Wieviele Backlogs habt Ihr?

(Bild: Dimitri Tyan/Unsplash)
Ich bin ein Fan der Regel âEin Team, ein Backlogâ. Und trotzdem stelle ich hier eine andere Idee zur Diskussion. Ich bin auf Kommentare gespannt.
Moin.
Ăber Backlogs gibt es erstaunlich viel zu sagen, auch wenn die Sache auf den ersten Blick ganz einfach aussieht. Es ist doch bloĂ eine Liste von Dingen, die zu tun sind, damit am Ende ein fertiges Produkt herauskommt. Irgendjemand ist dafĂŒr verantwortlich, dass die Tickets in der richtigen Reihenfolge in der Liste stehen und das warâs, oder?
Oft beobachte ich Folgendes: Das Backlog enthĂ€lt ein paar Hundert Tickets. Manche sind ein Jahr alt oder Ă€lter. Einige Tickets fĂŒhren zur Entwicklung neuer Features; sie heiĂen manchmal Stories, User Stories, Anforderungen oder so Ă€hnlich. Bug-Tickets gibt es natĂŒrlich auch und dann sind da noch Dinge, die vielleicht Technische Stories, Dev Stories oder so Ă€hnlich heiĂen. WĂ€hrend die Feature-WĂŒnsche und Anforderungen vom Product Owner oder den sogenannten Stakeholdern stammen, sind die Tickets der letztgenannten Art von den Entwicklern geschrieben.
Und nun stellt sich die Frage nach der Priorisierung. Wie man einige Hundert Tickets in eine sequenzielle Reihenfolge bringen soll, habe ich noch immer nicht verstanden. Aber selbst mit vergleichsweise "wenigen" Tickets, sagen wir mal 80, 90 oder 100, ist es keine leichte Aufgabe, Features/Anforderungen und technische Aspekte zu sortieren. Wenn der Product Owner ehemaliger Entwickler ist, kann es sein, dass er die technischen Tickets versteht; hoffentlich versteht er in diesem Fall das Business gut genug, um seine Arbeit gut zu machen. Und wenn er einen Business-Hintergrund hat, stellt sich die Frage, ob er die technischen EintrÀge im Backlog ausreichend einschÀtzen kann, um eine sinnvolle Reihenfolge sicherzustellen. So oder so ist das eine knifflige Aufgabe, die kaum von einer Person allein zu bewÀltigen ist.
Mein Vorschlag, um das Reihenfolgeproblem in den Griff zu bekommen: Man verwendet zwei Backlogs. Eines verantwortet der Product Owner (Product Backlog) und eines verantworten die Entwickler (Dev Backlog).
Ja, ja, ich weiĂ. Aus dogmatischer Sicht habe ich dann keine Single Source of Truth. Mich stört das nicht, weil die Backlogs in freier Wildbahn öfter Single Source of Chaos, statt Single Source of Truth sind.
Was bringen zwei getrennte Backlogs?
- Das Product Backlog stellt ausschlieĂlich die Business/Produkt-Sicht dar. Feature-WĂŒnsche, User Stories, Anforderungen und Bugs gehören dazu. Es ist damit fĂŒr jedermann verstĂ€ndlich, der/die das Business und das Produkt versteht.
- Das Product Backlog ist damit unweigerlich kĂŒrzer. Eine Sortierung herzustellen, ist schon allein aufgrund einer kleineren Zahl von EintrĂ€gen leichter.
- Alles, was die Entwickler fĂŒr wichtig halten, steht im Dev Backlog. Es hat einen gleichberechtigten Stellenwert mit den EintrĂ€gen im Product Backlog; zumindest in der Theorie.
- Ăber die tatsĂ€chliche Gleichberechtigung entscheidet das TagesgeschĂ€ft. Wer bestimmt auf welche Weise, ob ein Ticket aus dem Product Backlog oder dem Dev Backlog gezogen wird? Nehmen wir an, dass es so eine Art âSprint Planningâ gibt. Hier sind die Produktziele, die der PO verantwortet, maĂgeblich. Sie haben Einfluss auf die Sprintziele. Aber die Entscheidung, wie das Sprint Backlog gefĂŒllt wird, kann nicht ohne die Entwickler gefĂ€llt werden.
Mit nur einem Backlog ist unwahrscheinlich, dass man im Planning die Tickets einfach von oben nach unten betrachten kann. Mit zwei getrennten Backlogs geht das viel einfacher. Der PO kann seine Ideen der Sprintziele mit den oberen Tickets im Product Backlog verknĂŒpfen. Die Entwickler bringen die oberen Tickets aus dem Dev Backlog in den Dialog ein.
Vielleicht funktioniert es sogar, dass das Dev Backlog im GesprĂ€ch mit dem PO gar keine Rolle spielt. Das Planning mit dem Produkt im Fokus wird dadurch verschlankt, der PO entlastet. Die Entwickler ziehen eigenstĂ€ndig die erforderlichen Dev-Tickets in den Sprint. DafĂŒr braucht es Vertrauen zwischen PO und Entwicklern. Wenn das nicht vorhanden ist, wird es aber in jedem Fall schwierig und ich habe noch ein Thema fĂŒr einen Blogartikel.
Zum Abschluss möchte ich noch eine weitere Sichtweise einbringen: Die Autoren Craig Larman und Bas Vodde schreiben in ihrem Buch âLarge Scale Scrumâ (S.281) Folgendes zu Backlogs: "Das Product Backlog dient der Verwaltung von Dingen (items), wĂ€hrend das Sprint Backlog dem Team hilft, sich selbst zu managen. [...] Verwendet nicht dasselbe Werkzeug fĂŒr Product und Sprint Backlogs!"
Verschiedene Tools fĂŒr die beiden Backlogs? In Teams, die zusammen an einem Ort arbeiten, habe ich das hĂ€ufig gesehen: ein Ticketsystem fĂŒr das Product Backlog, ein physisches Board fĂŒr den Sprint. Im Falle von rĂ€umlich verteilten Teams habe ich noch nie gesehen, dass verschiedene Werkzeuge fĂŒr Product und Sprint Backlog zum Einsatz kommen. Ich bin neugierig, ob das gut funktioniert. Wenn jemand diesbezĂŒgliche Erfahrung hat, freue ich mich ĂŒber eine Beschreibung in einem Kommentar.
(rme [1])
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