Samsungs Videoformat HDR10+ bleibt hinter den Erwartungen zurück

Dolby Vision-Konkurrent HDR10+ kommt langsam in die Gänge. Doch es gibt Zweifel, dass das Samsung-Format wirklich hält, was es verspricht.

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Samsungs Videoformat HDR10+ bleibt hinter den Erwartungen zurück

(Bild: 20th Century Fox)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nico Jurran

Kurz vor Erscheinen dieses Heftes kündigte 20th Century Fox Home Entertainment mit „Alita: Battle Angel“ seine erste Ultra HD Blu-ray an, die einen erweiterten Farbraum und einen erhöhten Kontrastumfang (High Dynamic Range, HDR) bieten wird – und zwar im Format Dolby Vision. Das ist ein Paukenschlag, weil sich Fox bislang als letztes großes Filmstudio Dolby Vision verweigerte. Fox bildete mit Samsung und Panasonic auch das Triumvirat, das seit der IFA 2017 für die HDR-Variante HDR10+ als offene und lizenzfreie Alternative trommelte.

HDR10+ fällt bei „Alita: Battle Angel“ auch nicht weg, sondern ist parallel auf der Scheibe drauf, ebenso wie HDR10. Dass das technisch funktioniert, bewies Lionsgate in den USA bereits mit der UHD-Blu-ray zur Neuverfilmung von „Robin Hood“. Der hiesige Rechteinhaber StudioCanal brachte die 4K-Scheibe hingegen nur mit Dolby Vision und HDR10 heraus.

Wie Dolby Vision arbeitet HDR10+ dynamisch und ermöglicht Filmstudios so, den gewünschten Bildeindruck über Metadaten für jede Szene oder sogar Bild für Bild festzulegen. Das übliche HDR-Format HDR10 (ohne Plus), das auf praktisch jeder UHD-Blu-ray zu finden ist, arbeitet hingegen statisch und erlaubt dies somit nur einmal für den gesamten Film. Ergo lässt sich damit nicht immer das Maximum aus Quellmaterial und 4K-TV herauskitzeln.

Am 1. August veröffentlicht Fox mit „Alita: Battle Angel“ erstmals in Deutschland eine UHD-Blu-ray, die einen Film in den drei HDR-Formaten HDR10, HDR10+ und Dolby Vision enthält.

(Bild: 20th Century Fox)

Doch weltweit sind bislang nur sieben Scheiben mit HDR10+ erhältlich, hierzulande sogar nur vier: die UHD-Blu-rays „Bad Times At The El Royal“, „Bohemian Rhapsody“, „Widows“ und zuletzt „Alien“, alle von Fox. Beim Videostreaming sieht es nicht besser aus: Zwar stellt Amazon Video nach eigenen Angaben alle in HDR10 verfügbaren Inhalte auch in HDR10+ bereit. Aber bei der Recherche für den Bericht über Medienplayer und Formate in c’t 8/2019 fand sich dort kein einziger Titel. Dolby Vision nähert sich währenddessen hierzulande den 300 Filmen, hinzu kommen knapp 100 Serienstaffeln und fast 30 non-fiktionale Inhalte.

Hardwareseitig verabschiedeten sich jüngst Panasonic und Philips von HDR10+ als exklusives dynamisches HDR-Format und unterstützen künftig auch Dolby Vision. Samsung bleibt alleine zurück.

Hier finden Sie eine Übersicht über in Deutschland erhältliche und angekündigte Filme mit Dolby Vision und mit HDR10+.

Unabhängig von der Auswahl bleibt die Frage, wie sich HDR10+ im Vergleich zum Grundformat HDR10 und zum Konkurrenzformat Dolby Vision schlägt. Tatsächlich scheint sich HDR10+ hier bislang als komplette Luftnummer zu entpuppen.

Zumindest bei „Alien“, „Bad Times At The El Royal“, „Robin Hood“ und der US-Doku „Beautiful Planet“ konnte der Autor im direkten Vergleich keinen Unterschied zwischen dem dynamischen HDR10+ und dem statischen HDR10 erkennen. Zum selben Ergebnis kam Timo Wolters, c’t-Autor und Betreiber des Blogs Blu-ray-Rezensionen.net, bei „Bad Times At The El Royal“. Und auch die Audiovision stellt in ihrem Bericht zu „Alien“ fest, es gäbe „keinen erwähnenswerten Unterschied“.

Wie kann das sein? Hollywood-Colorist Dado Valentic hatte im Gespräch mit c’t dafür eine überraschende Erklärung. So sei HDR10+ praktisch nur als „Fallback-System“ für TVs konzipiert, die nicht die HDR-Bildqualität der Topmodelle erreichen. Vor diesem Hintergrund bestellten wir uns in den Verlag einen HDR10+-tauglichen TV unterhalb der 1000-Euro-Klasse vom Typ Panasonic TX-49FXW784. Doch das Ergebnis blieb gleich: Die HDR10+-Fassung sah nicht anders aus als die HDR10-Version. Einziger Unterschied: Am UHD-Player Panasonic DP-UB824 als Zuspieler ließen sich unter HDR10 zusätzliche HDR-Einstellungen vornehmen, unter HDR10+ nicht.

Denkbar ist, dass Fox mit „Alita: Battle Angel“ die erste Disc herausbringt, bei der es einen sichtbaren Unterschied zwischen HDR10+ und HDR10 gibt – oder vielleicht Warner oder Universal, die auch HDR10+-Titel angekündigt haben. Sollte sich jedoch herausstellen, dass das Maximum bei HDR10+ erreicht ist, wenn das Bild so aussieht wie bei HDR10, müssen sich die Verfechter des Formats im Nachhinein fragen lassen, wieso sie HDR10+ als Alternative zu Dolby Vision beworben haben. Und Nutzer, die sich daraufhin zum Kauf von 4K-TVs mit HDR10+-, aber ohne Dolby-Vision-Unterstützung entschieden haben, dürften sich dann zu recht verschaukelt fühlen.

Dieser Artikel sstammt aus c't 13/2019 (nij)