Teamwork im Netz

Wer gleichzeitig mit anderen an Texten und Dateien arbeiten will, dem hilft Online-Groupware: Sie verwaltet Dokumente und registriert Änderungen, erinnert an Termine und bietet Foren zum Gedankenaustausch, alles komplett im Browser. Neuartige Teamwork-Dienste wie Google Wave wollen sogar E-Mail und Instant Messaging ablösen.

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Inhaltsverzeichnis

Bei der hauseigenen Google-Entwicklerkonferenz I/O im Mai 2009 kündigte der Entwickler Lars Rasmussen an, man habe etwas namens Google Wave programmiert, und das funktioniere in etwa so „wie E-Mail, wenn man sie heute erfinden würde“ – und nicht, wie tatsächlich geschehen, vor vierzig Jahren. Was Rasmussen und seine Kollegen anschließend vorführten, sollte die Funktionen von Mail, Chat, Foren, Webumfragen, Online-Fotoalben und Groupware verschmelzen und damit eine ganze Palette von konventionellen Werkzeugen überflüssig machen. Besonders beeindruckend: Eine Nachricht, die Rasmussen der Produktmanagerin Stephanie Hannon schrieb, tauchte praktisch live auf deren Bildschirm auf; noch während der Wave-Vordenker seinen Satz zu Ende tippte, konnte die Empfängerin mit ihrer Antwort beginnen und sogar direkt den Ursprungstext verändern.

Dank Google Wave kann man direkt im Browser chatten, diskutieren, Fotoalben frei geben und gemeinsam betrachten, Umfragen starten, planen und nicht zuletzt gemeinsam und gleichzeitig an Texten feilen.

Zwar kann man sich nach wie vor nur auf Einladung bei dem Webdienst anmelden. Anfang Dezember meldete Google aber bereits die erste Million Zugangsberechtigter, sodass sich immer mehr Anwender selbst ein Bild davon machen können, ob das Ganze nun tatsächlich das ist, worauf die Welt gewartet hat oder eher eine Lösung auf der Suche nach dem passenden Problem. Eins ist klar: Was man heute als Google Wave zu sehen bekommt, ist eine frühe Vorschau (early preview) auf eine mögliche Bedienoberfläche des Dienstes und bleibt noch weit unter dessen prinzipiellen Möglichkeiten und auch hinter Googles Ankündigungen zurück.

Noch vor kurzem waren Anwendungen eine Überraschung, die komplett im Browser liefen und sich trotzdem ganz ähnlich anfühlten wie auf dem eigenen Rechner installierte Programme. Heute bieten solche Webdienste in vielen Fällen eine ernstzunehmende Alternative zu lokaler Software. Für ein Team, das vielleicht über den Globus verteilt sitzt und trotzdem zusammenarbeiten muss, drängt sich die Wahl einer webbasierten Groupware geradezu auf. Denn hantiert die Arbeitsgruppe stattdessen mit konventionellen, lokal installierten Werkzeugen, kann sich niemand ganz sicher sein, von allen Daten und Dokumenten wirklich die jüngste Kopie auf dem eigenen Computer vorliegen zu haben. Stets auf dem neuesten Stand hingegen ist die frei übers Web zugängliche Projektzentrale, die gemeinsame Dokumentordner und Kalender, Foren für Diskussionen und Strukturen fürs Wissens- und Ideenmanagement bereitstellt, die alle Mitglieder des Teams stets mit aktuellen Projektplänen versorgt, an Aufgaben oder Termine erinnert und vieles mehr.

Der Zugang übers normale Internet ohne VPN macht auch Außendienstmitarbeitern ihr Leben auf Achse leichter. Für Sicherheit beim Einloggen per Laptop über öffentliches WLAN sorgen verschlüsselte Verbindungen. Mancher Dienst liefert auch einen Client für Smartphones, der im Twitter-Stil meldet, was sich in der Projektzentrale gerade tut.

Ein weiterer Vorteil webbasierter Gruppenarbeit: Man muss nicht in eigene Server-Hardware investieren und eine IT-Infrastruktur aufbauen und absichern, sondern meldet sich bei einem Teamwork-Webdienst von der Stange an und richtet ihn sich passend ein. Deshalb lohnt sich der Einsatz schon für kleinste Teams und begrenzte Zeiträume und damit etwa Forschergruppen, kleine Unternehmen oder kleine Gruppen in mittleren Unternehmen. Auch für Freiberufler, die sich ad hoc für ein Projekt zusammentun, sowie für Privatanwender sind die Angebote interessant – viele der im Folgenden vorgestellten Webdienste bieten auch eine dauerhaft kostenlose Basisversion an. Die Bedürfnisse solcher überschaubaren Teams bilden den Fokus unserer Artikel, weshalb keine Rede ist von Angeboten, die für jeden Kunden individuell eingerichtet werden müssen oder die erst in Konzernen ihre vollen Qualitäten entfalten.

Was einem Team nützt, hängt entscheidend davon ab, was als Endprodukt des gemeinsamen Schaffens herauskommen soll. Wenn Sie eine Konferenz organisieren, brauchen Sie eine kommunikationsstarke Lösung; schreiben Sie gemeinsam an einem Projektbericht, sind eingebaute Videokonferenzen und Live-Chat weniger wichtig als ein zuverlässiger Schutz vor Versions-Chaos, wenn zwei Teamworker gleichzeitig dasselbe Dokument bearbeiten. Von Ordnungssinn und Hierarchiegedanken geprägte Firmen und Institutionen hingegen begrüßen es, wenn das gemeinsame Online-Büro differenzierte Rollen und abgestufte Berechtigungen vorsieht, sodass viele zwar manches einsehen, aber nur Ausgewählte vieles davon auch verändern oder – manchmal noch wichtiger – löschen dürfen.

Als Leitbild der Gegenkultur, der Zusammenarbeit ohne Hierarchie und Hemmschwelle, hat sich in den letzten Jahren das Wiki etabliert. Die Idee: Ohne viel Aufwand darf jeder Online-Inhalte direkt im Browser verändern und ergänzen, sodass durch vieler Hände Arbeit aus kleinsten Textschnipseln nach und nach ein großes Ganzes entsteht – es muss ja nicht immer eine komplette Web-Enzyklopädie wie Wikipedia sein. Viele Teamwork-Dienste nehmen diesen demokratischen Grundgedanken auf. Zwar darf dort nicht jeder x-beliebige Surfer an den Dokumenten einer Arbeitsgruppe rumfummeln, aber wer einmal explizit ins Team eingeladen wurde, kann an den meisten Stellen Hand anlegen. Solche Lösungen eignen sich für einen kreativ-chaotischen Arbeitsstil; die Unterscheidung zwischen „meiner“ und „deiner“ Datei wird dabei mindestens verwischt, wenn nicht gar ganz verworfen.

Google Wave ist nicht der einzige Webdienst, der vorsieht, dass mehrere Nutzer live und fast in Echtzeit am selben Text oder sogar am selben Satz herumdoktern können. Auch der mehrbenutzerfähige Online-Texter Etherpad beherrscht diesen Trick und wurde samt Firma prompt von Google übernommen – der Konzern will mit den neu eingekauften Entwicklern das eigene Projekt voranbringen. Einige lokal installierte Texteditoren wie SubEthaEdit, Gobby oder MoonEdit können ebenfalls mit Live-Zusammenarbeit aufwarten. MoonEdit verfügt übrigens schon seit Jahren über einen Schieberegler, mit dem man zu älteren Dateiversionen zurückkehren oder die gesamte Entwicklung des Textes im Zeitraffer rekapitulieren kann – für ein praktisch identisches Schieberchen erntet Google Wave jetzt viel Aufmerksamkeit.

Der Vorteil der Echtzeit-Kooperation: Konkurrierende Versionen eines Textes sind damit ausgeschlossen, trotzdem muss keiner warten, bis die anderen ihre Gedanken zu druckreifer Form entwickelt haben. Das Tempo ist höher, potenziell kommt man schneller zum Ergebnis. Der Nachteil: Wer aus den Augenwinkeln dauernd fremde Buchstaben erscheinen sieht, kann sich schlecht konzentrieren; zudem richten destruktiv veranlagte Kollegen beim hitzigen Ringen um die perfekte Formulierung schnell bleibenden Schaden am Dokument und am Betriebsklima an.

Gemeinsames Editieren setzt voraus, dass man sich gegebenenfalls auf neue Regeln einigt: Schreibt man alles in ein Online-Dokument oder baut man das Endprodukt lieber aus kleinen Einheiten zusammen? Legt man eigene Diskussionsstränge an, getrennt vom Text, an dem man gemeinsam arbeitet, auch wenn der benutzte Dienst sich auf die Fahnen geschrieben hat, diese Trennung aufzuheben? Wie viel darf jeder am Text des Kollegen ändern und löschen, ohne vorher nachzufragen? Solche Absprachen helfen, auch Mitarbeiter ins Boot zu holen, die der neuen Art von Zusammenarbeit kritisch gegenüber stehen.

Die Alternative zu solchem kreativen Chaos besteht darin, nur einen Bearbeiter zur Zeit zuzulassen, alle anderen können den Text lediglich lesend öffnen. Die meisten Wiki-Engines und die Mehrheit der Teamwork-Plattformen arbeiten nach diesem Prinzip. Fast zwangsläufig greifen die Entwickler zu solchen Sperr-Mechanismen, wenn die Texte und Tabellen vom Team-Server nicht mehr direkt im Browser, sondern mit Anwendungen bearbeitet werden, die lokal auf dem Rechner des jeweiligen Mitarbeiters installiert sind. Manchmal greift die Sperrfunktion automatisch, wenn jemand eine Datei mit Schreibzugriff öffnet, manchmal reserviert man sich die vorübergehenden Exklusivrechte per Mausklick, was oft auch als Check-out bezeichnet wird. Eine solche Sperre sorgt für klare Verhältnisse, wer gerade wo dran ist. Müssen aber viele häufig eine breite Palette von Dokumenten anfassen, brockt ein vergessener Check-in vor dem verlängerten Wochenende den Kollegen Ärger ein.

Um praxistauglich zu sein, sollten Teamwork-Plattformen alle Online-Dokumente und in die Projektzentrale hochgeladenen Dateien entweder durch Locking-Mechanismen schützen oder per Mehrbenutzer-Editor für alle gleichzeitig zur Bearbeitung freigeben. Ansonsten setzt sich in der Regel die Fassung dessen durch, der zuletzt speichert. Zwar halten die meisten Teamwork-Plattformen ältere Versionen von Dateien und Online-Dokumenten vor, aber aus zwei abweichenden Zuständen eine konsistente Fassung zusammenzubauen kostet wieder Zeit und Nerven. Vor allem muss erst einmal jemandem auffallen, dass ein solcher Konflikt aufgetreten ist – aktiv weist kaum eine Plattform darauf hin. Je länger in der Versionshistorie die unfreiwillige Spaltung zurückliegt, umso aufwendiger gerät die Wiedervereinigung.

Selbst wenn sauber implementiere Sperrmechanismen solche Unfälle vermeiden, hat der Weg ins Web noch einen grundsätzlichen Haken: Die womöglich hochsensiblen Projektdaten liegen versammelt auf dem Server eines Dienstleisters statt im Firmennetz, dessen Sicherheit ein Unternehmen selbst in der Hand hat. Ob ein Webdienst-Anbieter eine eigene Serverfarm betreibt und wie der diese gegen Hacker und Einbrecher sichert, kann der Kunde kaum selbst überprüfen – er muss der Firma einfach Glauben schenken, wenn die auf ihrer Webseite mit „militärischen Sicherheitsstandards“ und „24-Stunden-Überwachung per CCTV“ prahlt.

Falls es nicht vertraglich explizit ausgeschlossen ist, muss man in den Zeiten von Cloud Computing zudem stets damit rechnen, dass der Anbieter auf weitere Dienstleister zurückgreift, sobald ihm der Speicherplatz ausgeht. Spätestens dann lagern die Daten wahrscheinlich im Ausland, wo für Datenschutz und zur Kooperation mit Ermittlungsbehörden ganz andere Bestimmungen gelten als hierzulande. Als Alternative bieten manche Betreiber ihren Großkunden an, den physischen Team-Server in deren Intranet einzurichten. Auch Wave soll eines Tages zur Installation auf dem eigenen Server zur Verfügung stehen, ein Novum für den Internetkonzern Google.

Trotz der eventuellen Sicherheitsbedenken ergibt es aus rein praktischen Erwägungen Sinn, alles Wichtige für ein Projekt an einem zentralen Ort zu sammeln. Ein alltagstauglicher Teamwork-Webdienst muss aber auch Schnittstellen nach außen bieten und zumindest etablierte Kanäle wie die noch längst nicht schrottreife E-Mail einbinden. Google Wave als die wohl derzeit radikalste Abkehr von allem, was den Alltag der erdrückenden Mehrheit von Computernutzern bestimmt, verhält sich in dieser Beziehung nachgerade egozentrisch: In der Grundversion gibt keine Mail, kein RSS-Feed oder Ähnliches den entscheidenden Tipp, wenn sich in einer Wave gerade wieder was Spannendes getan hat. Der Waver von Welt muss also aktiv seine Inbox checken, genauso routinemäßig wie er in die Mail, den Instant Messenger und den RSS-Reader schaut oder Facebook, Twitter und heise online nach Neuigkeiten abgrast. Freilich kann er auch seinen Firefox mit einer passenden Erweiterung ausrüsten oder zu alternativen Clients wie Waveboard für Mac OS X und iPhone greifen.

Die meisten Alternativ-Angebote geben sich weniger zugeknöpft. E-Mail-Übersichten über jüngste Änderungen in der Teamzentrale, iCal-Feeds für Termine oder sogar eine komplette Outlook-Kopplung verzahnen die Projektplattform mit den gewohnten Werkzeugen der Nutzer. Für jemanden, der sich bisher noch nicht endgültig einem anderweitigen Online-Kalender oder einer To-do-Listen-Verwaltung verschrieben hat, schnüren die meisten Angebote ein durchaus brauchbares Rundum-Sorglospaket in Sachen Planung und Koordination.

Die auf den folgenden Seiten vorgestellten Angebote unterstützen die gemeinsame Arbeit an Dokumenten und Ideen aktiv, vereinen dies aber auch mit Kommunikationsformen wie Chat, Mail und Foren sowie Termin- und Aufgabenplanung unter einem Dach oder versuchen gar, das alles zu etwas Neuem zu verschmelzen. Natürlich spricht auch nichts dagegen, fürs Teamwork alternativ mehrere spezialisiertere Online-Angebote und lokal installierte Tools zu kombinieren. Firmen wie Zoho, Google oder Adobe mit seiner Plattform Acrobat.com bieten jeweils ein ganzes Portfolio von Webdiensten an, die gemeinsam ebenfalls ein zentrales Teambüro abgeben können. Übrigens lassen die jeweiligen Textverarbeitungen Zoho Writer, Google Text & Tabellen und Adobe Buzzword ebenfalls mehrere Autoren zur gleichen Zeit zu, verteilen die Änderungen aber deutlich seltener im Kollegenkreis als Google Wave.

Von diesen Diensten war in c't bereits ausführlich die Rede, ebenso von Wikis und wie man sie erfolgreich in Arbeitsgruppe und Unternehmen einführt, von Projektmanagement-Lösungen, PIM-Systemen zur gemeinsamen Terminplanung, Instant Messengern, Video- und Webkonferenzlösungen und Spezialitäten wie sozialen Netzwerkern für Wissenschaftler. Eine ausführliche Literaturliste erreichen Sie über den c't-Link unten. Auch Großprodukte wie Lotus Notes und Sharepoint machen sich beim Teamwork übers Netz nützlich. Wir haben uns dennoch entschieden, statt diesen alten Bekannten die folgenden Seiten lieber den jungen Wilden unter den Online-Groupwares zu widmen. Samt und sonders wurden sie noch nie zuvor in c't vorgestellt, sodass auch alte Teamwork-Hasen viele neue Bekanntschaften schließen werden.

www.ct.de/1002112

Artikel zum Thema "Teamwork im Netz" finden Sie in der c't 2/2010:
Gemeinsam planen und Dokumente verfassen S. 112
Webdienste als Projektzentralen im Browser S. 116
Google Wave kommt ins Rollen S. 122

(pek)