Lernen, wie, wann und wo man möchte

Bernd Müller
Autor Bernd Müller
  • Beitrag vom 28.10.2022

Die Hans Settegast Regelschule in Bad Köstritz erfindet Schule neu. Für ihr Konzept hat sie den dritten Preis im Ideenwettbewerb „Go!Schule morgen“ gewonnen.

Es gibt Schüler und Schülerinnen, die haben Lust auf Schule, und es gibt Schüler und Schülerinnen, die haben keine Lust auf Schule. Beide Gruppen sitzen in einer Klasse und die Lehrkraft müht sich ab, beide zum Schulabschluss zu führen. Die Hans Settegast Regelschule in Bad Köstritz geht hier neue Wege. SOL – Selbstorganisiertes Lernen und Projektlernen – heißt das Konzept. Dazu schafft die Schule Klassenräume und feste Lerngruppen ab, auch feste Lehrplanstrukturen und feste Stundenpläne sind Schnee von gestern. Stattdessen gibt es verschiedenste Lernorte, wo sich Schüler wohlfühlen und in Ruhe so lernen können, wie sie es möchten. So kann jeder Schüler selbst entscheiden, wie viel Zeit sie oder er in bestimmte Themen investiert. Die Lerngruppen sind jahrgangsübergreifend und werden von einer Lehrkraft gecoacht. Auch Nichtstun ist erlaubt und damit auf Dauer uninteressant für Störer.

Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Räumlichkeiten der Schule. Statt Klassenräumen entstehen Lernateliers, wo Schüler der Klassen 5 bis 7 beziehungsweise 8 bis 10 einen eigenen Arbeitsplatz haben. Diesen Arbeitsplatz können sie selbst gestalten, können dort lernen, müssen es aber nicht. Außerdem gibt es einen Marktplatz. Hier treffen sich Schüler zum gemeinsamen Lernen und mit Lehrern, die bei Problemen gefragt werden können. Es gibt zum Beispiel einen Marktplatz, auf dem nur Englisch gesprochen wird. Die Schüler können sich im gesamten Schulgebäude frei bewegen und dort lernen, wo es für sie am besten ist. Es gibt Stehtische, Bänke, Couches, Sitzkissen, Stühle, Hocker – und das im gesamten Schulhaus verteilt.

In so genannten Inputs können sich die Schüler schwierigen Lernstoff erklären lassen. Das sind normale Unterrichtsstunden, wo die Lehrer nach einem festgelegten Plan oder auf Anfrage der Schüler ein bestimmtes Thema behandeln. Hier steht es den Schülern frei, dieses „Input“ zu besuchen. Schüler, die anfangs nicht in der Lage sind, selbst ihren Schultag zu organisieren, werden von einer Lehrkraft gecoacht, damit keine Lernlücken entstehen.

Jeder Schüler erhält ein digitales Endgerät. Damit erhält er Zugriff auf eine Software, die den einzelnen Lernfortschritt mittels Balken in jedem Fach darstellt. Mittels Kompetenzraster wird jedem Schüler der zu behandelnde Lernstoff zugewiesen. Jedes Lernpaket besteht aus einem Theorieteil, in dem der zu behandelnde Stoff pädagogisch selbsterklärend aufgearbeitet ist und mit Videos oder Grafiken unterstützt wird. Hat der Schüler diesen Theorieteil bearbeitet, kann er die Übungsaufgaben in diesem Paket lösen. Hat er das geschafft, kann er einen „Gelingnachweis“ schreiben, in dem er sein Können beweist. Besteht der Schüler diesen Gelingnachweis, erhält er Punkte, die seinen Lernfortschritt grafisch darstellen. So ist es möglich, Schüler einer bestimmten Klassenstufe in einem Fach schon für die nächste Klassenstufe freizuschalten und sie in dieser Kompetenz zu fördern. Voraussetzung hierfür ist die Aufarbeitung des gesamten Schulstoffs in selbsterklärenden Arbeitsaufträge. Videos und Übungen lassen sich mittels QR-Codes auf den Arbeitsblättern speichern und mit dem iPad sofort abrufen. Somit wird das Lernen abwechslungsreich gestaltet und die Medienkompetenz gefördert.

Nebenfächer wie Geschichte, Geografie oder Physik werden in sogenannten Projekten am Nachmittag vermittelt. Durch die Präsentation ihrer Ergebnisse mit verschiedensten Medien und Darstellungsformen werden Medienkompetenz und Präsentationstechniken vermittelt. Hier kann es auch schon einmal sein, dass ein Schüler ein Video dreht.

Die Lernplattform ist gleichzeitig auch Kommunikationsinstrument zwischen Lehrerkräften, Schülern und Eltern. Mit Blick auf das Kompetenzraster erkennen Schüler, Eltern und Lehrerkräfte sofort den Lernstand sowie auf welchem Lernniveau sich der Schüler befindet. Zu den iPads befinden sich in den Input-Räumen und Marktplätzen große Bildschirme, die zur Visualisierung des Lernstoffs genutzt werden können.

Natürlich klingt das erst einmal sehr utopisch. Aber andere Schulen (auch Brennpunktschulen), die so ein System übernommen haben, zeigen, dass die Lernergebnisse der einzelnen Schüler ungleich besser sind, im Vergleich zum bisherigen Fächerkanon. Außerdem lässt sich viel Geld sparen, da Kosten für Bücher, Arbeitshefte etc. nicht mehr anfallen. Corona und Homeschooling verlieren mit SOL ihren Schrecken, denn mit diesem System kann jeder Schüler an jedem Ort lernen.

 

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