Ansicht umschalten
Avatar von /mecki78
  • /mecki78

mehr als 1000 Beiträge seit 03.07.2004

Re: Wie wurde das denn früher gemacht?

Cabriofahrer schrieb am 10.05.2019 19:49:

Jeder bekommt einen Teil des Kuchens und verpfflichtet sich, zb 100 Mio in den Ausbau zu investieren. 50% davon auf dem flachen Land.

50% wovon? Von den 100 Mio? Nun, für 50 Mio kommst du halt am Land deutlich weniger weit als in der Stadt, sprich, du hast zwar dann das Geld 1:1 geteilt, aber deine Ausbauleistung ist mehr so 1:10 bis 1:20 und das Land ist hier 1. Teilst du nach Geld, dann müsste es heißen "90% davon auf dem flachen Land", nur dann bekommen wir deutschlandweit ein einheitlich ausgebautes Netz.

Allerdings sagt Geld nichts über eine erbrachte Leistung aus. Der eine Anbieter stellt Masten für Betrag X pro Mast auf, beim anderen verschlingt jeder Mast das 4-fache. Das ist so wie wenn die Firma sagt, sie wird für 1 Mio Dienstwagen anschaffen. Das sagt nichts über die Anzahl der Autos aus, denn das können nur 20 Luxusschlitten a 50'000 pro Wagen sein oder ganze 62 Mittelklassenmodelle a 16'000 pro Wagen sein. Was sagt das also aus, wenn ein Unternehmen sagt "Wir stecken dann 20 Mio in den Ausbau"? Das sagt weder aus wie viele Masten sie aufstellen werden, noch wie viel Fläche sie versorgen werden, noch wie viele Menschen davon profitieren werden. Es sagt nur aus, wie viel Geld eine Firma beim Ausbau vernichten wird, wofür auch immer und wohin auch immer das Geld fließen mag, aber davon dass eine Firma Geld vernichtet hat erst einmal direkt niemand etwas und schon gar nicht automatisch ein besseres Netz.

Und bis wann hätten sie Zeit dieses Geld zu investieren? Und was passiert, wenn sie es bis zu diesen Termin nicht schaffen? Dann wird ihnen die Frequenz weg genommen, obwohl sie vielleicht schon zu 90% fertig waren und jemand anderen gegeben, der dann bei 0 wieder von vorne anfangen muss? Und wenn der's auch nicht schafft? Am Ende haben wir vier zu 90% ausgebaute Netze, die alle nicht im Betrieb gehen können, weil jetzt keiner von denen eine Frequenz hat und jetzt aber auch keiner sie mehr bekommen darf, weil das unfair gegenüber den anderen wäre.

Auch macht das langfristige Planungen für die Firmen nahezu unmöglich. Jetzt geben die Firmen zwar einmal Geld aus, wissen dann aber, dass ihnen bestimmte Frequenz fest bis zu einem bestimmten Datum gehören werden. Ob sie diese nutzen oder nicht, das ist egal, aber sie haben die Sicherheit und damit Planungssicherheit. Bei deinem Konzept müssen Firmen wage Versprechungen abgeben und ob sie am Ende mit einer Frequenz da stehen werden, das steht dann noch in den Sternen. Damit wird der Mobilfunkausbau zu einem Hochrisikogeschäft, ähnlich wie Termingeschäfte an der Börse, das ruft dann in der Regel die komplett falschen Kapitalgeber und Interessenten auf den Plan, weil dann werden dort auch Leute mitmachen, die gar nicht wirklich vor haben ein Mobilfunknetz zu betreiben, sondern sich nur die Frequenzen krallen wollen. Aktuell ist das nicht möglich, denn bei den Preisen musst du schon ein ernsthaftes Geschäftsinteresse haben, sonst holst du diese Ausgaben nie wieder rein.

Aber einfach denken geht heutzutage nicht mehr.

"Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, klar und falsch ist."
- Henry Louis Mencken ( https://gutezitate.com/zitat/239743 )

In der Theorie lösen Kommunismus und Sozialismus alle Probleme dieser Welt, in der Praxis aber lösen sie nicht einmal die Hälfte und für jedes Problem, das sie tatsächlich lösen, schaffen sie meistens gleich zwei neue, so dass du dich am Ende mit Problemen herumschlagen musst, die du ohne diese Systeme niemals hättest. Das liegt daran, dass das theoretische Konstrukte sind, die sich Menschen rein fiktional zusammengesponnen haben, ohne dass es dieses Systeme in dieser Form schon jemals irgendwo real gelebt wurden und ohne dass irgendwer dieses Systeme objektiv auf ihre Praxistauglichkeit geprüft hätte. Denn die Wahrheit ist, dieses beiden Systeme funktionieren nicht in der Praxis, weswegen jeglicher Versuch sie umzusetzen entweder komplett gescheitert ist oder zu einem System geführt hat, bei dem es der Mehrheit der Bevölkerung am Ende schlechter als vor der Einführung ging und sich für den Rest nur wenig verändert hat, wirklich davon profitiert hat immer nur eine winzige Elite, was aber genau das ist, was dieses Systeme ja eigentlich verhindern sollten.

Der Grund, warum alle erfolgreichen Staaten heute mal mehr und mal weniger auf den Kapitalismus setzen ist nicht der, dass wir alle Kapitalismus so toll finden oder das Kapitalismus garantiert immer jeden zum Besten gereicht, sondern schlichtweg der, dass er grundsätzlich funktioniert und wir haben einfach nicht so viele Systeme, von denen wir das behaupten können. Er führt zwar nicht immer zum gewünschten Ergebnis und schon gar nicht immer zum besten Ergebnis, aber der Kapitalismus ist ein System, das sich selber am Leben erhält und in dem jeder eine Chance hat von ganz unten nach ganz oben zu kommen, sofern er selber aktiv wird und seine Chancen auch ergreift, denn geschenkt wird niemanden etwas in diesem System.

Frequenzen an den meistbietenden zu versteigern mag eine schnöde Kapitalismuslösung sein, vor allem da hier ja der mit dem meisten Kapital am meisten zum Zug kommt, aber bislang fehlt jeglicher Beweis, dass eine andere Lösung am Ende zu besseren Ergebnissen führen wird. Denn das Geld was die Firmen zahlen wird ja nicht verbrannt, sondern es fließt an den Staat und dienst ja somit dem Gemeinwohl. Denn letztlich gehören die Frequenzen nicht den Staat, die Frequenzen gehören uns allen, jeden einzelnen Bürger. Der Staat verwaltet diese nur in unseren Namen und aktuell veräußert er sie in unseren Namen, ergo stehen die Einnahmen auch uns allen zu.

Dein Lösungsvorschlag mag sich auf den ersten Blick gut anhören und einen schnelleren Netzausbau begünstigen, aber dein Vorschlag ist gerade mal zwei kurze Sätze lang und du siehst ja wie viele Probleme ich oben schon aufgetan habe, oder? Und ich behaupte, dass ich damit gerade mal die Spitze der Probleme erfasst habe. In der Praxis müsste man das alles genau spezifizieren und am Ende werden aus deinen zwei Sätzen 50 Seiten gedruckter Vertragstext mit Klauseln und Unterklausel. Zuerst wird dann Geld verbraten dieses Monster überhaupt auszuhandeln, dann wird Geld damit verbraten diese Verträge einzuhalten. Das ganze wäre eine gigantische ABM für Anwälte, Juristen und Richter, die letztlich auch wieder nur Geld verbraten, ohne dass der Mobilfunkkunde dadurch ein besseres Netz hat.

Ich sage nicht, dass ich es gut finde, wie wir derzeit Frequenzen vergeben, aber dein Vorschlag ist wie Kommunismus: Klingt besser, wenn man ihn ließt, wirft aber unzählige Fragen auf, wenn man ihn umsetzen will und wird in der Praxis wahrscheinlich deutlicher schlechter funktionieren als das was wir aktuell haben.

/Mecki

Bewerten
- +
Ansicht umschalten