Digitalisierung sonderbar: Wenn das Tablet nutzlos ist

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Autor Andreas Schur
  • Beitrag vom 16.11.2022

Die Beschaffung von Lehrer-Dienstgeräten ist komplex: Wie sie dennoch gelingt – und so Lehrkräfte entlastet statt frustriert.

Die Ausstattung von Lehrkräften mit digitalen Endgeräten ist schön und gut, aber Lehrer benötigen für ihre Arbeit passende Geräte und Anwendungen. Dass die Anforderungen an Hard- und Software je nach gedachtem Einsatzzweck sehr unterschiedlich sind, wird jedoch von den Entscheidungsträgern in den Kommunen oftmals bei der Beschaffung nicht berücksichtigt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass manchmal der Herstellername mehr zählt als der Einsatzzweck, wie ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen zeigt.

Ende August 2022 sorgten Lehrer von Kölner Grundschulen für Schlagzeilen: Öffentlichkeitswirksam gaben rund 1.000 Lehrkräfte bei einer Protestaktion ihre dienstlichen iPads zurück. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die die Aktion mit initiiert hatte, nannte als Grund die „katastrophale digitale Arbeitssituation, die die Bedürfnisse des Arbeitsalltags sowie des Gesundheitsschutzes ignoriert“. Aber was war der Hintergrund der Aktion? Gelten Tablets wie das iPad nicht eigentlich als ein beliebtes digitales Endgerät im schulischen Kontext? Kurz gesagt: Es kommt darauf an, wofür die Geräte genutzt werden sollen. Im konkreten Fall in Köln sollten die Lehrkräfte mit den Tablets nicht nur Teile des Unterrichts gestalten, sondern auch alle digital anfallenden Prüfungs- und Verwaltungsaufgaben an den Geräten erledigen. Damit begannen die Probleme: Auf den Tablets fehlte jegliche Office-Software. Die wäre aber notwendig gewesen, um offizielle Formulare der Stadt Köln zu bearbeiten.

Gleichzeitig berichteten die Kölner Lehrer, dass sie ihre privaten Geräte nicht mehr nutzen durften, da ihnen mit den iPads nun offizielle Dienstgeräte zur Verfügung gestellt worden seien. Doch damit nicht genug: Sowohl das von der Stadt Köln zur Verfügung gestellte Videokonferenzsystem als auch das vom Land Nordrhein-Westfalen bereitgestellte Lernmanagementsystem LOGINEO waren laut GEW auf den Tablets nur eingeschränkt oder gar nicht nutzbar. Eine Kölner Lehrkraft fasste die Situation wie folgt zusammen: „Damals wurden die Geräte als Hilfe für den digitalen Unterricht angekündigt – wir waren begeistert. Hätten wir gewusst, dass eine Annahme der Geräte auch bedeutet, dass damit später alles erledigt werden muss, hätten viele das Gerät bei uns niemals angenommen!“

360-Grad-Blick: Welches Gerät passt für meine Schule?

Der Kölner Fall steht damit prototypisch für vieles, was bei der Beschaffung von digitalen Endgeräten für Lehrkräfte falsch laufen kann. Es geht dabei nicht darum, ob man Tablets, Notebooks oder Desktop Computer präferiert – es geht schlicht und einfach um die Frage: Welches Gerät passt an welcher Bildungseinrichtung zu welchem Einsatzzweck? Wer sind die Nutzer dieser Geräte und welche unterschiedlichen Anwendungsszenarien gibt es?

Neben der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung sind Lehrerkonferenzen, Prüfungskorrekturen, Verwaltungsaufgaben, Videokonferenzen oder Präsentationen auf Elternabenden denkbare Einsatzzwecke digitaler Endgeräte. Diese Nutzungsmöglichkeiten lassen sich  in vier Bereiche gliedern: Schulorganisation, pädagogische Aufgaben, Verwaltungsaufgaben und IT-Verwaltung (zum Beispiel für IT-Administratoren). Grundsätzlich bieten sich vom Standard-Notebook über Convertibles bis hin zu Detachables verschiedene Formfaktoren an, die jeweils für unterschiedliche Einsatzwecke sinnvoll sein können.

Die Beschaffung von Lehrerendgeräten geplant und koordiniert schulträgerweit zu organisieren und alle Aspekte, wie oben beschrieben, zu berücksichtigen, ist ein komplexer Prozess. Dieses Themas haben sich auch die Experten vom Bündnis für Bildung angenommen, die einen „Leitfaden zur Beschaffung von Lehrerdienstgeräten“ entwickelt haben. Das Bündnis für Bildung ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Mitglieder es sich zum Ziel gesetzt haben, gemeinsam auf einer neutralen Plattform Lösungen und Handlungsempfehlungen für mehr und bessere Digitalisierung im deutschen Bildungssystem zu entwickeln. Das Besondere: Im Bündnis für Bildung arbeiten alle Akteure zusammen, die ganz konkret zur Digitalisierung in der Bildung beitragen – von Kommunen und Bundesländern auf Seiten der öffentlichen Hand bis hin zu Hard- und Software-Unternehmen, von größeren Unternehmen bis hin zu Start-ups, von Bildungsverbänden über Verlage bis hin zu Anbietern von Lernmanagementsystemen. Das ermöglicht einen neutralen 360-Grad-Blick auf das Thema digitale Bildung.

Mit Checklisten, Hinweisen zu Ausschreibung und Leistungsverzeichnissen bietet der Leitfaden ganz konkrete und in der Praxis erprobte Tipps für den Beschaffungsprozess. Er umfasst dabei alle wesentlichen Aspekte. Das beginnt schon bei den technischen Daten und dem Zubehör der Geräte: Wie groß ist der Bildschirm – und wie groß sollte er sein? Gibt es einen digitalen Stift, mit dem man an dem Gerät arbeiten kann? Wie lang ist die Akkulaufzeit und wie sieht es mit der Garantie aus?

Checkliste als Orientierung bei der Wahl des richtigen Endgeräts

Lernumgebung

  • Kann das Gerät mit den eigenen lehrplanbasierten digitalen Inhalten und Tools umgehen?
  • Unterstützt das Gerät sowohl Online- als auch Offline-Lernen?
  • Unterstützt das Gerät neue sowie moderne und zukünftige Lehr- und Lernprozesse (zum Beispiel Virtual Reality, Augmented Reality etc.)?
  • Ermöglicht das Gerät mehrere Benutzereingabemethoden (Stift, Tastatur, Touch, Sprache etc.)?
  • Ist das Gerät mit Ihren anderen (aktuell und zukünftig verwendeten) Geräten, Ihrer (aktuell und zukünftig verwendeten) Software sowie Infrastruktur kompatibel?

Gerätefunktionalität

  • Verfügt das Gerät über einen ausreichenden Funktionsumfang und Anschlussmöglichkeiten,  um eine Verwendung jetzt und in Zukunft sicherzustellen?
  • Ist die Akkulaufzeit für den Schultag (aktuell und zukünftig) ausreichend?
  • Ist die Bildschirmgröße ausreichend, um Schüleraufgaben zu unterstützen, wie zum Beispiel Lesen von Texten oder handschriftliche Annotationen?
  • Kann das Gerät sowohl mit Produktivitätssoftware (zum Beispiel Microsoft Office, Adobe CS etc.) als auch mit Webanwendungen umgehen?
  • Unterstützt das Gerät die Verwendung von mehreren Benutzern (wenn das Gerät keinem    Nutzer direkt zugewiesen wurde)?

Verwaltbarkeit und Bereitstellung

  • Ist das Gerät ausreichend langlebig und wartungsfähig für die geplante Haltezeit?
  • Gibt es eine ausreichend lange Gerätegarantie für die geplante Haltezeit mit entsprechenden Reaktionszeiten (zum Beispiel Vor-Ort-Austausch/Reparatur am nächsten Schultag)?
  • Verfügt das Gerät über integrierte Verwaltungsfunktionen (zum Beispiel für BIOS- oder Software-Updates, Remote-Desktop, Out-of-Band- und Lights-out-Funktionalitäten etc.)?
  • Verfügt das Gerät über geeignete Sicherheitsverwaltungsfunktionen (zum Beispiel anpassbare Multifaktor-Authentifizierung von Nutzern, hardwarebasierten Schutz vor        Sicherheitsbedrohungen etc.)?
  • Bietet das Gerät einen ausreichenden Schutz der Anwenderdaten?

Der „Leitfaden zur Beschaffung von Lehrerdienstgeräten – Impulspapier entwickelt für Auftraggeber im Schul-/Bildungswesen“ steht auf der Webseite des Bündnisses für Bildung kostenlos zum Download bereit.

 

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