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  • kaiber5

240 Beiträge seit 28.11.2012

Ich schüttele grinsend den Kopf...

Ein Paradebeispiel für durchaus gut gewollt, aber...

Bei uns (Gymnasium, 1200 Schülerinnen und Schüler, ca. 100 Lehrkräfte) ist so ziemlich genau diese Struktur gewachsen:
* einen OpenSource Schulserver (linuxmuster.net - hatte ich im Referendariat kennengelernt)
* Moodle wurden dann von mir früh eingeführt (hatte ich im Studium kennengelernt)
* Nextcloud samt Collabora Office kam später dazu - zunächst nur als Test, ist geblieben
* BigBlueButton hatten wir ca. 1/2 Jahr vor der Pandemie eingebaut (inklusive Moodle-Plugin, so dass jeder Kurs auch automatisch ein virtuelles Pendant hatte)
* mehrere kleine Webdienste haben wir an den LDAP bzw. das AD später angeflanscht (einfach weil die Infrastruktur im Haus eh verfügbar war)
* alles war miteinander solide vernetzt - nicht, weil wir da irgendwas entwickelt hätten, sondern weil das zu den Stärken der gewählten Lösungen gehört - es gibt die entsprechenden Schnittstellen (als Beispiel: ein Moodle-Plugin, mit dem Collabora-Dokumente eingebunden bzw. als zu bearbeitende Aufgabe verteilt werden können)
* mit Version 4.3 von Moodle kam die lange angekündigte und von uns ersehnte Einbindung von Matrix/Synapse in Moodle. Nun haben alle Nutzer automatisch einen Chat-Account und die Gruppen aus Moodle (alle Klassen/Kurse) sind automatisch als Chaträume verfügbar - mit Moderationsfunktionen für die Lehrkräfte.

Jetzt kann man natürlich sagen: so kann doch niemand planen, das ist doch zusammengefrickelter Kram... Was aber in meinen Augen dauernd verloren geht: Dass das bei uns "gewachsen" ist, hat ja nicht nur eine technische Komponente. Es gab immer Diskussionen in den Gremien der Schule "wie machen wir das". Es gab Tests, es gab Diskussionen mit der Schulleitung, dem Schulträger. Es gab wenig Geld, um das umzusetzen - also auch die Serverinfrastrutur (bei uns ist ALLES in house) wuchs eben langsam mit den Bedürfnissen. Und was wir jetzt haben, ist eben aus vielen Gründen eine völlig runde Sache. Alle Produkte sind bekannt und werden genutzt - und das gerade WEIL die Widerstände ernst genommen und Alternativen erprobt wurden.

Hätte ich diesen Plan - selbst wenn ich im Kopf immer so 1-2 Jahre voraus war - zu Beginn meiner Tätigkeit auch nur angekündigt, hätte man mir die Aufgabe entzogen und traurig mit dem Kopf geschüttelt.
Heute schauen wir zurück und sind ungefähr so zufrieden, wie wir neugierig auf neues sind, was wir in unserem Schulnetzwerk anbieten (z.B. ein eigener KI-Server zum Testen, etc.).

Meine Lehren daraus - gerade, wenn ich so einen Artikel lese:
* plant Ihr da oben mal Eure Großprojekte - das dauert, kostet Unmengen und lässt viele, viele Fragen unbeantwortet. Und nach Jahren schaut man zurück und kratzt sich am Kopf...
* UNTERSTÜTZT endlich die Schulen, anstatt den lokalen Menschen dauernd Klötze vor die Beine zu werfen. Wie oft habe ich mir sagen lassen, dass wir unseren seltsamen Kram doch bitte einstampfen, es gäbe doch bald eh {hier irgendwas einsetzen, was nie so kam, wie angeündigt}. Wie oft wurde Software angekündigt, geliefert und kurz danach wieder durch andere Software ersetzt. Preise erhöht, Produkte abgekündigt... Ein Digitalpaket kam nach dem anderen. Aber Geld oder gar Stunden für schulinterne IT kein einziges Mal - ist ja zu teuer...
* nehmt die Schulen mit ihren Bedürfnissen ernst. Schulinterne IT-Entwicklung, Lehrerfortbildung, etc. Gebt dafür Zeit und Geld. Die Schulen sind nun mal der Ort, "wo es passiert". Und das kann man weder einmal jahrzehntlich abfragen, noch kann man den Schulen leichtfertig irgendwelche Lösungen "befehlen".
* nehmt die Produkte ernst, die es gibt. Entwickelt nicht dauernd tolle Dinge neu! Moodle hat z.B. die Idee des Materialtauschs so unheimlich weit voran getrieben - da braucht es nicht zwingend zentrale Plattformen (wobei die gut gemacht durchaus hilfreich sein könnten). Jede Schule könnte Problemlos spannende Lerninhalte bei sich anbieten - aber auch dafür benötigt man Ressourcen.
* vernetzt das, was da ist - und zwingt es nicht in eine "Vereinheitlichung". Achtet auf Schnittstellen und Standards - und macht endlich OpenSource zur Selbstverständlichkeit

Ich sehe bei Logineo vieles davon angerissen. Und doch versumpft irgendwie vieles in einem Gigaprojekt. Ich werde mich nach den letzten 10 Jahren von der "von-unten-Idee", von der Stärkung der Schulen und der Lehrkräfte nicht mehr abbringen lassen - und wenn man mich dazu zwingt, werde ich genüsslich in den Popcorn-Modus wechseln und halt etwas mehr Zeit haben, als ich es jetzt tue.

Insofern ja... ich will den Beteiligten weder guten Willen noch viele gute Entscheidungen absprechen. Dennoch würde ich sagen: es ist der grundsätzlich falsche Ansatz.

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