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  • Chaironea

mehr als 1000 Beiträge seit 30.10.2013

"Sollte dieses Buch überhaupt veröffentlicht werden?"

"Should This Book Be Published at All?"

So leitete Ross Anderson sein Buch direkt nach den Danksagungen ein.

Das, was er dort schreibt, hat meine persönliche Sichtweise auf IT-Security und insbesondere die Crypto Wars geprägt:

"There are people who believe that the knowledge contained in this book should not be published. This is an old debate; in previous centuries, people objected to the publication of books on locksmithing, on the grounds that they were likely to help the bad guys more than the good guys.

I think that these fears are answered in the first book in English that discussed cryptology. This was a treatise on optical and acoustic telegraphy written by Bishop John Wilkins in 1641 [805]. He traced scientific censorship back to the Egyptian priests who forbade the use of alphabetic writing on the grounds that it would spread literacy among the common people and thus foster dissent. "

"Es gibt Menschen, die glauben, dass das in diesem Buch enthaltene Wissen nicht veröffentlicht werden sollte. Dies ist eine alte Debatte; in früheren Jahrhunderten gab es Leute, die die Veröffentlichung von Büchern über das Schloss(mach)erhandwerk falsch fanden, weil diese sehr wahrscheinlich den bösen Jungs mehr nützen würden, als den guten Jungs.

Ich glaube, dass diese Ängste im ersten jemals auf englisch veröffentlichten Buch über Kryptologie beantwortet werden. Dieses war eine Abhandlung über optische und akustische Telegrafie, geschrieben 1641 von Bischof John Wilkins. Er führte die Zensur von Wissenschaft bis zu ägyptischen Priestern zurück, die die Verwendung alphabetischer Schriften verboten, weil diese nur dazu führten, dass das gemeine Volk lesen könne, wodurch Uneinigkeit gefördert würde."

Es schreibt weiter, er habe viele hochaktuelle Tricks, die er für seine Arbeit an der Sicherheit von Geldautomaten gebraucht habe, aus einem Pamphlet gelernt, das im britischen Strafvollzugssystem zirkulierte. Es sei ermutigend, dass zunehmend auch staatliche Stellen sich der Sichtweise anschlössen, dass die öffentliche Verbreitung von Wissen mehr Gutes bewirke als dessen Unterdrückung, denn die bösen Jungs wüssten das meiste davon schon, während die Guten es dringend benötigten, um Gegenmaßnahmen zu treffen.

Leider haben wir derzeit mal wieder einen (sichtbaren) Crypto War und es gewinnen diejenigen mehr an Boden, die immer noch so denken wie die besagten Priester und die von Wissen, das sie ihre Meinung ändern lassen würde, gänzlich unbeleckt scheinen.

Was mich gerade erschreckt hat, ist das Veröffentlichungsdatum der zweiten Auflage: 2008. Eigentlich ist dieses Buch in IT-Jahren ein Dinosaurier. Eine dritte Auflage wäre an der Zeit gewesen, gleichzeitig zeigt mir ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, dass vieles darin immer noch gültig ist.

Ross Anderson hat dazu beigetragen, dass wir immer noch sichere, nicht bei staatlichen Stellen hinterlegte und damit mit einer Sollbruchstelle versehene Kryptografie nutzen können. Sollte sich das in absehbarer Zeit ändern, wären die Folgen unabsehbar, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für die freie Kommunikation. Dieses Verdienst kann man am besten würdigen, indem man seine Argumente weiterträgt und sie Entscheidungsträgern bei jeder passenden Gelegenheit entgegenhält.

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