Prozessorgeflüster

IBM baut Deutschlands schnellsten Supercomputer – nein, nicht mit Power7, sondern mit Intels Sandy Bridge-EP. Die Desktop- und Mobilversionen dieser neuen Prozessor-generation werden derzeit schon „in Massen“ ausgeliefert und dürften Anfang des neuen Jahres offiziell erscheinen.

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Von
  • Andreas Stiller

Mit einem ziemlich abenteuerlichen Vergleich versucht die Presseabteilung des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) in München-Garching die gigantische Rechenleistung von 3 Petaflops des jetzt bei IBM für 83 Millionen Euro in Auftrag gegebenen „SuperMUC“ zu verdeutlichen: „Würde man in diesem Tempo mit einem Hammer Nägel in einem Abstand von einem Millimeter in die Erde schlagen, so würde man damit den Äquator 75 000 Mal in einer einzigen Sekunde umrunden.“ – Okay, also Nops (Nageloperationen pro Sekunde) statt Flops. Vergessen haben die LRZler dabei nur, dass bei dieser Performance selbst mit kleinen 30-mm-Nägeln pro Nagelsekunde rund die zehnfache Weltjahresproduktion an Roheisen wieder in die Erde versenkt würde. Es ist eben schwierig, sich und anderen solche gigantischen Zahlen vorstellbar zu machen. Mit seiner theoretischen Maximalleistung wäre der SuperMUC jedenfalls derzeit der schnellste Allzwecksupercomputer der Welt, doch bis zu seiner Fertigstellung wird noch etwas mehr als ein Jahr ins Land gehen – und dann dürfte die Sache wieder anders aussehen.

Mit Sandy-Bridge-Xeons und Hochtemperaturkühlung sollen die iDataPlex-Systeme von IBM neue Effizienzmaßstäbe setzen – hier der Discover der NASA.

(Bild: NASA)

Aus den noch spärlichen Angaben zum bestellten Rechner kann man schließen, dass er mit den dann aktuellen Achtkern-Xeons Sandy Bridge-EP bestückt sein wird. Vermutlich dürfte allein der Compute-Teil 84 IBM-iDataPlex-Racks erfordern, ein jedes mit 84 Knoten und jeder Knoten bestückt mit zwei Achtkernprozessoren – dann kommt man auf 14 112 Xeon-Prozessoren mit 112 896 Kernen, die bei 3,3 GHz dank AVX die proklamierte Rechenleistung erbringen. Für die neuen Racks – außer den Compute-Nodes noch weitere für 10 PByte Storage – baut das Rechenzentrum einen zweiten Kubus an den schon vorhandenen an. Im alten Würfel ackern seit einigen Jahren rund 150 SGI-Altix-4700-Racks mit Montecito-Itaniums, die gerade mal auf 62 Teraflops kommen. Und während deren 3 MW Energieaufnahme (inklusive Kühlung) einfach so verpuffen, soll der SuperMUC als erster Rechner dieser Größenordnung mit Hochtemperaturkühlung und Wärmekopplung arbeiten, um das LRZ und weitere Institute zu beheizen.

IBM erprobt diese Hochtemperaturkühlung bereits beim kleineren Blade-Cluster Aquasar an der ETH Zürich. Mit 45 °C Vorlauftemperatur strömt das Wasser ein und wird von den Computerknoten auf bis zu 60 °C erhitzt. Dabei liegt die Wärmeleitfähigkeit von Wasser um etwa 10 Prozent höher als bei 15 °C. Wie heiß der Betriebsraum wird, hat IBM noch nicht verraten – die Operatoren sollten wohl vorsichtshalber Badehosen bereitlegen. Laut IBM ist die Hochtemperaturkühlung insgesamt um 40 Prozent effizienter als die übliche Luftkühlung. Man muss eben nur sicherstellen, dass die Chips innen nicht heißer als 85 °C werden.

Dem aktuellen GPU-Beschleuniger-Hype wollen sich die Münchner rund um Professor Arndt Bode indes nicht anschließen und verzichten auf die speziell für iDataPlex-Systeme angebotenen Nvidia-M2050-Tesla-Karten – vielleicht vertragen die da ja keine Hochtemperaturkühlung.

Während man auf die Sandy-Bridge-EP-Xeons – die übrigens passend zum Erscheinungsjahr in LGA2011-Gehäusen kommen – noch bis zum dritten oder vierten Quartal 2011 wird warten müssen, sei die Auslieferung der Desktop- und Mobil-Versionen im vollen Gange, berichtete Intel-Chef Otellini auf Barclays Capital Global Technology Conference, wo er 2010 als das beste Intel-Jahr „ever“ mit 2 Dollar Gewinn pro Aktie feierte. Der Stapellauf der neuen Prozessoren wird wohl auf der CES Anfang Januar stattfinden, zumindest für die Core-i7- und -i5-Klasse. Das wird auch Zeit, denn der Sandy-Bridge-Nachfolger Ivy Bridge, hergestellt in 22-nm-Technik – so berichtete Otellini stolz –, scharrt bereits mit seinen Pads; erste Prototypen wären „up and running“.

Sandy Bridge soll mit der schnellsten Volumensteigerung in der Intel-Geschichte die Märkte aufrollen, dank seiner integrierten Grafik – die jetzt bei Intel offiziell Prozessorgrafik heißt – zunächst vor allem bei Notebooks und Büro-PCs. Dazu müssen aber viele Firmen erst noch auf Windows 7 SP1 aufrüsten, jedenfalls, wenn sie auf das schöne Goodie AVX Wert legen; wer bei XP oder Vista bleibt, schaut diesbezüglich in die Röhre. Doch das Service Pack 1 ist derzeit noch ein Release Candidate und soll erst 2011 kommen. Bei Linux ist man da schon weiter, der Kernel kennt AVX seit Version 2.6.30.

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Auch das noch: Copper Peak

Mächtig stolz war Intel bei bisherigen Vorführungen der kommenden PC-Schnittstelle namens „Light Peak“ darauf, dass die bezahlbare Jedermann-Technik 10 GBit/s via Lichtleiter überträgt. Angeblich will Apple 2011 Light Peak in Notebooks einbauen. Laut einer Patentskizze könnte ein MagSafe-Ladestecker mit zusätzlichen optischen Fasern Dockingstationen anbinden.

Doch nun wird gemunkelt, die erste Light-Peak-Generation bleibe dunkel, weil statt optischer Fasern schnöder Kupferdraht zum Einsatz kommt – Copper Peak, quasi. Intel wollte die Gerüchte nicht kommentieren und auch nicht den Patent-Zank zwischen den Streithähnen Avago Technologies und IPtronics; ausgerechnet diese beiden Firmen sind nämlich Intels Partner bei Light Peak.

Die GPUs in Intels kommenden Desktop-Prozessoren dürften kaum den Markt der schnellen DirectX-11-Grafikkarten von Nvidia und AMD bedrohen, zumal nur die teuersten, übertaktbaren „K“-Versionen von Sandy Bridge mit 12 Shader-Einheiten gesegnet sein werden. Der gesamte Rest muss sich mit gerade mal sechs bescheiden. Die Mobilprozessor-GPUs sind potenter und haben stets 12 Kerne – genug für Apple, wie inoffiziell durchdrang: In vielen MacBooks soll Intel-Grafik künftig Nvidia-Chips ersetzen.

Auf der erwähnten Barclays-Veranstaltung kündigte Otellini auch einen Feldzug bei den Tablet-PCs an, wo Intel 2011 mit Windows 7, Android und MeeGo Boden gewinnen will. Nur bei den Smartphones hielt er sich bedeckt, nachdem man im letzten Jahr Schiffbruch erlitten hat: Partner LG ging von Bord. Mit dem Moorestown (Atom Z600/Lincroft) kann man auf diesem Terrain gegen ARM kein Land gewinnen, das soll der Nachfolger Medfield richten: ein 32-nm-SoC mit neuer Kernarchitektur namens Saltwell. Produkte von drei noch unbenannten Partnern kündigte Otellini für die zweite Jahreshälfte 2011 an. Aber er richtet sich hier auf einen langen Marsch ein: „Wir sehen das eher als einen Marathonlauf als einen Sprint“. (as)