Prozessorgeflüster

Ostern ist vorbei, statt Ostereier gabs zumindest in den USA tafelförmige Osteräpfel. Ein paar dieser Tafeln tunnelten hinüber zu uns, andere nach Kanada, wo neugierige Experten nichts Besseres damit anzustellen wussten, als die schönen Chips zu zersägen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Kaum dass man des iPads habhaft war, wurde es auch schon aufgesägt und insbesondere der Prozessor eingehend nach allen Regeln der Kunst untersucht. Bei der kanadischen Firma Chipworks kann man sich nun für schlappe 2000 US-Dollar erste detaillierte Plots der iPad-Chips herunterladen. An den unteren Layer des A4-System-on-a-Chip (SoC) „sägen“ die Chipworks-Experten derzeit noch – der iPad-Nachschub zum weiteren Zerbröseln blieb an der US-kanadischen Grenze im Zoll hängen. Klar ist aber bereits, dass im Chip nur ein einziger Kern vorhanden ist. Es dürfte sich hierbei wie beim iPhone auch nur um eine Abart des ARM Cortex A8 handeln und nicht wie oft vermutet um den Zweikerner Cortex A9.

Chipworks brauchte nur wenige Stunden, um erste Eindrücke vom Innenleben des iPad-Prozessors A4 zu gewinnen: links im Röntgenlicht, rechts der „aufgesägte“ zweite Metall-Layer (Layer 8).

(Bild: Chipworks)

Der Kern hat aber eine sehr schnelle lokale Speicheranbindung (3,2 GByte/s bei LPDDR2-400) über zwei integrierte 1-GBit-Samsung-SRAMs (K4X1G323PE), die sich anhand ihres Logos im obersten Metall-Layer leicht identifizieren lassen. Und auch der Pfad zum externen Hauptspeicher ist offenbar 64-bittig. So liegen denn auch die ersten Performancewerte im Vergleich zum iPhone – 1000 MHz gegenüber 600 MHz Cortex A8 – mit durchschnittlich Faktor zwei besser, als es das reine Taktverhältnis nahelegt. Und sie sind zumeist auch besser als ein 1-GHz-Snapdragon im Google Nexus.

Weitere Logos außer von Apple, die auf Urheber oder Hersteller schließen lassen, fanden sich auf dem Chip bislang nicht, also auch kein Hinweis auf PA Semi, dieser kleinen Firma, die Apple im April 2008 gekauft hatte. Ihr traute man es durchaus zu, so einen Chip maßgeblich mitentwickelt zu haben. Firmenchef Don Dobberpuhl ist ein alter Hase, der einst als DEC-Mitarbeiter am StrongARM mitwirkte und unter dessen Leitung dann bei PA Semi ein besonders energiesparender PowerPC namens PWRficient entwickelt wurde.

Dumm für ihn und seine Firma, dass Apple Mitte 2005 urplötzlich das Lager wechselte und als Hauptadressat nicht mehr in Frage kam. Für einen ordentlichen Batzen von 278 Millionen Dollar kaufte Apple jedoch später die Firma auf. Dobberpuhl und mehrere seiner Leute haben es aber nicht lange bei Apple ausgehalten und eine neue Firma namens Agnilux gegründet. Die arbeitet derweil noch in geheimer Mission, man munkelt, dass sie Server-Chips für Cisco entwickle.

Aber vielleicht war Dobberpuhl auch enttäuscht, dass ein anderer alter Hase zum Zuge kam, aus einer kleinen Firma, die ebenfalls schon lange im Prozessorgeschäft um Apple herum verwurzelt ist: Intrinsity aus Austin, Texas. Sie stammt nämlich von der Firma Exponential Technology ab, bei der Apple als Hauptinvestor fungierte. Mitgegründet wurde Exponential 1993 von James S. (Jim) Blomgren, der via Amdahl, Chips & Technologies und Sun zu Exponential kam. Als weitere treibende Kraft gesellte sich ein paar Jahre später Chefdesigner Paul Nixon hinzu, der einst als Direktor des Austin Development Center das Apple-PowerPC-Team in der Somerset-Allianz mit IBM und Motorola leitete. Zuvor hatte er bei TI an der TMS320-DSP-Familie und dann bei Sun am UltraSPARC mitgemischt.

Ende der 90er erregte Exponential viel Aufsehen mit ihrem PowerPC-Design in der von vielen schon vorschnell für tot erklärten Bipolar-Technik (beschränkt auf die Logik-Transistoren). Der X704 kam mit einem für jene Zeit beeindruckend hohen Takt von 533 MHz heraus. Doch das Apple-Schiff schlingerte zu der Zeit gewaltig, brauchte die Rückkehr von Steuermann Steve Jobs und sogar die Hilfe von Microsoft, um zu überleben.

Exponential konnte jedenfalls keine Prozessoren loswerden und scheiterte. Es entbrannte eine heiße Schlacht um ihre interessanten Patente. Die Grafikfirma S3 obsiegte, sie wurde dann später von der taiwanischen Chipsatz- und Prozessorfirma VIA aufgekauft. Nixon und Blomgren führten einen Zweig der alten Firma weiter und tauften ihn in Intrinsity um. Dort entwickelten sie eine neue Technologie namens Fast14 sowohl für Signalprozessoren (FastMath) als auch für CPUs (FastMips). Die eigene Prozessorentwicklung stellte man dann zwar ein, verkaufte aber durchaus erfolgreich die Fast14-„Dynamic Logic“ in Lizenz, unter anderem an ATI.

Vor einem Jahr machte dann die Neuigkeit die Runde, dass Intrinsity und Samsung gemeinsam unter dem Namen Hummingbird an einem ARM Cortex A8 mit 1 GHz arbeiten, der über 2000 Dhrystone-MIPS leisten und weniger als 0,75 mW/MHz verbrauchen soll. Intrinsity-Chef Russo hatte damals unter anderem auch über Kunden gesprochen, die den Chip bei TSMC in 40 nm-Technik als Alternativangebot zu Samsung bauen lassen wollten – na ja, nun kann man sich den Rest zusammenreimen.

Pünktlich zum iPad-Start sah man jedenfalls bei mehreren Intrinsity-Mitarbeitern neue Einträge für den Arbeitgeber auf Linkedln. Paul Nixon wechselte zwar schon vor einiger Zeit zu Texas Instruments, aber bei Jim Blomgren stand ab April 2010 der bekannte Name einer Firma aus Cupertino. Kaum ging das im Internet rund, wurde es flugs wieder gelöscht und in „unemployed“ geändert. Als Ort gibt der arbeitslose Blomgren nun Turin an – da ist er wohl gerade in Urlaub … (as)