Systems-Engineering und der Supermarkt

Was ist eigentlich Systems-Engineering und was bedeutet dies für unseren Alltag?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Bernd Oestereich

Unsere Welt wird immer vernetzter. Die Hard- und Softwaresysteme, die uns umgeben, werden immer mehr und immer kleiner. Jedes neue Auto besteht mittlerweile aus einer großen Mengen von einzelnen Systemkomponenten, die unter anderem auch etwas Software enthalten. Telekommunikation, Unterhaltungselektronik, Hausautomatisierung wachsen immer mehr zusammen, die Grenzen lösen sich auf. Gleiches gilt für die Hersteller, Benutzer und Besitzer dieser Systeme. Als gesellschaftliches Kollektiv schaffen wir ein hochgradig verteiltes und vernetztes globales System, von dem ein Einzelner schließlich nicht mehr so recht wissen wird, welche einzelnen Systemkomponenten in seinem Kontext existieren und wie diese miteinander verbunden sind.

Speichert unser Mobiltelefon die RFID-Informationen der Anzüge, die wir gestern im Kaufhaus berührt haben, damit wir später die Bestellung auslösen können? Die Steckdose in der Wand mit eigener IP-Adresse, über das Internet steuerbar, wird sich weiter verbreiten. Auf dem Nachhauseweg von der Arbeit lässt unser Kfz-Bordcomputer den Kühlschrank zu Hause noch schnell einen RFID-Scan machen, der feststellt, dass sich nur noch ein Karton Milch im Kühlschrank befindet und die Milch ihr Verfalldatum überschritten hat. Zusammmen mit dem Navigationssystem erarbeitet der Bordcomputer den Vorschlag, einen kleinen Umweg über einen Supermarkt zu fahren, der noch frische Milch vorrätig hat. Außerdem umgehen wir damit einen Stau. Die Heizung in der Wohnung wurde bereits beim Verlassen der Firma hochgefahren.

Systems-Engineering ist ein interdisziplinärer Ansatz, mit dem Hardware, Software und Organisation ganzheitlich betrachtet, analysiert, modelliert, realisiert und betrieben werden. Die besondere Herausforderung besteht nicht in der Entwicklung eines Teilsystems, sagen wir mal eines elektrischen Fensterhebers für ein Kfz, sondern in der Vernetzung vieler solcher Teilsysteme, die letztendlich eine neue Dimension von Komplexität erzeugt. Auch die Verantwortung für diese einzelnen Subsysteme ist hochgradig verteilt, weswegen Systems-Engineering auch eine explizite soziale und organisatorische Seite hat.

Für jedes Einzelsystem haben die betreffenden Konstrukteure eigene Verfahren und Notationen. Das Zusammenspiel von kleinen Schrittmotoren, Zahnrädern und Achsen wird in einer entsprechenden Konstruktionszeichnung beschrieben. Für die Beschreibung der Geometrie eines Gebäudes gibt es entsprechende Bauzeichnungen, Bemaßungsnotationen etc. Für die Modellierung der Software nehmen wir die UML. Und so weiter. Je mehr und verschiedener die Einzelsysteme jedoch werden, desto komplizierter wird es, die einzelnen Notationen der verschiedenen beteiligten Systeme im Zusammenhang zu verstehen. Wir verlieren den Überblick. Wir kreieren gemeinsam als Zivilisation immer komplexere Systeme in jeweils eigenen disziplinspezifischen Sprachen und verlieren dabei die Fähigkeit, diese Systeme auf der Makroebene zu überblicken. Ach so, im Supermarkt während des Milchkaufens meldete das Handy gerade, dass sich auch Susanne gerade im Supermarkt aufhält und wir gehen noch gemeinsam einen Kaffee trinken.

Ein wichtiger Schritt für das Systems-Engineering ist also die Entwicklung einer übergreifenden gemeinsamen Modellierungssprache. Dazu später an dieser Stelle mehr.

P.S.: Kaum sitzen wir im Café, kommt die Meldung, dass Susanne schon oft auf der Insel Urlaub gemacht hat, die wir selbst in Kürze das erste Mal besuchen. Obwohl ihr Reisebudget typischerweise niedriger ist als unseres, ist die von ihr freigegebene Datenspur von der Insel hilfreich, so dass wir filtern können, welche Restaurants sie mehr als einmal aufgesucht hat. ()