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  • mordsDing boa eh

mehr als 1000 BeitrÀge seit 25.03.2005

Bevor wieder sinnfrei auf Adobe und deren Nutzer herumgehackt wird ...

Ich will Adobe hier ganz bestimmt nicht verteidigen. Wer jeden Tag mit diesem Krempel zu tun hat, hat genug Anlass, die glatte Wand hochzugehen. Sei es nun, dass irgend etwas nicht störungsfrei funktioniert oder eben die im Artikel genannten UmstÀnde. Ich finde die Politik Adobes sehr oft nur zum Kotzen.

Wenn ich dann aber immer wieder Kommentare lese wie:

selbst schuld
Stockholm Syndrom
dumme Nutzer
können ja einfach wechseln

dann weiß ich, dass die meisten Kommentatoren exakt null Ahnung von den Fakten und dem Arbeitsalltag Kreativer haben.

Blöderweise ist es so: man hat insbesondere als Auftragnehmer schier keine Wahl.

Eine ganze Branche arbeitet mit Adobe-Krempel. Solange nur PDF verlangt wird, spielt es tatsĂ€chlich keine Rolle, ob ich mit InDesign, Affinity Publisher, QuarkExpress oder Ă€hnlichen Programmen arbeite. Gleiches gilt fĂŒr Photoshop, Illustrator und andere.

Sobald aber – und das kommt tatsĂ€chlich öfter vor als der Laie sich das vorstellen kann – offene Daten verlangt werden, damit die Werbeabteilung des Auftraggebers oder die Agentur eventuell noch selbst Änderungen vornehmen können, ist es zwingend, sich auf einen Standard zu einigen. Und das ist heute eben leider Adobe. Wenn es nicht Adobe wĂ€re, wĂ€rs ein anderes Unternehmen.

Obwohl die vielen Programme verschiedener Anbieter untereinander teils kompatibel sind, Dateien, die ich in InDesign erstellt habe, also in Publisher geöffnet werden könnten, bedeutet das nicht, dass alle Formatierungen auch exakt so ĂŒbernommen wurden. Das weiß der Auftragnehmer in der Regel aber nicht. Er mĂŒsste praktisch beide Programme vorhalten und vergleichen. Oder er mĂŒsste fĂŒr jeden Auftraggeber in dem gewĂŒnschten Programm arbeiten. Das wĂŒrde wiederum bedeuten, dass ich als Auftragnehmer jedes mögliche Programm vorhalten und mich einarbeiten mĂŒsste. (Über Kosten wollen wir hier mal gar nicht erst reden).

Der eine Auftraggeber arbeitet und verlangt Adobe, der nĂ€chste Affinity, der dritte QuarkExpress, der vierte irgend eine seltene quelloffenen Software, der fĂŒnfte will Viva, der sechste Corel, der siebte ... und so weiter! Und das gilt dann fĂŒr jedes Programm – egal ob Layout, Bildbearbeitung, Grafikerstellung und viele andere.

Viele verschiedene Programme vorzuhalten und WĂŒnsche der Kunden bedienen zu können, hat zwar den Vorteil, dass Adobe von seinem hohen Ross geholt wird, was nicht nur ich extrem begrĂŒĂŸen wĂŒrde, hĂ€tte aber auch den Nachteil, dass Leute wie ich jedes dieser und weitere Programme kaufen und sich einarbeiten mĂŒssten und am Ende dann doch wieder nix zueinander passt. Was nĂ€mlich auch viele Außenstehende nicht wissen: Programme wie z. B. Photohop, InDesign, Illustrator bieten auch untereinander sehr praktische KompatibilitĂ€t, wie sie andere Programme meist nicht bieten. Das ist ein Zeit- und Kostenfaktor!

Wenn also immer wieder den Anwendern von Adobe-Software vorgeworfen wird, sie seien zu faul oder zu dumm zum wechseln, dann spricht daraus nur eine weitgehende Unkenntnis der Fakten und Gegebenheiten und des Alltags im grafischen Gewerbe.
Ich kenne keinen Kollegen, der die Politik Adobes begrĂŒĂŸt – eher hassen sie sie alle, aber es sind halt ganz praktische Vorteile fĂŒr eine ganze Branche, wenn ein Höchstmaß an KompatibilitĂ€t vorhanden ist. Und es sind eben auch ganz erhebliche Nachteile, wenn es lauter InkompatibilitĂ€ten gibt. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum sich Adobe ĂŒberhaupt durchsetzen konnte. Es wurden Standards und damit KompatibilitĂ€t geschaffen und die Branche hat die Vorteile erkannt und genutzt.

Ich wĂŒrde eine Lösung eher darin suchen, dass auch die Politik endlich begreift, dass Software elementarer Bestandteil des Funktionierens von Branchen ist und Hersteller sich daher aus vielfĂ€ltigen GrĂŒnden innerhalb gesetzlicher Grenzen zu halten haben. Und dazu gehört, dass sich diese Hersteller nicht einfach Freiheiten herausnehmen können sollten, die den Nutzer in Nachteil setzen und in seine PrivatsphĂ€re eindringen, Daten abzusaugen oder zu nutzen und weiterzuverwenden, ohne dass er seine ausdrĂŒckliche Zustimmung gibt.

Wir schaffen das bei Hardware, wo das Recht auf Reparatur endlich mehr Gestalt annimmt, also sollten wir das auch bei Software schaffen. Die Rechte der Kunden mĂŒssen gestĂ€rkt werden. Und das liegt auch im Interesse derer, die keine direkten Nutzer und Kunden sind.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.06.2024 17:24).

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