Technische HintergrĂĽnde zum Galaxy-Fold-Desaster
Mit dem Galaxy Fold wollte Samsung Falthandy-Primus werden. Eklatante Designmängel führten stattdessen direkt ins PR-Desaster. Wir erklären, wo die technischen Macken des Fold liegen.
Erste Tests von Redakteuren und Influencern, denen Samsung das Smartphone Galaxy Fold zur VerfĂĽgung gestellt hat, waren ein Desaster: Etliche der faltbaren OLED-Displays zeigten schon nach wenigen Stunden schwere Fehler. Die organischen Schirme im 2000 Euro teuren Smartphone flackerten, hatten defekte Pixel oder fielen sogar ganz aus. Am Ende holte der Hersteller die defekten Handys zurĂĽck, verschob den Verkaufsstart des Galaxy Fold auf unbestimmte Zeit und ĂĽbte indirekt Druck auf die Tester von iFixit aus, ihren Bericht ĂĽber die Bestandteile des Galaxy Fold, den sogenannten Teardown, von der Website zu entfernen.
In einer Stellungnahme erklärte Samsung, dass einige der Defekte und die Substanzen, die im Innern des Handys gefunden wurden, mit den freiliegenden Bereichen an den Scharnierenden zusammenhängen könnten – eine recht vage Formulierung angesichts der Bilder, die einige Tester im Internet veröffentlicht haben. Sie zeigen deutlich, dass zwischen dem empfindlichen Display und dem robusten Scharnier Luftspalte liegen, in die Fremdkörper eindringen können.
UngeschĂĽtzte Ă–ffnungen
Werden kleine Partikel durch den Faltvorgang am Scharnier eingeklemmt, drücken sie von unten gegen das Display. Genau das passierte bei einigen Testern: Ihr Display wölbte sich in Scharniernähe über eingedrungenen Krümeln, diese bohrten sich in das Display, was durch Berühren der nun unebenen Stelle am Touch-Display noch verstärkt wurde. In der Folge fielen an dieser Druckstelle Pixel aus.
Während es am LCD wahrscheinlich bei den aufgefallenen Zellen geblieben wäre, war es mit dem OLED wenig später komplett vorbei – es wurde quasi über Nacht schwarz. Organische Leuchtschichten müssen hermetisch gegen Luft und Feuchtigkeit abgeschirmt sein. Wird diese Sperre unterbrochen, gelangt Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit an die Leuchtschicht und zerstört diese.
Einen ähnlichen Effekt hatte auch ein kurioser Fehler einiger Tester: Sie entfernten eine vermeintliche Schutzfolie, wie sie im Auslieferungszustand auf fast allen Smartphone-Displays sitzt. Nur dass es sich diesmal um einen wesentlichen Bestandteil des Fold handelte, der auf keinen Fall zum Abziehen gedacht war. Das hatte Samsung nicht kommuniziert.
In den Bildern erkennt man auch, dass die Schutzfolie nicht bis unter die Randabdeckung reicht – das verleitet zum Knibbeln und dürfte auf längere Sicht auch ohne manuelle Eingriffe dazu führen, dass sich der Folienrand ablöst. Samsung hatte die Deckfolie mit einem Spezialkleber auf der Displayoberfläche fixiert. Die starken Kräfte, die beim Abziehen auf die darunterliegende Schutzsicht ausgeübt wurden, zerstörten wiederum den Schutzschild gegen äußere Einflüsse und damit die organische Leuchtschicht.
Die (versehentlich abgezogene) Polymerschicht war eine extra für das Galaxy Fold entwickelte Schutzfolie, zu der Samsung in einer ersten Präsentation erklärt hatte, die Deckschicht bekomme zwar auch Kratzer und Macken, diese würden den Bildeindruck aber nicht beeinträchtigen – eine interessante Formulierung für die Nachteile einer Plastikabdeckung gegenüber dem recht kratzfestem Spezialglas auf nicht-faltbaren Displays.
The Verge wies auf einen weiteren Aspekt des aufgeklappten OLEDs hin: Zwischen der rechten und der linken Schirmhälfte trat eine kleine Latenz auf, wenn Fenster auf der Schirmfläche bewegt werden. Demnach wird das Display nicht wie üblich in einem Rutsch über die komplette Breite angesteuert, sondern die Daten in beiden Displayhälften über Flachbandkabel an die Spaltentreiber geführt und diese nicht synchron betrieben. Das erklärt auch einen Effekt, den Tester Steve Kovach erlebte: Bei seinem Galaxy Fold flackerte die eine Hälfte des Schirms, während die andere ein stabiles Bild zeigte. Hier hatte sich möglicherweise das für die linke Hälfte zuständige Flachbandkabel gelockert.
Unzureichende Erprobung
Die von Samsung versprochenen 200.000 Faltzyklen könnten angesichts der stabilen Mechanik durchaus passen, wie iFixit bei seinem Teardown feststellte. Allerdings hat der Hersteller in seinen eigenen Tests nicht berücksichtigt, dass Menschen das Smartphone anders bedienen als die im Video gezeigten Faltroboter im sauberen Labor.
So verdeutlichten schon die wenigen Online-Berichte, dass einige Nutzer das Display beim Zusammenklappen nicht exakt mittig anfassen, wodurch Scherkräfte entstehen. Andere drücken es nur an den Ecken zusammen, was das OLED ebenfalls ungleichmäßig belastet. Beim Aufklappen werden viele Nutzer in das Smartphone wie in ein Buch hineinfassen und dadurch einen nicht unerheblichen Druck auf das empfindliche OLED ausüben. Die Roboter im Samsung-Labor falteten das Smartphone dagegen stets sorgfältig und mit immer derselben gleichmäßig verteilten Kraft zusammen und auseinander. Die vielen tausend Stunden Falttest bei Samsung erscheinen unter diesen Gesichtspunkten sehr praxisfern.
Die Eigenheiten der extrem empfindlichen organischen Leuchtschicht kennt der koreanische Hersteller sehr genau, schließlich produziert er jährlich über 400 Millionen Stück davon. Dass die Samsung-Ingenieure die potenziellen Probleme durch am Scharnier eindringende Partikel nicht erkannt haben, scheint ebenfalls wenig realistisch. Entweder es war purer Übermut oder der Druck durch die chinesische Konkurrenz war so groß, dass sich das koreanische Management entschloss, das Galaxy Fold zum jetzigen Zeitpunkt auf den Markt zu werfen. Der Wunsch, schneller als die Konkurrenz zu sein (Huawai will im Sommer ein Faltphone herausbringen), war offenbar stärker als alle Warnungen. Anders lässt sich das PR-Desaster mit dem Galaxy Fold – keine drei Jahre nach dem spektakulären Akkuproblem des Galaxy Note 7 – kaum erklären.
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(uk)