Prozessorgeflüster

Jede Menge neue Prozessoren, mit 4, 6, 8, 12 … Kernen: hier der Xeon Westmere-EP und da (jedenfalls nahezu) Opteron 6000 und Xeon Nehalem-EX. Und als wenn es nicht schon genug Prozessorversionen gäbe, toppt Intel das noch durch zahlreiche Variationen – aber das kann sich mitunter rächen.

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Von
  • Andreas Stiller

Hier in Hannover ist man an Eigentore gewöhnt, schaffte doch der örtliche Erstliga-Fußballverein kürzlich gar rekordverdächtige drei in einem Spiel (okay, das hat der Belgier Stan Van Den Buys beim Antwerpener Club Germinal Ekeren auch schon mal allein geschafft …). Aber auch die Prozessorhersteller üben sich verstärkt in der Disziplin, mitunter die Bälle unkontrolliert nach hinten zu schießen.

So verhaspelt sich Intel immer stärker im Differenzierungsgestrüpp mit den krampfhaften Versuchen, verschiedenen Prozessorfamilien, in denen letztlich doch das gleiche Silizium steckt, kunstvoll unterschiedliche Eigenschaften zu verleihen.

Klar: Man hat sich daran gewöhnt, dass ein Celeron geringere Taktfrequenzen erreicht, kleinere Caches besitzt und langsameren Speicher anspricht als etwa ein Core i7. Doch Intel besteht darauf, auch solche Eigenschaften zu differenzieren, von denen Durchschnittskäufer praktisch nichts mitbekommen (wollen): Hardware-Virtualisierung (fehlt vielen Atoms), SSE4.2- und AES-Befehlssatzerweiterung (fehlen Pentium G, dem neuen Celeron G) und ECC-Speicherschutz (fehlt Core i7). Diese Unterscheidung feinster Details verwirrt nicht nur PC-Besitzer, die solcherlei Extras möglicherweise doch mal nutzen wollen – und die dann manchmal sogar im Prozessor vorhanden sind, aber vom jeweiligen Mainboard-BIOS blockiert werden – sondern auch die Software-Hersteller.

Und nun ist Intel noch einen Schritt weiter und macht – ohne zwingenden technischen Grund – bestimmte CPU-Funktionen vom jeweils vorhandenen Chipsatz abhängig.

Für den Billigprozessor Celeron G1101 beispielsweise weist Intels Informations-Webseite ark.intel.com ECC-Tauglichkeit aus, für den weitaus teureren Core i7-860 hingegen nicht. Der Grund: Der Celeron soll auch als Billigoption in LGA1156-Serverboards zum Einsatz kommen während die Kunden statt des Core i7-860 lieber einen – bis eben auf die ECC-Funktion – fast identischen, aber teureren Xeon X3460 kaufen sollen. In der Intel-Logik bleibt dem Celeron aber die ECC-Funktion auf normalen Desktop-PC-Mainboards verwehrt. Obwohl er den Speicher-Controller selbst enthält, soll ECC-Speicherschutz nur auf Mainboards mit dem „Chipsatz“ 3400 oder 3420 funktionieren, nicht aber auf solchen mit beispielsweise H55. Dabei handelt es sich bei 3400, 3420 und H55 wiederum um praktisch identische Chips und ohnehin eigentlich bloß um Southbridges, die mit dem Speicher nun gar nichts zu tun haben.

Demnächst wird vielleicht ECC bei einigen Typen nur am Nachmittag zwischen zwei und vier Uhr funktionieren, das Hyper-Threading nur sonntags und die erweiterten Virtualisierungsmöglichkeiten irgendwann in der Nacht – dann allerdings nur bei Mondschein.

Opteron 6000 aka Magny-Cours: endlich mal wieder ein großer nichtquadratischer Prozessor – so wie einst der Pentium Pro (aus dem Blog von AMDs Server/Workstation-Marketing-Chef John Fruehe)

Microsoft jedenfalls war die ständigen Anfragen der Windows-7-Nutzer nach den Hardware-Voraussetzungen für die Nutzung des „XP Mode“ offenbar leid und setzt nun keine Prozessoren mit Virtualisierungsbefehlen mehr voraus. Ein klassisches Eigentor für Intel also, denn damit fällt nun ein Argument für den Kauf teurerer (Intel-)Prozessoren weg. Und so mancher andere Softwarehersteller wird wohl ebenfalls von der Nutzung neuer CPU-Funktionen Abstand nehmen, solange Intel diesbezüglich vor allem Verwirrung stiftet.

Von den neuen Xeon-Prozessoren mit Westmere-Kern werden, wie bei den anderen Familien zuvor auch, einige spezielle Exemplare über die Embedded-Schiene vermarktet, also mit anderen Liefer- und Support-Konditionen sowie mit zum Teil geänderten thermischen und elektrischen Auslegungen. Von den „normalen“ fällt der stark zu Ader gelassene Xeon L5609 für 440 US-Dollar ins Auge: ohne Turbo Boost, ohne Hyper-Threading, ohne Thermal Monitor und mit langsamerem QPI (4,8 GT/s), dafür aber mit AES, TXT und VT …

Recht unterschiedlich gehen derweil Intel und AMD das Thema „48 Kerne und was man damit machen kann“ an. AMD hatte – beschränkt auf USA und Kanada – ein Tyan-System mit viermal Opteron 6174 im Gesamtwert von 8189 US-Dollar ausgelobt für den besten Beitrag (Essay oder Blog bis 500 Wörter oder Video bis 3 Minuten), der sinnvolle Möglichkeiten für die Nutzung solch einer Kernmasse aufzeigt. Am 29. März soll dann der Zwölfkerner Opteron 6000 (Magny-Cours) offiziell erscheinen, der zu viert im Server mit 48 Kernen aufwarten soll. Zuvor sind über Online-Shops bereits diverse Preise durchgesickert, die im Bereich von 293 bis 1491 Dollar recht aggressiv eingeordnet sind. Sie sollen Intels Achtkerner Nehalem-EX das Leben schwermachen, der ganz zufällig einen Tag später sein Coming-out feiert.

Wer gut begründet, was er damit machen will, kann von Intel ein Testboard mit dem 48-kernigen Forschungschip SCC erhalten (hier in der Experimentierplattform Copper Ridge).

Intel hat mit dem weitgehend in Braunschweig entwickelten Forschungsprozessor SCC (Single-Chip Cloud Computer) mit Codenamen Rock Creek sogar 48 Kerne auf einem einzigen Chip untergebracht. Und auch hier kann man an einer Art Wettbewerb teilnehmen und sich bewerben, ein SCC-System für gut begründete Forschungszwecke gestellt zu bekommen. Vor allem für Universitäten und Industrie-Forschungsabteilungen dürfte dieses Angebot sehr interessant sein, um mit dieser flexiblen Mischung aus Cluster und SMP-System, wo die Kerne on-board über ein sehr schnelles, konfigurierbares Mesh verknüpft sind, zu experimentieren. Man muss sich aber sputen, spätestens bis zum 15. April muss die „SCC Research Proposal Application“ bei Intel eingetroffen sein. (as)