Prozessorgeflüster

AMD Istanbul, IBM Power7, Sun Rock – all das wären schöne Themen für die International Solid-State Circuits Conference (ISSCC) gewesen, doch davon war hier so gut wie nichts zu hören. Stattdessen trumpfte Intel mit 15 Vorträgen auf, verhält sich aber zum Grafikprozessor Larrabee erstaunlich still.

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Von
  • Andreas Stiller

Wenn schon nicht auf der ISSCC, so machte Larrabee indes in der Gerüchteküche kräftig von sich reden: Will doch der umtriebige amerikanische Mitarbeiter des britischen Newsdienstes Theinquirer.net, Charlie Demerjian, von Sony-Ingenieuren erfahren haben, dass die nächste Spielkonsole Playstation 4 statt mit Cell-Prozessor und Nvidia-Grafik mit Intels Larrabee bestückt werden soll. Offiziell wiegeln die angesprochenen Firmen erst einmal ab, doch wie dem auch sei: Intel braucht einen wichtigen Partner in der Spielkonsolenszene, um Larrabee mit Nachdruck gegen die etablierten 3D-Konkurrenten AMD und Nvidia in den Markt einführen zu können.

Der aktuellen Krise muss Intel hier und da zwar auch Tribut zollen, etwa Werke in Asien schließen, aber, so betonte Intel-Chef Paul Otellini vor dem „Economic Club of Washington“, man wolle ihr vor allem in den Vereinigten Staaten trotzen: Hier plant Intel die größte jemals getätigte Investition innerhalb von zwei Jahren, nämlich sieben Milliarden US-Dollar für drei Fabriken der 32-nm-Generation. Insgesamt will Intel in den USA bis Ende 2010 acht Milliarden US-Dollar investieren – nicht zufällig kündigte das Otellini just an jenem Tag an, an dem die AMD-Aktionäre über die 4,6-Milliarden-Dollar-Investition für die Fab 4X im US-Staat New York entscheiden sollten; die Abstimmung wurde aber veschoben.

Mit viel gutem Willen kann man die acht Nehalem-Cores auf diesem unscharfen Die-Plot des Nehalem-EX-Prozessors alias Beckton ausmachen. Die Chipfläche ist schätzungsweise größer als 800 mm^2.

Auch in Europa gründet Intel neue Labs und schickte den ehemaligen Chef Craig Barrett als Botschafter nach Brüssel – wohl mit dem Hintergedanken, die EU-Kommission gnädig zu stimmen, damit die mit großer Wahrscheinlichkeit drohende Strafe wegen Monopolmissbrauchs nicht zu hoch ausfällt. Mit dem vor mehreren Gerichten klagenden Konkurrenten AMD wird man sich vermutlich eh außergerichtlich einigen, denn in Bezug auf die AMD-Aufspaltung gibts noch ein paar „verhandlungsfähige“ Klauseln im Patentaustauschabkommen mit Intel, das bis 2011 unter Dach und Fach sein muss.

Während Intel-Ingenieure auf der ISSCC das Powermanagement und die dynamische Frequenzumschaltung des Tukwila-Itaniums rühmen, der auf dieser Veranstaltung im vorigen Jahr erstmals genauer spezifiziert wurde, haben Intels Manager den nun schon lange überfälligen Chip abermals verschoben, jetzt auf Mitte 2009. Dann droht aber schon der hauseigene Konkurrent, der Achtkerner Nehalem EX (Beckton). Der dürfte Tukwila locker und selbst dann an die Wand spielen, wenn dieser, wie von Intel angekündigt, mit 2 GHz Taktfrequenz tatsächlich doppelt so schnell rechnet wie der aktuelle Montecito mit 1,6 GHz. Die Tukwila-Verschiebung, so verlautete von Intel, habe aber nichts mit dem Prozessor an sich zu tun, sondern mit der Plattform: Darauf soll ein „Scalable Memory Buffer“ zwischen CPU und (DDR3-)Speicher sitzen, der noch mehr Hauptspeicher ermöglicht.

Wenn schon nicht schneller, dann eben wesentlich größer – so lautet anscheinend das Itanium-Überlebensmotto. Silicon-Valley-Insider munkeln, dass Intel die Itanium-Familie liebend gern restlos einstampfen würde – Image-Verlust hin oder her. Doch der Vertrag mit Hewlett-Packard zwinge die Kalifornier, weiterhin bei der Itanium-Stange zu bleiben. Tukwila soll der erste Prozessor mit über 2 Milliarden Transistoren sein, auf knapp über 700 mm2 Fläche. Den größten Teil belegen die Caches mit ihren insgesamt 30 MByte. Der kommende Xeon-MP Nehalem-EX ist mit 2,3 Milliarden Transistoren aber wohl noch ein wenig größer, zumal er etwas weniger Cache und mehr Kerne besitzt.

Für ihn sind neue, größere Fassungen nötig (LGA1567), um FB2-DIMMs und die zusätzlichen Quickpath-Links anschließen zu können. Neue, nicht ganz so große Sockel benötigen die anderen geplanten Nehalem-Chips auch – und hier gibt es ebenfalls Neuigkeiten: Die ursprünglich geplanten Multi-Chip-Module (MCMs) aus 45-Nanometer-Prozessorkern und Grafikchip hat Intel aus dem Programm gestrichen. Statt Havendale (Desktop) und Auburndale (Notebook) sollen nun ein Quartal später ganz ähnliche CPU/GPU-MCMs erscheinen, dann gleich mit 32-nm-Prozessor, aber 45-nm-Grafik. Die 32-nm-CPU-Kerne von Clarkdale (Desktop) und Arrandale (Mobile) gehören bereits zur Westmere-Generation und bringen AES-Funktionen mit; wie bei den ursprünglich geplanten 45-nm-Nehalems sind jeweils zwei Cores und vier Threads sowie 4 MByte L2-Cache vorhanden. Erste Westmere-Prototypen laufen bereits. Für High-End-Desktops soll als Core-i7-Nachfolger 2010 der Gulftown mit sechs Kernen und zwölf Threads kommen.

Der für den Massenmarkt gedachte Lynnfield (vier Kerne, acht Threads, zweikanaliger DDR3-Speichercontroller, kein Quickpath-Link) soll indes wie versprochen im dritten Quartal 2009 erscheinen und zwar wohl als Core i5. Vorsicht, dass nicht jemand versehentlich ein „System i5“ bestellt – so heißen nämlich die recht teuren iSeries-Server mit IBM Power6.

Vom Power7 will IBM, wie eingangs erwähnt, immer noch nichts Neues berichten. Dieser Prozessor soll 2010 den bereits 2006 bestellten Supercomputer des US-Verteidigungsministeriums befeuern. Nun haben IBM und das Department of Energy bekannt gegeben, zuvor und zusätzlich zwei weitere Supercomputer ebenfalls für die Kernwaffenforschung am Lawrence Livermore National Laboratory installieren zu wollen: Dawn vom Typ Blue Gene/P ist mit 0,5 Petaflops bereits für April vorgesehen, Sequoia mit 20 PFlops und 1,6 Millionen Kernen eines noch nicht spezifizierten Blue-Gene-Nachfolgeprozessors für 2010.

Da backt Europas Supercomputerzunft kleinere Brötchen, etwa die in Jülich – hier allerdings im Dienste der hehren Wissenschaft, zum Beispiel mit dem Projekt ITER für die Forschung an der friedlichen Kernfusion. Der bei Bull bestellte Rechner soll über 100 Teraflops erreichen und aus 20 Racks mit zusammen 540 Servern des Typs NovaScale R422 E2 bestehen, in denen 3-GHz-Nehalem-EP-Prozessoren rennen. Aber auch nach Jülich soll IBM bald ein neues Blue-Gene/P-System liefern, das immerhin 1 PFlops leistet. (as)