Technologiesprung statt Release-Wechsel

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Autor Nils Klute, IT Journalist
  • Beitrag vom 06.12.2018

Ob Betrieb, Wartung oder Lizenzen: Die Telekom bietet SAP von Ende zu Ende. Was sich dahinter verbirgt – ein Interview mit SAP-Experte Thomas Mailänder.

Herr Mailänder, wo liegen bei SAP S/4HANA die Fallstricke im Mittelstand?

In der Komplexität des Themas. Alle tun sich schwer damit – ob Konzern oder Mittelstand. Denn viele stellen sich den Sprung zu SAP S/4HANA als Release-Wechsel vor. Das ist aber ebenso ein Trugschluss wie die Idee, die neue Business Suite mit den bestehenden Rechnern betreiben zu können.

Warum ist das ein Trugschluss?

SAP HANA und SAP S/4HANA erfordern zertifizierte Hardware, die anders aufgebaut und konfiguriert sein muss, als bei vorangehenden SAP-Systemen. Die Infrastruktur und das notwendige Know-how fehlen in den Firmen. Unternehmen müssen insofern die eigenen IT-Abteilungen schulen, weiterbilden oder neue Experten rekrutieren und im Serverraum obendrein kräftig investieren.

Welche Rolle spielt da ein SAP-Provider?

Er berät, bietet das Know-how und die notwendigen IT-Ressourcen, damit der Mittelstand das Thema mit wenig Aufwand und zu geringen Kosten in den Griff bekommt. So bietet die Telekom beispielsweise SAP HANA und SAP S/4HANA aus ihren Cloud-Rechenzentren als sogenannte Dynamic Services. Gewissermaßen buchen die Anwender dabei immer nur so viel SAP-System, wie sie gerade brauchen. Abgerechnet wird nur der tatsächliche Verbrauch.

Die Telekom spricht bei SAP gern von Ihrer Ende-zu-Ende-Sicht. Was heißt das?

Wir bieten Beratung, Einführung, Betrieb, Wartung, Lizenzen, Application Management und Support aus einer Hand. Und obendrein einen Ansprechpartner für alles, was den kompakten IT-Abteilungen im Mittelstand entgegenkommt. So lösen wir die Komplexität auf und machen SAP-Systeme beherrschbar. Angebote wie der „Jump-Start“ von T-Systems bringen Unternehmen schnell auf die neuen Plattformen: Aus der Cloud stellen wir diese bereit – ohne, dass sich die Unternehmen um eigene zertifizierte Hardware und ihre Konfiguration sorgen müssten.

Was raten Sie Kunden, die vor der Komplexität von SAP aus der Cloud zurückschrecken?

Dass sie sich professionelle Unterstützung suchen. Niemand muss – ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Niemand sollte den Weg in die Cloud allein beschreiten. Dafür gibt es Profis, die Unternehmen sukzessive in die Cloud begleiten. Zum Beispiel mit unseren Cloudifier-Workshops. Wir evaluieren die Ist-Situation und bestimmen dann zusammen mit dem Kunden die Ziellandschaft und legen das weitere Vorgehen fest – Schritt für Schritt. Wie sieht der eigene Pfad in die Zukunft mit SAP aus? Migrieren oder neu implementieren? Greenfield- oder Brownfield-Approach?

Und wie lautet die Antwort?

Die fällt je nach Kunde anders aus. Beim Brownfield-Approach behalten die Unternehmen ihre individuellen Prozesse und Anpassungen weitgehend bei, was zwar wenig Veränderung für die Anwender bedeutet, aber natürlich die Chancen vergibt, die die neuen Prozesse von S/4HANA unter Umständen bieten. Beim Greenfield-Szenario trennen sich die Firmen von ihren Altlasten, was dann allerdings intensive Beschäftigung der Mitarbeiter und Fachabteilungen mit den neuen Möglichkeiten zur Folge hat. Jede Sonderlocke kommt da auf den Prüfstand. Aber es bietet eben die Chance, auch prozessual aufzuräumen und für zukünftige Veränderungen besser gerüstet zu sein.

Welcher Weg ist Ihrer Ansicht nach richtig – Greenfield oder Brownfield?

SAP bietet hier eine Entscheidungsmatrix, mit der Anwender auswählen können, welches Szenario für sie besser passt. Nach der Beantwortung einiger Fragen, erhalten sie eine Empfehlung für Green- oder Brownfield. Dieser Ansatz ist aus meiner Sicht auch die beste Variante. SAP S/4HANA ist eben kein Release-Wechsel – sondern ein Technologiesprung. Die volle Leistung kann das System nur dann liefern, wenn die Anwender sich an die Standardprozesse halten, die SAP vorgibt. Für uns als Dienstleister heißt das aber dennoch: Wir beraten stets offen und eröffnen unseren Kunden die jeweils passenden Wege. Das kann auch bedeuten, sich dann nur teilweise von Altem zu trennen. Denn in der Tat gehen die Meinungen weit auseinander: Gerade die größeren Unternehmen wählen den Mittelweg, überlegen also, wo sie sich verschlanken können, um zurück zum Standard zu finden. Und wo man auf individuell gestaltete Prozesse zurückgreifen muss, weil diese das eigene Geschäft mutmaßlich besser abbilden als der SAP-Standard.

Wie helfen Sie bei der Entscheidung?

Wir begleiten die Transformation mit unseren Readiness Workshops. Wir sprechen also mit unseren Mittelstandskunden, sammeln Informationen, schätzen Aufwände und Handlungsbedarf ein. Dabei helfen auch verschiedene Werkzeuge, die wir kundenspezifisch einsetzen: Mit Produkten unseres Partners West Trax z.B. scannen wir das Altsystem und identifizieren, in welchen Modulen der Großteil der Individualisierungen schlummert. Dann wird aufgeräumt. Mit einem anderen Produkt lassen sich Daten aus unterschiedlichen SAP-Quellsystemen importieren, bearbeiten und für SAP S/4HANA bereitstellen. Im Explore-Workshop bohren wir dann richtig in die Tiefe, bestimmen Fahrplan und Vorgehen. SAP hat unseren Ansatz testiert und zertifiziert: Unsere Methode entspricht den Anforderungen und Zielen, die SAP an Berater stellt.

Was geschieht mit SAP-Altsystemen, die von SAP S/4HANA abgelöst werden?

Diese gilt es zu archivieren, um die Altsysteme abschalten zu können. Nicht nur, um im Zweifelsfall auf Altdaten zugreifen zu können, sondern auch, um alles revisionssicher und testiert von Wirtschaftsprüfern weiterhin verfügbar zu haben. Dafür haben wir eine tolle Lösung, die im Kern darauf basiert, die SAP-Tabellen auf eine flache Datenbankstruktur zu ziehen. So reduzieren wir die Kosten für die Verfügbarkeit der historisierten Daten um bis zu 70 Prozent.


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