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  • goeste

mehr als 1000 Beiträge seit 09.09.2003

Kernfusion kommt zu spät und wird zu teuer!

Nur um das klarzustellen: ich bin ein Freund der Idee, Kernfusion für die Energieerzeugung nutzbar zu machen! Ich bin nur nicht sicher, ob es sich rentabel umsetzen lässt. Für die Energiewende kommt Kernfusion in jedem Fall zu spät.

Aktuell haben wir das Problem, so schnell es irgend machbar ist, das Verbrennen fossiler Kohlenstoffverbindungen zu stoppen, ohne dabei die menschliche Zivilisation an die Wand zu fahren. Brauchen wir zu lange, so werden die Folgen zum dritten Weltkrieg führen. Und um mit Albert Einstein zu sprechen: "Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten werden die Menschen mit Stöcken und Steinen kämpfen". Kernfusion wird uns bestenfalls gegen Ende des Jahrhunderts zur Verfügung stehen, aber so lange können wir nicht warten.

Mit Stand von gestern, haben wir jetzt 427,35 ppm CO₂ in der Atmosphäre, gut 5 ppm mehr als vor einem Jahr. Durch die beginnende Wachstumsphase auf der Nordhalbkugel, wird der Anteil in den kommenden Monaten etwas zurückgehen, aber spätestens im kommenden Winter werden wir die 430 ppm überschreiten. Der in Eisbohrkernen gefundene Höchstwert der letzten 800.000 Jahre lag bei 300 ppm und korrespondiert mit der höchsten Durchschnittstemperatur dieses Zeitraums, die etwa 3° C über unserer vorindustriellen Zeit lag. Der Temperaturanstieg hat sich damals über einen Zeitraum von einigen tausend Jahren vollzogen, während der heutige Anstieg um knapp 1,5° C nur knapp 150 Jahre gedauert hat. Da wir uns mit 430 ppm bereits weit in unbekanntem Terrain befinden, kann man die Auswirkung auf die Biosphäre nicht mehr aus der Rekonstruktion historischer Ereignisse ableiten. Die gesamte existierende Fauna und Flora hat Werte wie den jetzigen noch nie erlebt. Historisch korreliert ein Anstieg der CO₂-Konzentration um 100 ppm mit einem Temperaturanstieg um etwa 10° C. Es könnte also sein, dass der Erde bereits durch den heutigen CO₂-Level, ein Temperaturanstieg um 13° C bevorsteht.

Noch bilden die Weltmeere einen gigantischen Kältepuffer, der den Temperaturanstieg bremst. Es ist jedoch klar, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben. Wir müssen sehr, sehr kurzfristig unseren Energiebedarf CO₂-neutral decken und somit zunächst das weitere Ansteigen der CO₂-Konzentration stoppen. Wenn wir das nicht in den nächsten 30 Jahren hinbekommen, so steigt die CO₂-Konzentration möglicherweise auf über 500 ppm, mehr als das doppelte des Durchschnittswertes der letzten 800.000 Jahre. Ob die Menschheit das wieder einfangen könnte wage ich zu bezweifeln.

Die Herausforderung besteht darin, innerhalb von dreißig Jahren den weltweiten Primärenergieverbrauch von ca. 165 Petawattstunden im Jahr (knapp 80 % davon fossile Energieträger) durch 50 bis 60 Petawattstunden CO₂-neutral erzeugten Strom zu ersetzen. Die Einsparung ergibt sich dabei aus der höheren Effizienz elektrischer Verbraucher gegenüber Verbrennungsmotoren und dem Heizen mit Wärmepumpen, anstatt einfach Öl und Gas zu verbrennen. Für diese Umstellung kommt Kernfusion zu spät. Es ist daher sinnvoller die Forschungsetats für Kernfusion auf dem gegenwärtigen Stand einzufrieren und zusätzliche Mittel besser in Wind- und PV-Anlagen, sowie Batterietechnik zu investieren.

Erst wenn wir diese Umstellung zu 80 oder 90 % gemeistert haben, würde ich zusätzliche Mittel in die Fusionsforschung und die aktive Reduzierung des CO₂-Anteils investieren. Denn mittelfristig müssen wir den CO₂-Anteil wieder auf ca. 350 ppm reduzieren und das wird eine enorme Menge Energie kosten, die natürlich ebenfalls CO₂-neutral erzeugt werden muss. Ob Fusion sich dann noch rentabel darstellen lässt, oder ob es günstiger wird Wind- und PV-Anlagen weiter auszubauen, können wir getrost den kommenden Generationen überlassen.

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