Prozessorgeflüster

Kurz vor seiner groß angelegten 64-Bit-Desktop-Offensive hat sich AMD noch vergrößert und zum zweiten Mal in der Geschichte ein fremdes x86-Design zugekauft. Nein, nicht Transmeta - dieser „Effizienzführer“ hält sich weiterhin allein über Wasser und will bald schon groß auftrumpfen. Derweil hat Technologieführer Intel kleinere Probleme mit der 90-nm-Produktion und muss den einen oder anderen Einführungstermin etwas verschieben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Dass AMD jetzt die neuen Athlon-64-Logos vorstellte, überraschte kaum - ganz im Unterschied zu der Meldung, dass AMD den Geschäftsbereich „Information Appliances“ von National Semiconductor aufkauft. Monatelang hatte Natsemi nach einem Käufer für diesen Bereich rund um den Geode-Prozessor gesucht. Philips wurde als potenzieller Käufer hoch gehandelt, auch Wyse, einer der Hauptkunden für den Geode-Prozessors war im Gespräch.

AMD hatten indes nur wenige Marktbeob-achter im Kalkül, hat doch das kalifornische Prozessorhaus derzeit viel zu viel Mühe, selbst über Wasser zu bleiben. Außerdem befindet sich mit Alchemy bereits eine Firma in AMDs Portfolio, die ebenfalls leistungsfähige, stromsparende Prozessoren für eben solche Information Appliances designt. Gerade erst hat AMD einen Referenz-PDA mit dem Alchemy AU1100-Prozessor vorgestellt, der bei 266 bis 400 MHz Takt in guter Konkurrenz zu Intels XScale-Prozessor steht. Dieser PDA - nur als Referenz für Systementwickler gedacht - läuft übrigens unter der Linux-Distribution OpenPDA von Metrowerks, besitzt 64 MByte SDRAM und 32 MByte Flash-ROM, ein kleines TFT-Display mit 240 x 320 Pixel bei 16 Bit Farbtiefe und Erweiterungsschächte für CF-II- und SD/MMC-Module.

Die „Gold-Chips“ der Alchemisten haben jedoch, wie Intels XScale auch, das Problem, nicht x86-kompatibel zu sein (hier MIPS, dort ARM). Das ist mit dem auf einem alten Cyrix-Design basierenden Geode zwar anders, wiewohl - mit älteren x86-Designs kann AMD ja auch aufwarten. Die hauseigenen ELAN-Prozessoren haben in der Embedded-Welt nämlich durchaus für einigen Schwung gesorgt. Der leistungsfähigste davon, der Elan SC 520, hat neben dem 5x86-Kern mit bis zu 133 MHz nahezu alles an Board, was man so braucht: Memory- und PCI-Controller, Timer, DMA- und Interrupt-Controller, serielle und parallele Schnittstellen et cetera. Einen leistungsfähigeren Nachfolger, etwa mit dem K6-Kern, hat AMD allerdings nie auf den Weg gebracht, dazu reichten die Entwicklungskapazitäten offenbar nicht aus. Stattdessen wurde also jetzt - nach NexGen nun zum zweiten Mal - ein fremdes x86-Design samt Entwicklerschar eingekauft. Während NexGen mit 840 Millionen US-Dollar Kosten damals ein heftiger Brocken war, dürfte der Geode-Einkauf zum Supersonderpreis stattgefunden haben. National wollte das unglückselige Kapitel mit der Verlust bringenden Cyrix-Erbschaft endlich abschließen und musste nach langem Hin und Her die Reste „verramschen“.

Auch ist der Geode nicht gerade auf dem allerneusten Stand. Der GX2 arbeitet derzeit mit bis zu 366 MHz, unterstützt MMX und 3Dnow! und bietet zusätzlich einen integrierten Grafikcontroller, der mit der seinerzeit von Cyrix patentierten Kompressions-Technik auf den gemeinsamen Speicher (UMA) zugreift. Vielleicht am spannendsten dürfte für AMD der On-Chip-Bus namens GeoLink sein - eine Art integrierte „PCI-Verbindung“ der Chip-Komponenten. Hierzu stehen allerdings noch mögliche Patentquerelen mit der Firma PalmChip an.

National gibt als typische Leistungsaufnahme für den Geode weniger als 1 W an und vergleicht ihn gern mit Transmetas Crusoe-Prozessor. Doch das kleine amerikanische Design-Haus hat nun schon Prozessoren mit 1 GHz (TM5800) im Angebot und mit dem Crusoe-Nachfolger Astro bald ein ziemlich heißes Eisen im Feuer, mit über 1 GHz Takt und einem 256 Bit breiten VLSI-Kern, mit HyperTransport-Links und vielem mehr. Jetzt gab Transmeta, der „Führer im effizienten Computing“, den offiziellen Namen des Prozessors bekannt: „Efficeon“. Transmeta-Gründer und Cheftechnologe Ditzel will ihn zum Microprocessor Forum im Oktober offiziell einführen. Das wird auch Zeit, denn derzeit sind Transmetas Quartalsverluste noch weit größer als der Firmenumsatz. So bleibt zu hoffen, dass sich das mit effizienten Efficeons effektiv ändert.

Existenzsorgen plagen Marktprimus Intel nicht, wiewohl auch ihn der ein oder andere Schuh drückt, etwa beim neuen 90-nm-Prozess. So wird der Nachfolger des Pentium-M mit 2 MByte L2-Cache namens Dothan wohl erst im nächsten Jahr auf den Markt kommen. Zunächst mit 1,9 GHz, später im Jahr sollen dann 2,0-GHz-Versionen folgen. Höchstens ein paar Muster stehen noch für Ende 2003 zu erwarten. Beim Pentium-4-Nachfolger Prescott hält Intel allerdings noch daran fest, ihn im vierten Quartal mit 3,4 GHz Takt zu launchen. Er dürfte dann der erste 90-nm-Prozessor überhaupt sein, denn von dem angekündigten Toshiba TX-99 sieht und hört man im Moment nix und IBM übt erst mal mit FPGAs für Xilinx. IBM hat zurzeit offenbar andere Sorgen mit den defizitären Chipfabriken. 600 Arbeitsplätze musste Big Blue jetzt abbauen und Mitarbeiter zum Teil in unbezahlten Urlaub schicken, und dann hat der große Blackout auch noch wichtige Werke im Osten der USA getroffen. Zwar funktionierte die Notstromversorgung, dennoch gab es in Fishkill im Bundesland New York Verzögerungen von zwei Tagen. Möglicherweise war davon auch die Produktion der sehnlichst erwarteten PPC970-Prozessoren betroffen.

Apropos Blackout: Der Prescott ist trotz oder vielleicht auch wegen 90 nm ein echter Stromfresser (103 Watt gegenüber 83 Watt des P4 mit 3,2 GHz) - kein Vergleich zum Dothan mit nur 21 Watt. Fürs nächste Jahr ist zwar neben schnelleren und noch schluckfreudigeren Prescott-Prozessoren auch ein Prescott-M geplant, doch von dem kursieren inoffizielle Verbrauchswerte von 80 Watt - reichlich viel Power für einen Mobile-Prozessor. Da kommt also ganz schön viel zusätzliche Arbeit auf die amerikanischen Kraftwerke zu. (as) (as)