Prozessorgeflüster

Deutschlands Chef der Exekutive, Bundeskanzler Schröder, versprach AMDs Chief Executive Officer Ruiz beim Richtfest der neuen AMD-Fabrik mehr Chancengleichheit bei öffentlichen Ausschreibungen. Nicht rechtliche, sondern technologische Chancengleichheit zu AMDs „No Execute“ in Microsofts Service Pack 2 wollen auch Firmen wie Intel, VIA und Transmeta genießen, und neue Chancen eröffnet Intel auch den Mitarbeitern der russischen Computerfirma Elbrus.

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Von
  • Andreas Stiller

AMD soll keine Vorteile erhalten, darf aber auch nicht benachteiligt werden“, so der Bundeskanzler zum Thema öffentliche Ausschreibung für PCs anlässlich des Richtfestes der 2,4 Milliarden Dollar teuren Fabrik (Fab 36) in Dresden. Offenbar hatte ihn AMD-Chef Ruiz unmittelbar vorher auf unfaire Ausschreibungen deutscher Behörden angesprochen.

Mit 544 Millionen Euro beteiligt sich die öffentliche Hand am Bau der für 300-mm-Wafer/65-Nanometer-Technik vorgesehenen Fabrik. Dieses Geld sei eine gute Investition und keine Subvention, so Werkschef Hans Deppe mit Verweis auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung, nach der sich das Engagement für den Staat schon nach wenigen Jahren in barer Münze auszahlen soll. Insgesamt sollen für das Silicon Saxony - also vornehmlich für AMD, Dupont und Infineon - die eingesetzten 1,2 Milliarden Euro bis zum Jahre 2010 satte sechs Milliarden Euro in die Staatskasse einspielen - wahrhaft eine Super-Rendite. Ruiz betonte überdies, dass bei der Standort-Entscheidung für die Fab 36 weniger die Zuschüsse als vielmehr die hohe Qualität der Mitarbeiter und deren Arbeit im bestehenden Dresdener Werk (Fab 30) ausschlaggebend gewesen seien. Die Umstellung auf den 90-nm-Prozess in der „alten“ Fab laufe derweil auf Hochtouren; Deppe ist zuversichtlich, den Termin drittes Quartal für die ersten Prozessoren einzuhalten.

Bis dahin dürfte wohl auch Microsofts lang erwartetes Service Pack 2 draußen sein. Ein Highlight dieses SP2 macht unter dem Namen NX (No Execute), bei Microsoft DEP (Data Execution Prevention) genannt, schon im Vorfeld von sich reden. Gemeint ist ein Schutz-Feature, das AMD bei den Opteron- und Athlon64-Prozessoren implementierte, um vielen Würmern und Viren den Spaß zu verderben, jedenfalls wenn sie über Buffer-Overflows eindringen wollen. Prozessoren aus anderen Welten kennen so etwas schon lange und W^X für OpenBSD und Pax sowie Exec-shield für Linux konnten das Gleiche durch eine geschickte Aufteilung der Segmente in ausführbare und nichtausführbare schon längst realisieren; nur für das verwundbare Windows gabs diese Impfung noch nicht.

NX ist ein Flag in der Seitentabelle, mit der diese Seite als nicht ausführbar deklariert wird. Bufferoverflows führen zu einer Ausnahmebehandlung (Exception); infektiöser Code wird dann nicht ausgeführt. Dummerweise war für das Flag kein sichererer Platz mehr in den normalen Seiteneinträgen für 32-Bit-Betrieb. Und so beschränkte sich AMD auf den neuen 64-Bit-Modus und bei 32 Bit auf den nicht unproblematischen PAE-Modus, der bis dato nur teuren Enterprise- und Datacenter-Server-Versionen von Windows vorbehalten blieb. In diesen Modi sind die Seiteneinträge weit größer und bieten genügend Reserveraum für zusätzliche Flags. PAE (Physical Address Extension) war bisher aber nur nötig, wenn man mehr als 4 Gigabyte Speicher verwalten wollte. Mit SP2 wird PAE aber auch schon bei 512 MByte oder weniger eingerichtet - es sei denn, man verhindert es explizit in der Boot.ini mit /EXECUTE. PAE macht den Rechner wegen der umständlicheren Verwaltung etwas langsamer und zuweilen gibts Probleme mit PCI-Karten oder dem BIOS. Auch mit dem No-Execute-Feature sind zahlreiche Konflikte vorprogrammiert, denn viele „normale“ Programme, etwa Just-in-Time-Compiler, möchten kleine Routinen im Stack- oder Datensegment ausführen. Abhilfe schafft in solchen Fällen ein Patch mit dem Microsoft-Tool editbin oder mit dem Application Compatibility Toolkit, mit denen sich applikationsweise das No Execute abschalten läßt - nur eben mit dem Risiko einer möglichen Infektion.

Damit das werbewirksame NX-Feature nicht AMD allein überlassen bleibt, ist auch Intel auf diesen Zug aufgesprungen und kündigte es noch für dieses Jahr an. Auch VIA und Transmeta schlossen sich an. Für Transmeta dürfte das recht einfach sein, hier reicht möglicherweise neue Code-Morphing-Software aus - einmal mehr die Flexibilität dieses zum Großteil in Software realisierten Designs unter Beweis stellend. VIA wird es im Ester-Kern (C5P) aufnehmen. Dass nun die kleinen VIA- und Transmeta- Prozessoren PAE- und damit Dataserver-tauglich werden - wer hätte das gedacht? Doch ist es unwahrscheinlich, dass sie auch wirklich die Adresssignale A32...A35 hinzubekommen, um dann mehr als 4 GByte Speicher adressieren zu können. Es wird also nur mit der dicken PAE-Kanone auf den mickrigen 1-Bit-NX-Spatzen geschossen.

VIA und Transmeta überbieten sich daneben mit zum Teil recht merkwürdigen Benchmarks und dubiosen Angaben zum Leistungsverbrauch, zuweilen wird der lüfterlose Betrieb nur durch Abbremsen (Throttling) erreicht. Und nun gesellt sich auch AMD mit neuen Geode-NX-Prozessoren zu diesem Low-Power-Kreis. Der Geode-Name ist jedoch reine Mimikri, denn es handelt sich nicht um einen Nachfolger des ursprünglich von Cyrix entwickelten Kerns, sondern um einen für den Embedded-Einsatz optimierten Athlon XP. Der Geode NX 1500 (NX steht hier nicht für No Execute, sondern ist eher eine Reminiszenz an frühere NexGen-Prozessoren) soll bei 1000 MHz nur 6 Watt (typisch) verbrauchen. Doch auch diese Verbrauchsangaben sind zunächst mit Vorsicht zu genießen, nicht zuletzt, weil AMD sie mit neuen Benchmarks ermittelt hat.

Stromsparend hätte auch der ominöse E2K-Prozessor aus russischer Schmiede sein sollen, da er bei vergleichsweise niedrigem Takt mit bis zu zehn parallelen Gleitkommaoperationen pro Takt für hohe Effizienz im High-Performance-Computing hätte sorgen können - doch daraus wird nichts mehr. Die Investoren blieben aus und nun hat Intel nahezu die komplette Entwicklermannschaft der Firma Elbrus rund um den legendären Computerwissenschafler Boris Babayan übernommen. Ein 600 Köpfe starkes hochkarätiges Entwicklerteam, das außer am E2K an diverser Hard- und Software arbeitete, wechselt nun den Arbeitgeber. Intel vergrößert damit seine russische Taskforce drastisch von 400 auf 1000 Mitarbeiter und bekommt nebenbei auch diverse interessante Patente - möglicherweise werden ja Ideen des E2K in zukünftige Intel-Prozessordesigns einfließen, so wie bei dem vor drei Jahren samt Entwicklerriege eingekauften Alpha-Prozessor auch. (as) (as)