Der Digitalpakt Schule hat die überfällige Digitalisierung des Schulunterrichts angeschoben. Doch Änderungen am Konzept und die Verstetigung der Finanzierung sind notwendig, damit das Programm seine volle Wirkung entfalten kann.
Der Bundesrechnungshof ist so etwas wie das schlechte Gewissen der öffentlichen Hand. Wenn irgendwo Geld verschwendet wird, mahnt die Bonner Behörde zu mehr Sparsamkeit und Effizienz – manchmal auch dort, wo man es gar nicht erwartet hätte. Zum Beispiel beim Digitalpakt Schule. Der wird einhellig von allen politischen Partien und von den Bildungsträgern begrüßt. Aber eben nicht vom Bundesrechnungshof. Der kritisiert den Digitalpakt als ineffizient und zu teuer. Die Prüfer bemängeln, dass der Bund für die IT-Ausstattung der Schulen nicht zuständig sei und dass das Geld nicht bedarfsgerecht verteilt werde, sondern nach einem festgelegten Schlüssel, der nicht berücksichtige, welche Schulen bereits gut ausgestattet seien. In den Ländern sieht der Bundesrechnungshof die Mittelvergabe uneinheitlich und kleinteilig, das Nachweisverfahren sei lückenhaft und wirkungslos. Da die Missstände nicht behoben werden könnten, solle der Digitalpakt nicht verlängert werden.
Wie steht es um den Digitalpakt?
Starker Tobak. Steht es um den Digitalpakt, der Deutschlands Schulen ins 21. Jahrhundert katapultieren soll, wirklich so schlecht? Darüber kann man streiten. Worüber aber Einigkeit herrscht: Wirklich schlecht steht es um die Digitalisierung der Schulen. Und gerade hier sollen die 6,5 Milliarden Euro Abhilfe leisten. Dass das Geld gebraucht wird, belegt der Lagebericht „Wie digital sind unsere Schulen?“ der IU Internationalen Hochschule in Erfurt.
98,5 Prozent des Schulpersonals geben dort an, dass ihre Schulen mit dem Internet verbunden sind, bei der großen Mehrheit allerdings nicht in allen benötigten Räumen. Digitale Medien wie Videos werden bei 57,0 Prozent mindestens regelmäßig an den Schulen eingesetzt und bei weiteren 35,1 Prozent zumindest sporadisch. Das ist vielen Eltern nicht genug: 51,6 Prozent finden, dass digitale Medien in der Schule ihres Kindes zu selten verwendet werden. Und sie wünschen sich eine bessere Ausstattung mit Tablets und Laptops. Ihrer Erfahrung nach gibt es in nur in 32,2 Prozent der Schulen Tablet-Klassensätze, die bei Bedarf eingesetzt werden können. 65,7 Prozent der Schulleiter sehen in der ausreichenden Ausstattung der Schüler mit digitalen Geräten die größte Hürde der Digitalisierung. Umso relevanter sind staatliche Förderungen: 41,5 Prozent der Mitglieder der Schulleitung geben an, dass ihre Schulen bereits mit Mitteln aus dem Digitalpakt des Bundes arbeiten – und bei weiteren 40,0 Prozent wurde bereits ein Antrag gestellt oder bewilligt.
Geld ist nicht alles
Ohne mehr Geld geht es also nicht. Andererseits löst Geld nicht alles: „Die oft mangelnde Ausstattung hat größtenteils strukturelle Ursachen“, sagt Prof. Ulrike Lichtinger von der IU Internationalen Hochschule. Oft würden Schulen und Kommunen von Partnern beraten, die nicht die nötige Kompetenz an der Schnittstelle von Digitalisierung und Pädagogik hätten. Hinzu komme, dass die Handhabung von Geräten wie Smartboards sehr komplex sei und Lehrer nicht damit zurechtkämen.
Für Christian Büttner leistet der Digitalpakt einen wichtigen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Viele Eltern könnten sich kein eigenes Gerät für ihr Kind leisten. Büttner ist Direktor am Institut für Pädagogik und Schulpsychologie in Nürnberg und kennt das Problem aus erster Hand. 65.000 Schüler gibt es in der Stadt, mehr als ein Viertel von ihnen lebt in Haushalten, die auf soziale Unterstützungsleistungen angewiesen sind. Die Bildungspolitiker geben sich zwar Mühe, das zu lösen. „Derzeit sind die Fördermodelle aber sehr heterogen“, so Büttner, „und somit gibt es nicht einen Digitalpakt, sondern 16, da fast jedes Bundesland seine eigene Auslegung des Digitalpakts hat. Dies führt auch dazu, dass die Schulträger unterschiedlich agieren müssen.
„Der Digitalpakt funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen.“
Die Herausforderungen sind bekannt. Das zeigte die Statuskonferenz zum Digitalpakt Schule, die im Juni 2022 in Bonn stattfand. Büttner spricht von einer Aufbruchsstimmung und vielen guten Best-Practices. Die Konferenzen sollten weitergeführt werden, empfiehlt er, der Teilnehmerkreis solle allerdings geöffnet werden und nicht nur auf Schulträger, Schulen, Länder und das Bundesministerium für Bildung und Forschung beschränkt sein. Auch Industrie und Anbieter von Bildungsmaterial sollte Zugang gewährt werden. Die Angst, die würden nur Geschäfte machen wollen, teilt Büttner nicht. „Der Digitalpakt funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen.“
2024 läuft der Digitalpakt 1 aus. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, dass es einen Nachfolger geben und dieser bis 2030 finanziert werden soll. In einer Umfrage haben die Partner des Bündnisses für Bildung e.V. angegeben, was sie sich vom Nachfolgepakt wünschen: die Öffnung für die Finanzierung von Software und IT-Services, die Vereinfachung von Antrag und Abrechnung sowie eine nachhaltige Finanzierung.