Doppelturbinen

Dualcore-Prozessoren für Desktop-Rechner sorgen schon länger für viel Diskussionsstoff, nun soll Anfang April mit dem Intel Pentium Extreme Edition der erste, wenn auch recht teure Vertreter dieser Gattung in den Handel kommen. AMD kann dem derweil nur eine modernisierte Version des bekannten Athlon 64 entgegensetzen.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Zum Erscheinungstermin dieser c't-Ausgabe am Kiosk will Intel mit dem Pentium Extreme Edition 840XE seinen ersten Dualcore-Prozessor vorstellen. Damit dringen Prozessoren mit zwei Kernen zu den Desktop-Systemen vor - in High-End-Servern gibt es sie bereits seit längerem, etwa in Form des Power5 von IBM. Der Pentium Extreme Edition (man beachte: Die Ziffer „4“ fehlt in der Typenbezeichnung) kommt zwar in einem LGA775-Gehäuse wie die aktuellen Pentium-4- und Celeron-Module, mit seinem OEM-Listenpreis von rund 1000 US-Dollar dürfte er aber zunächst nur in High-End- und Prestige-PCs etwa für Entwickler und Gamer auftauchen. Die beiden Kerne des Neulings laufen vermutlich mit jeweils 3,2 GHz internem Takt und beherrschen die 64-Bit-Befehlssatzerweiterung EM64T. Zudem unterstützen sie Hyper-Threading, in Betriebssystem und Anwendungen stehen daher neben den zwei echten CPUs noch zwei logische zur Verfügung, um alle Recheneinheiten optimal ausnutzen zu können.

In erschwinglichere Preisregionen dürften Doppelkernprozessoren erst mit dem Pentium D vordringen, der im Unterschied zur Extreme Edition kein Hyper-Threading unterstützt. Der Pentium D soll im zweiten Quartal in den Modellvarianten 840 (3,2 GHz, 530 US-Dollar), 830 (3,0 GHz, 316 US-Dollar) und 820 (2,8 GHz, 240 US-Dollar) auf den Markt kommen - der 820er dürfte preislich damit auf dem Niveau eines Single-Core-Pentium-4-550 (3,4 GHz) oder 640 (3,2 GHz) liegen. Wann genau Intel den Pentium D auf den Markt bringen will, ist indes noch unklar, ein plausibler Termin wäre die Computex Anfang Juni.

Sowohl Pentium Extreme Edition 840XE als auch Pentium D enthalten je zwei der bekannten 90-Nanometer-Pentium-4-Kerne (Prescott), denen jeweils 1 MByte L2-Cache zur Verfügung stehen. Die beiden Kerne greifen über einen gemeinsamen Bus auf den Chipsatz zu und müssen sich daher um die Datentransferrate zum Arbeitsspeicher streiten. Da sich mit dem zweiten Kern auch die Leistungsaufnahme erhöht, ist die Kühlung der Prozessoren heikel. Dies ist unter anderem ein Grund dafür, dass die neuen Prozessoren mit ihren 230 Millionen Transistoren rund 600 MHz langsamer getaktet laufen als ihre schnellsten Verwandten mit einem Kern.

Die beiden Prescott-Kerne der Intel-Dualcore-Prozessoren müssen sich den Bus zum Arbeitsspeicher teilen.

Die Erwartungen an die Doppelkerntechnik sind hoch, denn die neuen Prozessoren versprechen satte Leistungssteigerungen - mehr jedenfalls, als bisher in der Desktop-PC-Praxis von größeren Caches oder Befehlssatzerweiterungen zu spüren war. Allerdings lässt sich das Dualcore-Potenzial nur entweder mit mehreren gleichzeitig laufenden Anwendungen oder mit solchen Programmen ausschöpfen, die mehrere Recheneinheiten gleichzeitig sinnvoll beschäftigen können.

Mit Hyper-Threading hat Intel die Software-Branche bereits seit längerem dazu motiviert, Anwendungen zu schreiben, die von mehreren Recheneinheiten profitieren. So arbeiten etwa einige Video-Encoder oder Schnittprogramme mittlerweile multi-threaded. Häufig trägt dabei jedoch ein einzelner Thread die Hauptlast. In solchen Fällen beschleunigt ein „echter“ Doppelkern-Prozessor die Arbeitsgeschwindigkeit nicht mehr wesentlich stärker, als es eine Hyper-Threading-CPU könnte. Bei Office-Anwendungen oder Spielen lassen sich nur selten Vorteile aus mehreren Recheneinheiten ziehen, da sich die Aufgaben nur schwer oder gar nicht auf mehrere Threads verteilen lassen. Solche Software nutzt Multi-Prozessor- oder Dualcore-Systeme nur bedingt aus - ein Kern schwitzt unter der anfallenden Last, während der andere keine oder kaum Arbeit zugewiesen bekommt. Diese Anwendungen würden dann auf einem gewöhnlichen Pentium 4 mit höherer Taktfrequenz schneller laufen.

Nutzt man jedoch mehrere leistungshungrige Programme parallel, bringt der Dualcore-Prozessor Vorteile - eines beschäftigt den einen Kern, ein anderes den zweiten. Im Hintergrund arbeitende Virenscanner sind ein oft genanntes Anwendungsszenario, das von Hyper-Threading oder Dualcore profitieren soll. Bei autark im Hintergrund laufenden Scans erfüllt sich diese Erwartung auch. Der Virenscan beim Dateizugriff beschleunigt sich hingegen kaum, da die meisten Programme auf das Ergebnis des Scans warten. Zudem steigern mehrere Recheneinheiten die Zugriffsgeschwindigkeit auf die Festplatte und andere Komponenten kaum.

Anders sieht es bei vielen Server- und Workstation-Anwendungen aus - sie profitieren deutlich von Doppelkernprozessoren oder Hyper-Threading, da sie von vornherein dafür ausgelegt sind. Gerade Linux-Anwender schworen bereits in der Vergangenheit auf Systeme mit zwei Prozessoren. Das Betriebssystem und viele Programme sind gut auf Dual-Prozessor-Systeme vorbereitet und können daher auch Dualcore-Prozessoren optimal ausnutzen - ein Kompilieren einer Anwendung läuft bereits mit Hyper-Threading einiges schneller ab, auf Dual-Prozessor-Systemen beschleunigt sich der Vorgang fast um Faktor zwei. Mit typischen Desktop-Anwendungen ergeht es dem Linux-Anwender jedoch kaum anders als unter Windows.

Virtualisierungslösungen, bei denen mehrere Betriebssysteme auf einem Rechner praktisch gleichzeitig laufen, dürften jedoch dankbare Abnehmer für die Rechenkraft der Dualcore-CPUs sein - etwa das in letzter Zeit Furore machende Xen für Linux/NetBSD oder das von Intel für Ende des Jahres angekündigte Vanderpool (VT). Bisher gibt es hierfür im Desktop-Bereich jedoch nur wenige Einsatzzwecke. Im High-End-Server-Bereich haben sich Virtualisierungslösungen jedoch bereits etabliert und auch bei kleineren Servern sind sie mittlerweile gefragt. Dort ermöglichen sie beispielsweise Web-Hostern, einen Rechner in mehrere virtuelle Server zu unterteilen, die sich mit vollen Administratorrechten an unterschiedliche Kunden vermieten lassen.

Mehrkosten für Software-Lizenzen entstehen bei Dualcore-Prozessoren meist nicht - Microsoft und viele andere Software-Anbieter lizenzieren ihre Software nach Sockeln, nicht nach Kernen.

Gleichzeitig mit dem Pentium Extreme Edition will Intel den passenden Chipsatz i955X mit Unterstützung von DDR2-667/PC2-5300-Speicher vorstellen. Revolutionäre Neuerungen bringen er und die wohl zusammen mit dem Pentium D erscheinenden Chipsätze i945P und i945G nicht, erst die Gesamtheit der kleinen Änderungen und Verbesserungen ergibt nennenswerte Vorteile. So soll der i955X mit der Unterstützung von bis zu 8 GByte Arbeitsspeicher endlich die 4-GByte-Grenze der Pentium-4-Mainboards durchbrechen, sobald entsprechende Speichermodule mit 2 GByte verfügbar sind. Dann lässt sich auch mit Intel-Prozessoren für Desktop-Rechner endlich ein wesentlicher Vorteil aus der 64-Bit-Befehlssatzerweiterung ziehen; die x64-Edition von Windows XP Professional will Microsoft wohl ab Ende April verkaufen.

Neu ist auch die zum i945P/G und i955X passende Southbridge ICH7, die es wie bereits den Vorgänger ICH6 in verschiedenen Versionen mit und ohne RAID-Funktionen geben wird. Die RAID-Version soll erstmals auch RAID 5 unterstützen. Dabei betont Intel, über einfache RAID-5-Fähigkeiten hinauszugehen: Nach dem Ausfall einer der mindestens drei (und höchstens vier) Festplatten eines RAID-5-Verbunds am ICH7R soll die Daten-Wiederherstellung besonders schnell erfolgen und auch dann sicher beendet werden können, wenn zwischenzeitlich der Strom ausfällt. Der ICH7 unterstützt zudem Serial-ATA-II inklusive den schnelleren 3-GBit/s-Transfers und Native Command Queuing (NCQ).

Anfang April will Nvidia auch den bereits auf der CeBIT gezeigten Dualcore-tauglichen Chipsatz nForce4 SLI für die Intel-Plattform vorstellen. Damit lassen sich dann auch auf den Desktop-Boards für Intel-CPUs zwei Grafikkarten zur 3D-Leistungssteigerung gekoppelt betreiben - zusammen mit den Doppelkernprozessoren dürfte Intel AMD so einige Marktanteile auf dem High-End-Markt für Gamer abjagen.

AMD hat dieser Fülle von Neuankündigungen im Moment nur wenig entgegenzusetzen. Das bereits im Turion 64 und neueren Opterons zum Einsatz kommende „E-Stepping“ der 90-Nanometer-CPU-Kerne soll nun auch in die Desktop-Prozessoren einziehen. Das überarbeitete Athlon-64-Innenleben verspricht eine geringere Leistungsaufnahme oder höhere Taktfrequenzen, dazu sollen die SSE3-Befehlssatzerweiterung und weitere kleinere Verbesserungen kommen. Die Versionen mit den Codenamen Venice (512 KByte L2-Cache) und San Diego (1 MByte L2-Cache) sollen die aktuellen Newcastle-, Winchester- und Clawhammer-Modelle ersetzen. Noch im April will AMD neue Versionen der Athlon-64-Prozessoren 3000+ (1,8 GHz) bis 3800+ (2,4 GHz) mit dem Venice-Kern sowie einen 4000+ mit 2,4-GHz-San-Diego vorstellen. Schnellere Versionen (4200+ und FX-57) sollen später folgen. Der neue Kern dürfte in existierenden Mainboards nach einem BIOS-Update funktionieren.

Dualcore-Prozessoren kommen von AMD vermutlich Mitte des Jahres - und dann wohl zuerst als Server-Prozessor Opteron. Erst danach dürfte auch eine Variante für High-End-Desktops zu entsprechenden Preisen erhältlich sein. Damit würde AMD jedoch Intel zumindest auf dem Servermarkt bei der Einführung von Dualcore-Prozessoren überholen. Die Opteron-Architektur mit dedizierten Speichersockeln pro Prozessor könnte sich abermals als Vorteil auszahlen, da sich so zwei Dualcore-Prozessoren nicht noch um die Speicher-Transferleistung streiten müssen. Xeons mit zwei Kernen (Dempsey) und FSB800 will Intel wohl erst zur Jahreswende herausbringen.

Im kommenden Jahr wird sich das Doppelkern-Fieber dann auf fast alle Prozessorfamilien ausbreiten. AMD will vermutlich mit einem neuen Sockel, DDR2-Speicher und Doppelkernprozessoren in den Massenmarkt vordringen. Zu dieser Zeit soll schon die zweite Pentium-D-Generation in 65-nm-Bauweise vom Band laufen, ebenso wie der unter dem Codenamen Yonah entwickelte Dualcore-Pentium-M für Notebooks.

Das Rennen um die erste Dualcore-CPU für Desktops hat somit Intel wohl für sich entschieden, im Server-Bereich scheint AMD derzeit in der besseren Ausgangsposition. Der Server-Markt dürfte sowieso der dankbarere Abnehmer von Dualcore-Prozessoren sein, da hier die Mehrleistung eines weiteren Kerns wesentlich häufiger von Nutzen ist. Im Desktop-Bereich müssen viele Anwendungen sich auf die neuen Umgebungen mit zwei Rechenknechten und 64-Bit-Adressbereich erst noch einstellen. (thl)