Mikro-LEDs können einen wahnsinnig machen

Displays aus Mikro-LEDs sind angesagt, die Staubkorn-kleinen Dioden werfen aber noch Probleme auf. Vielleicht werden zunächst etwas größere LEDs zum Superstar.

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Mikro-LEDs können einen wahnsinnig machen
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Von
  • Bob Raikes

Die Technik, die in den letzten Monaten das größte Interesse geweckt hat, ist ohne Zweifel die Mikro-LED-Technik. Obgleich ich seit der DisplayWeek im Mai denke, dass Mini-LEDs ebenfalls einigen Einfluss haben könnten.

Bob Raikes

Bob Raikes ist Gründer der Meko Ltd., ein Marktforschungsunternehmen aus Großbritannien. Dort ist Bob Herausgeber und Chefredakteuer von Display Daily, ein täglicher Blog und jeder Menge News rund um die Displaytechnik.

Unter Mikro-LEDs versteht man Dioden mit Abmessungen von weniger als 100 Mikrometer bis runter auf drei bis fünf Mikrometer. Mini-LEDs sind mindestens 100 Mikrometer groß, wobei ich nicht genau weiß, bis zu welcher Größe sie noch mini sind – vielleicht bis 0,5 Millimeter? Wie es scheint, werden Mini-LEDs künftig hauptsächlich zur Unterstützung von LCDs mit Direkt-LED-Backlight genutzt; sie sollen das tiefe Schwarz liefern, das an OLEDs erinnert. Unternehmen haben LCDs mit Mini-LEDs im Backlight gezeigt, die mit wenigen Zoll Diagonale für VR-Anwendungen gedacht waren, und auch größere für TVs.

Die Displays mit Mini-LED-Backlight sehen sehr gut aus, sie unterstützen HDR und liefern hohe Leuchtdichten mit einem sehr geringen Halo-Effekt, sofern sie gut konzipiert sind. Die ersten, die diese Art tiefes Schwarz wollten, waren die Einkäufer aus der Automobilbranche. Sie sind dem Anblick der OLED verfallen, zögern aber, sich an die Technik zu binden, weil sie entweder nicht von ihr überzeugt sind oder sie noch nicht für den Einsatz im Automobil qualifizieren können.

Auf der anderen Seite zielen Mikro-LEDs auf Mikrodisplay-Anwendungen wie AR-Headsets ab, wo die hohe Leuchtdichte und Effizienz sehr interessant sind, oder auf den Einsatz in anderen Bereichen von Wearables bis Digital Signage und auch TVs. In letzteren Anwendungen müssen die Mikro-LEDs gleichmäßig verteilt werden. Dabei gibt es allerdings etliche Hürden – über 24 Millionen LEDs (für ein 4K-TV) oder gar 96 Millionen LEDs (für ein 8K-TV) zu prüfen und gleichmäßig zu verteilen wird eine ziemliche Herausforderung, vor allem, wenn man preislich mit LCDs und OLEDs konkurrieren will.

Auf der SID-Business-Konferenz hat Eric Virey von Yole Developpement, der bereits einige Display-Daily-Beiträge geliefert hat, den Fortschritt im Markt erläutert und eine exzellente Folie gezeigt. Sie verdeutlicht die winzige Größe der Mikro-LEDs im Vergleich zu einigen Teilchen in der Umgebung.

Klein wie Schimmelsporen: Die gleichmäßige Platzierung von abertausend Mikro-LEDs auf einem großen Substrat ist eine echte Herausforderung.

(Bild: Yole Developpement)

Eine der Schwierigkeiten liegt darin, mit den LEDs eine gleichmäßige Performance bei Leuchtdichte und Effizienz und auch – wichtig – bei den Farbwerten zu erzielen. Eine der Schlüsseltechniken bei der Herstellung großer LED-Displays, wie man sie in Städten weltweit sieht, besteht darin, die Dioden zu sortieren und zu selektieren. Gute Monteure kaufen einige Module zusätzlich zum neuen LED-Display, damit sie Module mit gleichen Kenndaten vorrätig haben, falls Wartung und Reparatur anstehen. Ähnliches wird sich vermutlich bei Mikro-LEDs-Displays fortsetzen, und LEDs können ebenfalls fehlerbehaftet sein. Deshalb wird ein Qualitätscheck zwischen Bauelement und Display unerlässlich werden.

Auf der Konferenz erklärte Virey, eine Möglichkeit, eine Menge der Probleme zu lösen, sei das Redundanz-Prinzip, also zwei LEDs pro Pixel vorzusehen. Auf diese Weise könne man eine sehr geringe Defektrate erzielen. Das bedeutet allerdings, die Anzahl der LEDs zu verdoppeln!

Ich habe diesen Artikel "Mikro-LEDs können einen wahnsinnig machen" genannt. Es wäre aber wohl zutreffender zu sagen, der Versuch, LEDs anzusteuern, kann einen irre machen. Fragen Sie irgendeinen großen LED-Hersteller und er wird Ihnen erklären, wie schwer es ist, LEDs so anzusteuern, dass sie feine Grauabstufungen liefern. Weil es sich um Dioden handelt, steuert man sie am besten per Pulsweiten-Modulation. Qualitativ hochwertige LED-Displays werden mit über 3 kHz getaktet, damit sie auch bei niedrigen Leuchtdichten und mithin sehr geringer PWM-Einschaltdauer gute Performance liefern.

Leider kann man die LEDs nicht stromgesteuert betreiben, denn soweit ich es verstanden habe, ändert sich mit der Stromstärke die Temperatur der LEDs, was wiederum die Farbe des emittierten Lichts beeinflusst. Das macht die Ansteuerung der LEDs extrem knifflig, insbesondere wenn man eine sehr simple Treiberelektronik bevorzugt und das qualitativ minderwertige Silizium nutzen will, das derzeit für die Ansteuerung von LCDs und OLEDs eingesetzt wird.

Einige Ansätze für dieses Herausforderung legen nah, dass man nicht mehr auf die Architektur setzt, wie sie heute in Flachdisplays üblich ist, sondern statt der Transistoren aus amorphem oder polykristallinem Silizium spezielle Treiber-ICs aus einkristallinem Silizium auf das Substrat packt. Ein einziger Treiberchip könnte diverse Pixel ansteuern; vielleicht ein Chip für 64 LEDs? (der Ansatz von X-Celeprint). Das wären fast eine halbe Millionen ICs für ein 4K-TV. Natürlich könnte man bei der Herstellung von Mikrodisplays ein CMOS-Substrat nutzen, das die LED-Treiber bereits als Architekturbestandteil vorsieht.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Display Daily (uk)