Stephan Ehrmann

Preisbrecher

Low-Cost von Apple: Power Mac 4400

Da schau her! Zwölf Jahre hat´s geheißen: `Ein Macintosh ist halt immer etwas teurer´, und auf einmal kann Apple auch ganz anders: Der neue Power Macintosh 4400 kostet glatt 800 Mark weniger als ein halbwegs vergleichbarer DeskPro 2000 von Compaq und stiehlt sogar manchem Discounter-Schnäppchen die Preis-Show. Dabei ist er aber ein echter Mac, perfekt konfiguriert und mit lückenlos installierter Betriebssoftware.

Unterthema: Benchmarks
Unterthema: Prüfstand Power Mac 4400

Diesen Preisbrecher hat Apple nach einem scheinbar simplen Rezept zusammengerührt: Man nehme dieselben billigen Komponenten, aus denen die Mainstream-PCs gefertigt werden, und kombiniere sie mit dem kostengünstigsten Apple-Motherboard. Netzteil, On-Board-Grafik (von ATI), EIDE-Platte (Seagate ST31276A, 1,2 GByte), ATAPI-CD-Laufwerk (Matsushita, 8fach) könnten ebenso gut in einem Wintel-Rechner stecken und gälten dann als ordentliche Normalausstattung. Sie sind als Massenprodukte offenbar doch um die entscheidenden Dollars billiger als die gewohnten Apple-Komponenten.

Dennoch, es bleibt ein Rätsel, wie Apple mit dem bestehenden Kostenapparat eines Markenherstellers einen solchen Preis-Limbo zustande bringt, denn im übrigen steht der Power Macintosh 4400 den teuereren Desktop-Modellen kaum nach: 160-MHz-PowerPC 603e, 16 MByte EDO-RAM, 16-Bit-Soundchip, externer SCSI-Anschluß und drei freie PCI-Steckplätze - da hat der Rotstift keine erkennbaren Spuren hinterlassen.

Trotz Low-Budget-Produktion erlaubt sich Apple keine Laxheit bei der Integration der untypischen Komponenten. Daß im 4400er IDE- statt SCSI-Laufwerke arbeiten, merkt der Anwender überhaupt nicht; alle gewohnten Funktionen sind wie selbstverständlich vorhanden. Booten von der CD-ROM oder von einem externen SCSI-Laufwerk ist natürlich ebenso möglich wie das Lesen der verschiedensten CD-Formate und der digitale Import von Audio-Daten. Die eingebaute Grafikhardware arbeitet gegebenenfalls im Zwei-Monitor-Betrieb mit einer zusätzlich eingesteckten Grafikarte zusammen, läßt sich aber auch problemlos desaktivieren.

Neues aus Tanzania

Bei genauerem Hinsehen fanden wir dann aber doch ein paar Stellen, an denen der Sparkommissar sich `verewigt´ hat: Etwa bei der Entscheidung, den Prozessor direkt auf das Motherboard zu löten. Ein Upgrade auf den schnelleren 604e ist damit verbaut. Auch zählt das `Tanzania´-Board aus Co-Entwicklung mit Motorola, das bereits in deren StarMax-Reihe [1] eingesetzt wird, nicht gerade zu den schnellsten. Der Bustakt beträgt generell nur 40 MHz, der PCI-Bus wird asynchron mit 33 MHz betrieben. Speicher-`Interleaving´, wie bei den teureren PCI-Macs, beherrscht der PSX-Controller nicht. Der Hauptspeicherdurchsatz kann sich aber trotzdem sehen lassen; er liegt - offenbar dank EDO-Technik - in derselben Größenordnung wie bei einem Power Mac 9500.

Bei den RAM-Bausteinen wurde dagegen eine Sparchance vertan: Sie bestehen aus EDO-DIMMs (168polig, 3,3 V, ungepuffert), die seltener und deutlich teurer sind als etwa PS/2-SIMMs. Ein 16-MByte-Modul kostet zur Zeit rund 300, ein 32-MByte-Modul rund 500 Mark. Die mitgelieferte Grundausstattung besteht aus einem Single-Bank-Modul, die freien Slots lassen auch Dual-Bank-DIMMs zu. Da der Rechner nur Module mit maximal 32 MByte akzeptiert, ergibt sich eine Maximalausstattung von 96 MByte. Die in anderen Apple-Rechnern verwendeten Page-Mode-DIMMs passen schon mechanisch nicht.

Gespart werden soll laut Apple auch am Second-Level-Cache, aber das läßt sich ja leicht ändern. Manche Händler, wie etwa Gravis, bieten den Rechner gar nicht erst ohne das ansonsten 200 DM teure 256-KByte-Modul an. Der Performance kommt der Cache sehr zugute, wie unsere Meßergebnisse zeigen.

Eine im 90°-Winkel zum Motherboard sitzende Riser Card bietet drei PCI-Slots. Die beiden unteren sind für lange Karten geeignet, in den obersten kann man nur eine 7"-Karte stecken. Diese Einschränkung dürfte aber kaum noch ins Gewicht fallen, fast alle PCI-Karten am Markt begnügen sich mit dem kurzen Format.

Tanzania sieht sogar den Anschluß eines MFM-Diskettenlaufwerks vor - ein Macintosh-Novum. Allerdings ist der passende Sockel auf dem Board des 4400 nicht aufgelötet, vielleicht möchte sich Motorola dieses `Feature´ vorbehalten. Jedenfalls ist der passende Treiber laut Apples Entwicklerabteilung bereits im ROM enthalten.

Bildermacher

Der 64bittige Grafikbeschleuniger von ATI (264VT-S2) sitzt auf dem Board und muß sich in der Default-Konfiguration mit 1 MByte EDO-RAM begnügen. Das reicht aber immerhin für 800 × 600 Pixel bei 16 Bit Farbtiefe und maximal 1152 × 870 Pixel bei 256 Farben. Wer mehr will, kann bis zu 4 MByte SGRAM/SDRAM (3,3 V) oder EDO-RAM (5 V) einsetzen und erreicht damit 24-Bit-Farbtiefe bei bis zu 1024 × 768 Pixeln. Alle Auflösungen bieten flimmerfreie 70 und 75 Hz. Leider hat das Board nur einen Video-RAM-Steckplatz, zum Aufrüsten muß man den vorhandenen Speicher also ersetzen. Wer die Wahl hat: SDRAM - respektive SGRAM - ist bei sämtlichen Grafikanwendungen etwas schneller als EDO-Speicher. Was die Module kosten werden, ließ sich zum Redaktionsschluß nicht erfahren.

Was den Video-Anschluß betrifft, hält Apple stur am eigenen Konzept fest: wer einen PC-Monitor an der 15poligen DSub-Buchse betreiben möchte, braucht einen Adapter.

Obwohl der `Cuda´-Controller auf Tanzania neben ADB auch PS/2-Tastaturen und -Mäuse verstehen könnte, hat Apple die passenden Buchsen nicht vorgesehen. SCSI gibt es lediglich extern (SCSI-1, max. 5 MByte/s). Der IDE-Controller ist nach Mac-Spezifikation nicht für Master/Slave-Betrieb vorgesehen, sondern bedient nur eine Festplatte und ein CD-Laufwerk. Daher bleibt ein Laufwerksschacht im Gehäuseinneren ungenutzt. Für fünf Mark mehr hätten die Entwickler einen internen SCSI-Anschluß ermöglichen können; das geht allerdings auch mit einem kleinen Trick (siehe Praxistip auf Seite 261).

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IDE-Festplatte, ATAPI-CD-Laufwerk, PC-Netzteil und EDO-RAM im PC-Blechkleid: Apple setzt beim Power Mac 4400 auf Spardesign.

Die eingebaute IDE-Platte ist mit rund 3,5 MByte/s beim Schreiben und rund 3 MByte/s beim Lesen (Durchschnittswerte laut HDT Bench) nicht auf dem aktuellsten Stand. Daß sie angenehm leise läuft, bemerkt man leider gar nicht. Denn der zweite Lüfter an der Gehäusefront ist unnötig groß und nicht temperaturgeregelt, und das 8fach-CD-Laufwerk brummt unangenehm.

Fazit

Teure Topmodelle bringen zwar Renommee und Profit, aber kaum Marktanteil; das mußte Apple in den vergangenen zwei Jahren schmerzhaft erfahren. Mit dem 4400 hat Apple erstmals einen Rechner weitgehend aus PC-Komponenten zusammengebaut und damit erfolgreich nachgeahmt, was Lizenznehmer wie Power Computing oder Motorola bereits vorführten. Aber nicht nur diese sehen sich unerwartetem Preisdruck ausgesetzt. Der neue 4400 könnte auch manchen Wintel-Konkurrenten mit den eigenen Waffen schlagen. Leider will Apple das chancenreiche Einsteigermodell nur in Europa und nur in limitierter Stückzahl anbieten - das soll noch einer verstehen ... (se)

Literatur
[1] Stephan Ehrmann, Vorausahmer, Neue Performance-Rekorde bei Macintosh-Clones, c't 11/96, S. 22

[2] Stephan Ehrmann, Heimarbeiter, Apples PCI-Performas im Detail, c't 10/96, S. 130

Kasten 1


Benchmarks

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Kasten 2


Power Macintosh 4400

Hersteller Apple Computer, Ismaning
Ausstattung PowerPC 603/160 MHz, kein L2-Cache, 16 MByte EDO-RAM (erweiterbar auf 96 MByte), ATI-On-Board-Grafik mit 1 MByte Video-EDO-RAM (erweiterbar auf 4 MByte), 1,2-GByte-IDE-Festplatte (Seagate ST31276A), 8fach-ATAPI-CD-Laufwerk (Matsushita CR-583-B), Floppy, Tastatur und Maus, Schnittstellen: 2 × GeoPort, ADB, Sound in/out, SCSI, Monitor; Systemsoftware
Preis ca. 2500 DM (im Handel z. T. inkl. L2-Cache u. Software)