Prozessorgeflüster

Neue Chefs allerorten, bei Apple, AMD und anderswo. Bosch feiert großes Jubiläum, zeitgleich mit Intel, und Intels großes Entwicklerforum IDF wirft seine Schatten voraus.

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Von
  • Andreas Stiller

Steve Jobs wollte Apple ja ohnehin nur – bei einem symbolischen Gehalt von 1 Dollar – vorübergehend leiten und aus schwierigen Zeiten führen. Okay, das war im Herbst 1997 und er benötigte sogar eine Finanzspritze von Microsoft, um Apple aus kurzfristigen Liquiditätsengpässen zu retten. Nun, nach 14 Jahren, kann man sein Unterfangen als rundum gelungen betrachten: „mission accomplished“. Sein bisheriger Stellvertreter Tim Cook übernimmt die hervorragend laufenden Amtsgeschäfte. Diskutiert wird in den USA nur, ob dessen vermutete Homosexualität der Marke Apple schaden oder vielleicht sogar nützen könnte.

AMDs neuer Chef Rory Read war 23 Jahre bei IBM und zuletzt COO bei Lenovo.

(Bild: AMD)

Während Apple mit Tim Cook einen lang gedienten Mitarbeiter und keinen Fremden irgendwoher aus der Industrie für die Führungsposition erkor, löste AMDs Findungskommission das anders und übertrug den vakanten CEO-Posten dem bisherigen Chief Operation Officer von Lenovo, Rory Read. So falsch lag Theo Valich von Brightsideofthenews.com mit seinem Orakel „einer von IBM“ vor ein paar Monaten nicht, denn Read hatte zuvor 23 Jahre bei IBM verschiedene Management-Positionen inne. Er muss nun versuchen, nach dem Vorbild von Jobs AMD aus schwieriger See in sicheres Fahrwasser zu führen.

AMDs Ableger Globalfoundries ist hingegen bei der CEO-Suche bislang noch nicht fündig geworden – die Stimmen mehren sich allerdings, den erfahrenen Interims-Chef Ajit Monacha einfach zum regulären Chef zu erklären – , aber immerhin konnte man jetzt einen Nachfolger von Elke Eckstein für das Werk in Dresden präsentieren. Der wie Read 49-jährige Rutger Wijburg kommt, wie sein Name nahelegt, aus den Niederlanden, von NXP, wo der gebürtige Inder Monacha, welch Zufall, auch lange Zeit Fertigungsleiter war.

Reads Ernennung fand nur wenige Tage vor der Global Technology Conference GTC2011 statt, auf der Globalfoundries unter anderem seine Roadmap bis hin zu 14 nm vorstellte. Ein erster Testchip, gefertigt im 20-nm-Prozess, liegt bereits vor. Für diesen Prozess sattelt Globalfoundries ebenso wie die anderen Mitglieder der Common Platform IBM, Samsung und STMicroelectronic zu der Gate-Last-Technik um, so wie sie Intel schon länger für gröbere Strukturen vorsieht. Mit Samsung will Globalfoundries in Zukunft noch enger zusammenarbeiten und eine Synchronisierung der Fabriken für den neuen Low-Power-28-nm-Prozess anstreben. Das schafft zusätzliche Sicherheiten für Kunden.

Die noch im Entwicklungsstadium befindliche EUV-Lithografie hält Globalfoundries für unverzichtbar und hat inzwischen auch entsprechende Testausrüstung in Dresden installiert. ARM-Veteran Simon Segars hatte hingegen vor wenigen Wochen auf der Hot-Chips-Konferenz infrage gestellt, ob EUV je für die Massenproduktion tauglich sein wird.

Neben Globalfoundries unterhalten in Deutschland aber auch andere Firmen Chip-Fabriken, die zumeist weniger im Rampenlicht stehen, etwa die von Bosch. In den letzten Jahren hat vor allem die Bosch-Tochter Solar Energy AG auf sich aufmerksam gemacht. Mit Aufkäufen von Ersol Solar AG und Aleo Solar AG hat sie sich zu einem der führenden deutschen Photovoltaik-Hersteller entwickelt, mit Werken in Brandenburg, Arnstadt und Erfurt. Erst im Juli wurde im thüringischen Arnstadt ein für 530 Millionen Euro errichtetes Photovoltaik-Kompetenzzentrum eingeweiht, dessen Energiebedarf natürlich von hauseigenen Modulen abgedeckt wird. Auf der Europäischen Photovoltaik-Konferenz PVSEC Anfang September in Hamburg stellte die Bosch Solar AG nun auch neue Dünnschicht-Solar-Module mit etwa 16 Prozent Wirkungsgrad vor.

Intel? Globalfoundries? – nein, das ist das Chipwerk von Bosch in Reutlingen, das als eine seiner letzten Amtshandlungen Ex-Bundespräsident Köhler im März 2010 eröffnete.

(Bild: Bosch)

In Reutlingen, wo passenderweise die allseits beliebte (parteilose) Oberbürgermeisterin auch Bosch heißt, fertigt die Robert Bosch AG in ihrer im Frühjahr 2010 eröffneten 200-mm-Fabrik überwiegend Chips für die Automobilindustrie, die sich weniger durch winzige Strukturen und hohe Performance als vielmehr durch hohe Zuverlässigkeit (Stichwort Zero Defect) auszeichnen. Im Bereich der Chipherstellung ist Bosch schon lange mit dabei und hält hier auch zahlreiche Patente, etwa für das in der Fotolithografie von vielen genutzte Deep Reactive-Ion Etching (DRIE), auch Bosch-Prozess genannt.

Und der Bosch-Konzern, der mit 47,3 Milliarden Euro Jahresumsatz 2010 ein gutes Stück vor Intel – umgerechnet circa 31 Milliarden Euro – etwa auf Apple-Umsatzniveau rangiert, feiert jetzt im Herbst gleich ein Doppeljubiläum: am 23. September den 150. Geburtstag des Gründers Robert Bosch und am 15. November den 125. Geburtstag der Firma.

Bei Intel gibt es am gleichen Tag auch ein Jubiläum zu feiern: 40 Jahre Mikroprozessor. Zwar hat Intel nicht die allgemeine Erfinderehre zugesprochen bekommen, sondern Gary Boone von Texas Instruments, aber Intel brachte mit dem 4004 den ersten kommerziellen Mikroprozessor auf den Markt. Als Geburtsstunde gilt daher die entsprechende Anzeige in der Electronic News vom 15. November 1971.

Vor der Jubiläumsparty steht aber noch das alljährliche große Entwicklertreffen IDF in San Francisco an. Hier dreht es sich aber nicht um irgendwelche Oldtimer, sondern um die nächsten Mikroprozessorgenerationen, wie Cedarview, der nächste Atom in 32 nm, und insbesondere um Ivy Bridge. Und der wird wohl doch deutlich mehr als nur eine Stukturverkleinerung des aktuellen Sandy Bridge auf 22 nm bieten. In gleich drei Tracks geht Intel auf seine Architekturneuerungen ein. Einer davon stellt den neuen High-Performance-Zufallsgenerator vor, ein weiterer kümmert sich um die Media Innovations. Das Abstract erwähnt explizit Verbesserungen beim Encoder, aber Mobile- und PC-Chef Mooly Eden hatte Anfang des Jahres auch von DirectX 11 für Ivy Bridge gesprochen, da müssen wohl auch Tessalation-Einheiten hinzukommen.

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Auch das noch

Bereits im Juli ist offenbar wieder ein iPhone-Erlkönig in einer Kneipe abhanden gekommen, diesmal in einer mexikanischen Cocktail-Bar in San Francisco. Zwei Apple-Mitarbeiter und vier Polizisten haben es geortet und auch ein Haus durchsucht, es aber nicht aufgespürt. Hätte der Apple-Mitarbeiter mit dem Verlieren nicht noch ein paar Wochen bis zum IDF warten können … aber vielleicht liegt dort ja irgendwo noch eins herum.

Microsoft und Intel werden gemeinsam über Windows 8 auf Intel-Architektur referieren und ein „Hot Topic Q/A“ zum Thema abhalten. Beide Firmen stellen zudem ihre leicht unterschiedlichen Ideen über zukünftiges paralleles Programmieren vor. Hier hatte Herb Sutter von Microsoft auf AMDs Fusion-Konferenz eine interessante C++-Erweiterung namens APP vorgestellt, Intel hat unter anderem die Erweiterung Cilk von einem MIT-Spinoff eingekauft.

Alternativ zu Windows finden fünf Tracks und Labs rund um das Thema Android statt sowie zwei zu MeeGo – Referenten von Nokia sind nun aber nicht mehr dabei … und auch unter den zahlreichen Ausstellern und Sponsoren findet man den Namen Nokia nicht. Dafür aber die beiden Gold-Sponsoren Samsung und Hynix, die über Speichertrends aus ihrer Sicht berichten dürfen, darunter LR-DIMMs für die nächste Xeon-Generation.

PCI Express 3.0 und SSDs sind ein weiteres großes Thema, insbesondere auch in ihrer Kombination. Und auch an die Overclocker hat Intel gedacht: „Overclocking Intel Processor Based Desktop and Mobile Platforms“ – so heißt ein Track. Eigentlich hätte Intel statt Overclocking zu propagieren auch mit schnelleren Versionen der aktuellen Prozessoren aufwarten können, als man wenige Tage vor dem IDF einen Riesenschwung neuer Prozessoren herausbrachte (siehe c't 20/11, S. 28). Da war zwar nach unten hin ein Celeron mit nur einem Kern dabei, aber an der Spitze hat sich nichts getan. Damit wartet Intel vermutlich ab, bis Konkurrent AMD endlich seine Bulldozer aus der Lagerhalle fahren lässt, um dann, falls überhaupt nötig, entsprechend zu kontern. (as)