Abrechnung mit DVB-CI

Mit einem neuen, kopiergesicherten Interface-Standard bei DVB-Receivern beugt sich die Unterhaltungselektronik-Industrie den Vorgaben der Digital-TV-Anbieter – mit gravierenden Folgen für die Zuschauer.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Nico Jurran
Inhaltsverzeichnis

Philips bringt im April erste Fernsehgeräte mit integriertem Empfänger für digitales Kabelfernsehen (DVB-C) und einem „CI-Plus“ genannten Interface auf den Markt. Wer ein passendes CI-Plus-CAM (Conditional Access Module) und eine gültige Abokarte besitzt, kann damit unverschlüsseltes wie verschlüsseltes digitales Kabelfernsehen empfangen – wie zuvor schon mit CI-Receivern ohne „Plus“.

Doch während die Daten beim bisherigen – offiziell „DVB-CI“ genannten – Verfahren nach dem Passieren des CAM unverschlüsselt sind, sichert ein CI-Plus-Gerät den kompletten Signalverlauf gegen äußere Eingriffe.

Hierfür werden die Inhalte nach der Entschlüsselung im CAM für den Transport über die CI-Schnittstelle mit den Geräte-Keys des CI-Plus-Fernsehers beziehungsweise -Receivers erneut verschlüsselt; der ganze Vorgang wird mit digitalen Zertifikaten abgesichert. Nach der CI-Plus-Spezifikation darf der DVB-Empfänger zudem keine Hintertürchen offen halten, über die sich unverschlüsselte Inhalt abgreifen ließen.

Auch die Durchsetzung von analogen Kopierschutzmechanismen ist sichergestellt: Der Digital-TV-Anbieter legt für jedes „Programm“ (ein TV-Kanal oder eine einzelne Sendung) fest, ob der analoge Ausgang mit einem Kopierschutz (Macrovision) belegt wird oder etwa bei HDTV-Sendungen nur Videobilder in Standardauflösung liefert. Schließlich wird auch der Jugendschutz mittels nicht deaktivierbarer PIN-Abfrage strikt eingehalten.

Jeder CI-Plus-Empfänger besitzt schließlich seinen eigenen Satz an Schlüsseln und Zertifikaten, um im Falle einer Kompromittierung des Sicherheitssystems einer Receiver-Reihe diese Geräte deaktivieren zu können. Dafür wird über den TV-Datenstrom eine Blacklist mitgesendet, die dafür sorgt, dass die betroffenen Empfänger statt des Pay-TV-Programms nur noch eine Aufforderung zeigt, der Kunde möge sich mit einem speziellen Fehlercode beim jeweiligen Digital-TV-Anbieter melden. Über eine Whitelist soll der Provider einzelne Geräte auch wieder hell schalten können.

Mit CI-Plus kommt die Industrie den Sendern und Inhaltelieferanten entgegen, die die Kontrolle über ihr Material behalten wollen und sich mit den bisherigen DVB-CI-Lösungen nicht anfreunden konnten.

Die Folgen der ablehnenden Haltung der Digital-TV-Anbieter spüren Besitzer von aktuellen CI-Empfängern, die ein Digital-TV-Abonnement abschließen wollen – was beim größten Kabelnetz-Provider Kabel Deutschland (KDG) schon nötig ist, um die grundverschlüsselten Privatsender sehen zu können. Premiere und KDG verlangen nämlich, dass der Neukunde den Besitz eines für das jeweilige Angebot zertifizierten Empfängers nachweist. Das Siegel erhalten jedoch nur Geräte, bei denen eine Weitergabe des empfangenen TV-Datenstroms technisch unmöglich ist – womit DVB-CI-Lösungen außen vor bleiben.

Digital-TV-Fans behalfen sich in der Vergangenheit mit zertifizierten Alibi-Receivern. So kamen sie an die Abokarten, die sie dann in nicht zertifizierten Empfangsgeräten nutzten. Selbst wenn man vom Verstoß gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kabelnetz-Provider beziehungsweise der Pay-TV-Sender einmal absieht, ist diese Lösung jedoch recht unbefriedigend, da man trotz Abo-Gebühr keinen Support seitens des Digital-TV-Anbieters bei Empfangsproblemen mit dem CI-Receiver hat.

Vor allem aber gibt es keine Sicherheit, dass der Empfang verschlüsselter Programme auch morgen noch klappt: So wechselte Kabel BW im Mai 2008 die Verschlüsselung für die über sein Netz ausgestrahlten Pay-TV-Programme von Kudelskis Nagravision auf NDS’ Videoguard, für das es bislang kein offizielles CAM gibt. Selbst Humax’ LCD-TV LDE-HD32C lässt sich trotz Premiere-HD-Zertifizierung nun nicht mehr in Baden-Württemberg zum Empfang des Pay-TV-Senders einsetzen, da das integrierte CAM kein NDS beherrscht. Ende vergangenen Jahres musste Mascom bei seinem beliebten Alphacrypt-Modul die Unterstützung für die neuen KDG-Karten vom Typ K09/D09 deaktivieren [1].

Derzeit konzentrieren sich die Bemühungen rund um CI-Plus zwar ausschließlich auf das digitale Kabel-TV; mit einem zu erwartenden wachsenden Angebot an verschlüsselt via DVB-S(2) ausgestrahlten (HD)TV-Sendern dürfte CI-Plus aber auch mehr und mehr Thema beim digitalen Satellitenfernsehen werden.

Bereits seit mehreren Jahren arbeitet das DVB-Konsortium, dem über 270 Broadcaster, Gerätehersteller, Provider und andere Industrie-Vertreter aus mehr als 35 Ländern angehören, an einer neuen Version des DVB-CI-Standards – bisher ohne greifbares Ergebnis. Das nun am Start stehende CI-Plus ist eine Entwicklung einer Splittergruppe, der neben dem Chiphersteller Neotion unter anderem die vier Fernsehgeräte-Hersteller Panasonic, Philips, Samsung und Sony angehören. Letzter im Bunde ist der CAM-Hersteller SmarDTV, eine Tochter der Kudelski-Gruppe, die ihrerseits hinter dem Verschlüsselungssystem Nagravision steht.

SmarDTV könnte laut seines Marketing-Leiters Conor Ryan zum Verkaufsbeginn der ersten CI-Plus-Fernseher mit dem „SmarCAM-3“ passende Module auf dem deutschen Markt haben – für alle hier benutzten Verschlüsselungssysteme. Auch seien CAMs denkbar, die mehrere Algorithmen beherrschen.

Der Start des Angebots hinge konkret jedoch davon ab, dass die hiesigen Digital-TV-Anbieter grünes Licht für CI-Plus geben. Die Kabelnetz-Provider bekundeten in den vergangenen Wochen generelles Interesse an CI-Plus, verwiesen jedoch auch auf die Notwendigkeit einer gründlichen Prüfung, ob der Standard die hohen Anforderungen etwa des Jugend- und Signalschutzes erfülle. Mehr Abstand wahrt derzeit noch Premiere.

Gegenüber c't begründete der Pay-TV-Sender dies unter anderem damit, dass man eine spezifizierte Multifeed-Unterstützung vermisse. Auf diese Technik setzen die Sport- und Video-on-Demand-Portale des Pay-TV-Senders, deren Unterkanäle sich über eine „Option“-Taste auf der Fernbedienung wählen lassen. Bei einem Fehlen dieser Funktion befürchtet Premiere nach eigenen Angaben mehr Hotline-Anrufe. Philips erklärte dazu, dass die neuen CI-Plus-Fernseher Multifeed beherrschen – räumte aber ein, dass die Fernbedienungen ihrer ersten Modelle keine Option-Taste haben. Aktuell schließt Philips nicht aus, dass kommende Geräte zwei Zertifizierungen erhalten: eine für CI-Plus, die für die neuen Fernseher des Unternehmens bereits abgeschlossen ist, und eine für Premiere.

CI Plus zielt zunächst vor allem auf Fernseher mit integriertem DVB-Receiver ab – was dazu passt, dass dem Forum hinter dem Standard kein einziger Hersteller von Stand-alone-Receivern angehört. Doch die CI-Plus-Spezifikation macht keine Einschränkungen, in welcher Form der DVB-Empfänger daherkommt. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch nicht, dass man auf CI-Plus-Lösungen für den PC bauen sollte: Trotz Se-cure Path in Windows Vista will das CI-Plus-Konsortium diesen Weg offenbar nicht beschreiten.

Die bislang erhältlichen Geräte mit gewöhnlichem DVB-CI-Slot lassen sich nicht auf CI-Plus umrüsten.

Wichtig erscheint für den Anwender daher die angebliche Abwärtskompatibilität von CI-Plus zum bisherigen Standard. Angeblich, weil sich in einem CI-Plus-Empfänger zwar prinzipiell ein „altes“ CAM betreiben lässt, der Digital-TV-Anbieter über ein „host shunning“ bezeichnetes Broadcast Flag im TV-Datenstrom aber vorgibt, ob ein Pay-TV-Programm den Einsatz eines CI-Plus-Moduls erfordert oder nicht. So ist es möglich, dass ein CI-Plus-Empfänger mit einem herkömmlichen CAM weiterhin die grundverschlüsselten Sender zeigt, beim Empfang von Pay-TV-Kanälen aber darauf pocht, dass ein CI-Plus-Modul im Schacht steckt.

Laut Mascom wird aufgrund der hohen Hardwareanforderungen und Lizenzkosten ein CAM bis zu 150 Euro kosten. Tatsächlich muss jeder Hersteller pro Geräte-Plattform (also Fernseher-, CAM- oder Receiver-Reihe mit jeweils identischer Basis-Technik) erst einmal rund 20 000 Euro hinblättern, hinzu kommen die Kosten für den Sicherheitstest der britischen Firma Digital TV Labs. Danach werden jährlich 15 000 Euro fällig. Laut SmarDTV-Sprecher Conor Ryan schlagen diese Kosten in der Massenproduktion letztlich jedoch mit gerade einmal fünf Cent auf jedes Modul durch; der Preis des SmarCAM-3 bleibe im üblichen Rahmen. Aktuell bekommt man ein Alphacrypt-CAM für rund 50 Euro. Auch Philips bekräftigte, dass sich CI-Plus nicht negativ auf die Preise für die neuen LCD-Fernseher auswirke.

Gänzlich falsch sind laut Marketing-Managerin Stephanie Willemsen vom zuständigen TC TrustCenter Behauptungen von Mascom-Kritikern, wonach jedes Update der Gerätesoftware eine erneute Zertifizierung erfordere, die jeweils mit 5000 Euro zu Buche schlage. Solange die sicherheitsrelevanten Komponenten der Firmware von dem Update nicht betroffen seien, läge laut Willemsen eine erneute Zertifizierung im Ermessen der Hersteller.

Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass für kleinere Receiver-Hersteller die Refinanzierung aufgrund geringerer Stückzahlen schwierig wäre – wodurch wiederum die Modellvielfalt schrumpft.

Viele Anwender dürften sich vor allem dafür interessieren, wie es mit TV-Aufnahmen beziehungsweise deren Weitergabe aussieht. Laut Spezifikation bestimmt bei CI-Plus ein im TV-Datenstrom mitgesendetes Flag, ob eine Aufnahme immer wieder abgespielt werden darf oder ob sie sich nur einige Zeit – konkret zwischen sechs Stunden und 61 Tagen – nach ihrem Abschluss (nicht dem ersten Betrachten!) angucken lässt. Daneben kennt CI-Plus einen Modus, der Time-Shifting nur bis 90 Minuten nach Sendungsende erlaubt.

Generell darf man schließlich davon ausgehen, dass alle Aufnahmen unter Einsatz des individuellen Keys des Empfängers verschlüsselt abgelegt werden und das Gerät keinen Mitschnitt mehr herausgibt. In der Spezifikation sind auch Regelungen zu finden, wonach Mitschnitte (inklusive einer einmaligen Kopie) weitergegeben werden dürfen. Voraussetzung hierfür dürfte jedoch sein, dass sich das Gerät, auf dem die Kopie landet, seinerseits strikten Kopierschutzregeln unterwirft.

Digitaler Kabel-TV-Empfang ist in Deutschland derzeit ein Trauerspiel: Obwohl fast 50 Prozent der deutschen Haushalte (rund 18,5 Millionen) über Kabel fernsehen, ist das Angebot an DVB-C-Receivern aufgrund der Verschlüsselungsproblematik überaus mager. Dass der Vorstoß mit CI-Plus von den Fernsehgeräteherstellern ausgeht, verwundert nicht: Die für den Flat-TV-Markt wichtigen kommenden HDTV-Ausstrahlungen dürften jenseits von ARD und ZDF zumindest grundverschlüsselt sein.

Doch noch hat der neue Standard die wichtigste Hürde nicht genommen: Ohne das Okay der Digital-TV-Anbieter ist der Standard wertlos. Und hier müssen alle Kabelnetz-Provider und Sender mitziehen, damit das Chaos bei Digital-TV-Abos nicht noch mehr zunimmt.

Die Receiver-Hersteller dürften zunächst abwarten – zu tief sitzt der Frust über die mit viel Tamtam gestartete Satellitenplattform Entavio, die bis heute vor sich hin krebst.

Literatur

[1] Nico Jurran, FAQ Digital-TV-Empfang bei Kabel Deutschland, c't 25/08, S. 196 (nij)