mermar schrieb am 16.02.2019 13:53:
Ich hab selbst mehrere Jahre in Katalonien gelebt. Ich weiss dass die Katalanen versuchen die Schluesselpositionen in der Gesellschaft untereinander aufzuteilen und dass sie darauf bestehen sich auf katalanisch zu verstaendigen. Aber genau die selbe Einstellung praegt auch die Spanier gegenueber allem was Englisch ist. Die uebersetzen dort sogar den Namen der englischen Koenigin. Die heisst dort nicht "Queen Elizabeth" oder einfach nur "la queen" sondern "la reina Isabela". Wir nennen hier den Felipe oder den Juan Carlos nicht Philip oder Johann Karl. Wer den Katalanen das Recht absprechen will in Katalonien das Katalanische besonders zu foerdern, der darf auch nicht das Recht beanspruchen das selbe mit dem Kastilischen im restlichen Spanien zu machen.
Ich weiss nicht wann du in Katalonien gelebt hast, richtig übel ist es erst seit ca. 6-7 Jahren, krass seit rund 4 Jahren. Diesen verkrampften Regional-Nationalismus gab es auch davor schon immer, man konnte sich damit jedoch meist arrangieren.
Klar, das wirkt auf deutschsprachige gewöhnungsbedürftig bis lustig wenn Spanier konsequent versuchen alle Eigennamen, also auch Personennamen zu übersetzen. Die linguistische Erklärung hierfür ist mir nicht bekannt, mit Respektlosigkeit hat das jedoch garantiert nichts zu tun. Wird in anderen Sprachen übrigens auch gemacht, in Prag wurde ich z.B. mal nach einer gewissen Merkelová gefragt :)
Niemand in Spanien will den Katalanen ein Recht auf Förderung der katalanischen Kultur und Sprache verbieten, laut Umfragen sind in Katalonien gerade mal 0,8% dafür, dass in den Schulen ausschließlich spanisch unterrichtet wird und katalanisch als "Fremdsprache". Heißt, auch alle "Unionisten" in Katalonien sind gegen solche Radikalmaßnahmen. Über diese Dinge gibt es längst einen vernünftigen gesellschaftlichen Konsens. Die angeblichen spanischen Unterdrücker der katalanischen Kultur sind eine Erfindung der Separatisten und ein Vorwand ihrerseits diesen leidigen Sprachfaschismus zu betreiben.
Ich finde es absolut nicht in Ordnung, wenn meine Kinder im Kindergarten und ersten Jahren der Grundschule ausschließlich in katalanischer Sprache "betreut" werden. Damit werden spanischen Muttersprachlern völlig ohne Not jede Menge Probleme aufgehalst (als hätte man auch so schon nicht genug). Eine dermaßen brutale sprachliche Inmersion hat man sonst nur noch in Grönland, die Eskimos geben aber wenigstens offen zu, dass sie nicht wollen dass ihre Kinder dänisch lernen, da sie dann erfahrungsgemäß schnell zum Festland rübermachen. Andere mehrsprachige Länder wie Kanada oder Schweiz handhaben das deutlich flexibler und relaxter. Normalerweise wird die (original) Muttersprache bis zu einem Alter von 6 Jahren gefördert um eine möglichst ideale, frühkindliche Entwicklung zu fördern. Die Eltern können je nach eigenen Lebensplänen über die Fördersprache entscheiden.
Das katalanische Erziehungskonzept sieht dagegen vor, alle Kinder alternativlos zu katalanischen Muttersprachlern zu machen. Wenn Erziehung für politische Zwecke missbraucht wird, ist es höchste Zeit dagegen zu kämpfen.
Meines Erachtens haben die Menschen in Katalonien genauso das Recht ueber ihr Schicksal zu bestimmen wie jedes andere Volk auch. Ich waer dafuer das so zu handhaben wie in Kanada oder im UK.
Ich war zwar schon in beiden Ländern, Hintergrundwissen über die dort abgehaltenen Referenden habe ich nicht, folgende Unterschiede fallen mir jedoch auf:
Es gab wohl auch in Schottland und Kanada vor den Referenden leichte Meinungmanipulationen, im Vergleich was in Katalonien abgeht, jedoch nicht der Rede wert. Das ist wohl aber auch einfach eine Mentalitätsfrage.
Ich habe nicht den Eindruck, dass es den Leuten in Canada und Schottland bei der Wahl um ihre Existenz ging, deshalb gab es auch die Übereinstimmung, dass eine einfache Mehrheit von z.B. 50,1% für eine Entscheidung ausreicht.
In Katalonien müssten bei einem Sieg der Separatisten mehrere Millionen Menschen umgehend umziehen, bzw. fliehen. Vermutlich gehört das zum Konzept der Indepes, da man auf diese Weise die zu erwartenden wirtschaftlichen Verwerfungen und damit verbundener Arbeitslosigkeit kurzfristig entgegensteuern könnte. Bei einem Sieg der Unionisten würde sich übrigens für die Indepes im Prinzip nix ändern, ein Risiko etwas zu verlieren tragen bei einem möglichen Referendum lediglich die Unionisten. Schlau eingefädelt ;)
Das "vergiftete" Informationsklima ist einfach nur ein Schauermaerchen. Jeder kann in Katalonien TVE schauen und jeder kann sich El Mundo und andere kastilisch-nationalistische Zeitungen aus Madrid im Internet anschauen oder sogar am Kiosk kaufen. Wenn die Katalanen diese Medien abdrehen wuerden, dann wuerde ich mich auf ihre Seite schlagen. Aber solange die spanischen Medien frei empfaenglich/kaeuflich sind, ist das alles nur ein billiger Vorwand.
Naive Sichtweise. Die spanische Regierung musste sogar eine Spezialabteilung einrichten, um die Fake-News-Maschine der Indepes zu bekämpfen. Übrigens klemmen sehr viele Katalanen spanische TV-Sender ab. Sogar in Hotels während der Fußball-WM (selbst erlebt). Da wo wir jetzt wohnen, kann man über die normale Antenne oft keine spanischen TV-Sender empfangen, katalanische Sender laufen problemlos. Meine Nachbarn glauben Indepes würden das absichtlich sabotieren, ich hab's erst nicht geglaubt, als dann jedoch während dem 155 der Empfang einwandfrei war, stimmts vermutlich doch!
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