Prozessorgeflüster

Smartphones und Tablets sind begehrt – zum Leidwesen der PC- und x86-Prozessorhersteller. Auch Marktforscher tun sich schwer mit Tablets: Sind das nun Mobilrechner oder nicht?

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Wird 2011 das Jahr der ARM-CPU? Sicherlich ist anzunehmen, dass die Zahl der mobilen Gadgets – Smartphones, Tablets, vielleicht auch Netbooks – mit sparsamen und billigen Systems-on-Chip (SoCs) weiter explodiert. Zwar will sich Intel mit Atom-SoCs 2011 endlich wirklich ein Stück vom Kuchen absäbeln, doch noch besitzt ARM quasi die ganze Konditorei, abgesehen von ein paar MIPS-Krümeln. Das Geschäft wandelt sich aber dramatisch: Bisher stecken die meisten ARM-Kerne als namenlose Rechensklaven in irgendwelchen Controller-Chips, doch bei Smartphones und Tablets erhalten CPU und zunehmend auch GPU wesentliche Rollen. Indem diese Geräte mit Apps und Spielen näher an die klassischen (Mobil-)PCs heranrücken, gerät auch ihre Performance ins Blickfeld. Hier steht der Einmarsch der Dual-Cores an – die ersten Geräte mit Nvidia Tegra 2 sind schon auf dem Markt, vermutlich kommt auch das iPad 2 mit ARM-Tandem. Samsung hat seinen Doppelherz-Orion ebenfalls schon fast fertig. Nun müssen App-Entwickler lernen, wie Multi-Threading funktioniert – hoffentlich schneller als Windows-Programmierer. Googles Android 2.3 beispielsweise kommt mit dem Dateisystem Ext4, weil das bisher häufig verwendete Yaffs ein Multi-Threading-Problem hat.

Im dritten Quartal 2010 sieht DisplaySearch Apple mit 6,3 Millionen Mobilrechnern als drittgrößten Lieferanten – wenn man MacBooks und Tablets zusammenzählt.

Apples iPad und Samsungs Galaxy Tab dürften 2010 über 13 Millionen Mal verkauft worden sein – und überrennen altgewohnte Grenzen: Die Marktforscher von DisplaySearch sehen Apple schon als drittgrößten Mobilcomputerhersteller hinter HP und Acer, weil sie iPads mitzählen. Etablierte Computermarktbeobachter wie Gartner sortieren hingegen anders: Für sie braucht ein PC ein vollwertiges Betriebssystem, alles andere sind „Media Tablets“. Ob sich Gartner da nicht irrt? Nach diesem Schema fallen jedenfalls Windows-7-Tablets mit Atom in ein anderes Kästchen als iOS- und Android-Tablets. Die alten Analysten-Recken pflegen aber auch bei Servern überkommen wirkende Kategorisierungen nach RISC-, Unix- und x86-Systemen, obwohl etwa in den BS2000-Rechnern von Fujitsu längst Xeons stecken oder IBM auf Mainframe-Partitionen auch Linux laufen lässt. Unterschiedliche Tablet-Zählweisen der Marktforscher dürften jedenfalls künftig Verwirrung stiften.

An die neue ARM-Welt müssen sich die Geräte- und Komponentenhersteller ebenfalls erst gewöhnen. Bei Apple wachsen zwar Umsatz und Gewinn, aber die Marge schrumpft – wenngleich auf Werte, bei denen andere Branchen vor Glück weinen würden. Speicherchip-Firmen müssen anders planen: Selbst im Vergleich zu Netbooks besitzen Tablets wenig RAM und stattdessen viel NAND-Flash-Speicher. Dieses Geschäft ist aber noch schwerer einzuschätzen als der bekanntermaßen zyklische DRAM-Markt. Trotz rasant wachsender Flash-Nachfrage wollen die Fertigungspartner Intel und Micron deshalb ihre Fab in Singapur erst im zweiten Quartal 2011 in Betrieb nehmen. Die Flash-Marktführer Samsung und Toshiba fahren dann ebenfalls neue Werke hoch. Solche Nachrichten beruhigen den Markt, wo die Flash-Preise kürzlich nach oben zuckten: Bei der größten Toshiba-Fab hatte es einen Stromausfall gegeben, während der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea für Unsicherheit sorgt – alleine Samsung produziert fast 40 Prozent aller Flashes.

Falls die Gartner-Prognose stimmt, dass im abgelaufenen Jahr rund 352 Millionen PCs Käufer fanden, dann dürften darunter 200 bis 220 Millionen Mobilgeräte sein. Davon wiederum konnten die Tablets von Apple und Samsung 5 bis 8 Prozent im Handstreich erobern. Auch wenn sich Intel-Chef Otellini siegessicher gibt: Allmählich festigt sich der Eindruck, dass der Atom weniger dem Angriff auf ARM-Bastionen dient, sondern eher als letzte Verteidigungslinie gegen eine übermächtige SoC-ARMee, die sicher geglaubte Pfründe plündert. Die von Intel ins Feld geführten Argumente pro x86 wanken – und wehe, wenn sie fallen: Erobert ARM dann auch Desktop-Rechner und Server?

Spannend wird jedenfalls, wie erfolgreich Apple das App-Konzept auf iMacs und MacBooks mit Mac OS X 10.7/Lion übertragen wird. Die prominenten Betriebssysteme für ARM-Tablets und -Smartphones erlauben ja nur leichtgewichtige Apps, deren Entwickler bloß einen beschränkten Funktionsumfang nutzen dürfen. Anschließend wird jede App auch noch von Dritten geprüft. Seinen überwältigenden Erfolg erzielte der x86-PC bisher im Gegenteil mit seiner Offenheit und den zahllosen unterschiedlichen Möglichkeiten, ein Ziel zu erreichen.

Wie stark die neuartigen Geräte im PC-Markt räubern, wissen die Auguren nicht: Während IDC meldet, der Netbook-Absatz sei in Europa wegen der Tablets um 25 Prozent eingebrochen, erwarten andere Marktforscher weiter kräftiges Netbook-Wachstum. Am schnellsten nimmt der Computer-Absatz allerdings in Entwicklungs- und Schwellenländern zu, wo das Käuferverhalten noch recht unbekannt ist.

In den Industrienationen reift derweil der zuvor wild wuchernde PC-Markt. Laut NPD Group stieg in den USA der mittlere PC-Verkaufspreis im Jahresvergleich, weil sich die wohlhabende Kundschaft zunehmend an Qualität, Design und Markennamen orientiert. Intel-CEO Otellini sekundiert, der mittlere CPU-Verkaufspreis sei gestiegen – er meint, weil die Käufer mehr Performance wünschen. Vielleicht wurden aber auch schlichtweg weniger von den billigen Atoms verkauft. Bei den Netbooks hält Otellini das Preisminimum für erreicht und einen 100-Dollar-Laptop für Unsinn: Displays, Gehäuse und andere Komponenten folgen nicht der steilen Preisverfallkurve der Halbleiter. Bei den Tablet-Preisen dürfte aber noch Luft drin sein, die unter zunehmendem Wettbewerbsdruck entweicht.

Wo Konkurrenz ist, ist auch Zank: Wieder einmal hat sich Streithansel Rambus eine ganze Reihe von Firmen vorgeknöpft, die diesmal Schutzrechte auf I/O-Verfahren verletzt haben sollen, die unter anderem für PCI Express wichtig sind. Die Patente hatte Rambus vor einigen Jahren von der Firma Velio Communications des ehemaligen MIT-Professors William (Bill) Dally erworben. Der ist heute in Stanford tätig, also quasi ein Kollege des Rambus-Gründers Mark Horowitz – wenn er nicht gerade „On Leave“ ist, also ein Freisemester einschiebt. Genau das verbringt er gerade bei der Firma Nvidia – und die gehört pikanterweise zu den von Rambus wegen der Dally-Patente Verklagten … (ciw)