Kommentar: Groß in Aufholprogrammen, klein in zukunftsorientierter Schulpolitik

  • Beitrag vom 12.08.2022

Auf Digitalisierungsschub folgte „Normalität“. Nun sind pandemiebedingte Lernlücken zu schließen. Aber was wird getan, damit diese nicht wieder entstehen?

Die Bundesbildungsministerin und auch die Ministerinnen und Minister der Kultusministerkonferenz (KMK) klopfen sich in schweren Zeiten gegenseitig auf die Schultern. Anders ist die Pressemitteilung zum Zwischenbericht des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ eigentlich nicht zu verstehen.

Wie Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärt, habe die Corona-Pandemie „Kinder und Jugendliche besonders belastet“. Durch die Schulschließungen seien große Lernlücken, psychische Belastungen und weitere soziale Benachteiligungen entstanden. Aber mit dem zwei Milliarden Euro starken Aufholprogramm des Bundes habe man viele Gelder und Programme bereitgestellt, um den Kindern zu helfen, verlorene Lernstunden wieder aufzuholen.

Richtung Normalität

Die KMK-Vorsitzende Karin Prien (CDU) sagte ungefähr das Gleiche mit ähnlichen Worten. „Kinder und Jugendliche haben am meisten unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten“, so Prien. Und die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern sollten dabei helfen, dass „Schülerinnen und Schülern mit den diversen Angeboten wieder eine Rückkehr Richtung Normalität“ geboten werden kann.

Kultusminister Ties Rabe (SPD) aus Hamburg ergänzte: „Schätzungen zufolge haben die pandemiebedingten Schulschließungen bei etwa einem Viertel der Schülerinnen und Schüler zu Lernrückständen geführt.“

Ja, die Pandemie hat einige Schülerinnen und Schüler abgehängt, exakter gesagt: weiter abgehängt, aber ist hier nur die Pandemie schuld oder liegt der Fehler nicht ganz grundsätzlich im System?

Pandemie Auslöser für Belastung oder nur Schulausfall?

Kultusministerinnen und -minister hoben nach der ersten Akutphase der Pandemie darauf ab, dass vor allem die Schulschließungen die Kinder und Jugendlichen zurückfallen ließen und diese „psychische Belastungen“ herbeiführten oder verstärkten. Aber ist das nicht immer noch eine zu einfache Antwort auf eine komplexe Gemengelage? Kinder und Jugendliche erklärten nämlich auch, dass psychische Belastungen daher rührten, dass sie Angst vor Ansteckung, Jobverlust der Eltern und weiteren Folgen der Pandemie hatten. Nicht nur der Schulausfall bedrückte, sondern die Art, wie sich das Leben veränderte und welche existentiellen Bedrohungen auch für Kinder und Jugendliche greifbarer wurden.

Wenn die Sorge um das Wohl und Wehe der Kinder und Jugendlichen also ständig so groß war, wie gerne von Politikerinnen und Politikern unterstrichen wird, muss man sich fragen, weshalb auch gerade Kultusministerinnen und -minister eher auf das Konzept der Nach-, denn der Vorsorge gesetzt haben und offenbar weiterhin setzen. Denn wie kamen diese Lernrückstände zustande? Hätten diese wirklich so groß ausfallen müssen?

Zum einen besteht die Ungleichheit im deutschen Schulsystem schon lange. Chancengleichheit ist hier oft nur ein Wunschtraum. Zum anderen hätte man in den akuten Pandemiephasen wesentlich engagierter für hybride Lernformen eintreten können, für einen guten Fernunterricht, für mehr digitale Zugänge und mehr gleiche Voraussetzungen bei Lernmitteln und genereller Ausstattung, um die ohnehin vorhandenen Lücken nicht noch zu vergrößern. Hier liegt in der deutschen Schulpolitik der Hase einfach schon lange im Pfeffer.

Dieser Artikel ist ursprünglich bei Heise Medien in einem Schwerpunkt zum Thema „Digitalisierung in Schulen“ erschienen. Hier können Sie den vollständigen Artikel lesen.

 

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