellen. Dagegen würden die Schufa und teilweise selbst die NSA wie Unschuldslämmer anmuten.

Nicht nur für Informatiker sollten daher ethische Normen eine wichtige Rolle einnehmen. Wer durch sein Tun unethische Praktiken unterstützt, kann seine Hände hinterher nicht in Unschuld waschen. Was aber, wenn das eigene Management ein bisschen Illegalität für zumutbar und unproblematisch hält? Was, wenn der eigene Job davon abhängt, unmoralisch zu handeln? Meiner Meinung nach sollten Legitimität und Legalität immer eine höhere Priorität besitzen als Loyalität. Auch in der IT gilt schließlich der Kant'sche Imperativ als Maßstab des eigenen Handelns. Also lieber das weiße Schaf unter schwarzen Schafen sein als das schwarze Schaf unter weißen Schafen. Compliance beispielsweise erfüllt nicht nur einen gesellschaftlichen Zweck, sondern auch einen Selbstzweck. Das können Unternehmen bestätigen, die durch Compliance-Verletzungen zu Negativschlagzeilen kamen.

Für Softwarearchitekten muss die Handlungsmaxime stets von ethischen Werten bestimmt sein. Böswilliges Hacken, Spam, DDoS-Attacken, Diebstahl geistigen Eigentums, Bot-Netze oder die Zweckentfremdung personenbezogener Daten, Phishing und andere Manipulationen sind kriminelle Handlungen, derer sich auch mafiöse Strukturen schamlos bedienen. Technologie und Methodik sind eben nicht alles, was Softwarearchitekten interessieren sollte. Die Brecht'sche Gesellschaftskritik, "erst kommt das Fressen, dann die Moral" macht auch vor dem Software Engineering nicht Halt. ()