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mehr als 1000 Beiträge seit 05.01.2006

Und wieder das "gewerbliche Ausmaß".

Wenn man solche Begriffe neu erfindet (denn die übliche Definition
eines Gewerbes behinhaltet das Kriterium Ausmaß gar nicht), dann soll
man gefälligst unmissverständlich dabei schreiben, was man eigentlich
damit meint. Das was ein normal denkender Mensch auf Anhieb darunter
versteht, nämlich als Gewerbe betriebene Urheberrechtsverletzungen,
ist jedenfalls ganz offensichtlich nicht gemeint.
Deutsche Richter sehen schon im nicht kommerziellen, einmaligen
Filesharing eines einzelnen Musikalbums zum reinen Privatgebrauch ein
"gewerbliches Ausmaß". Das erfüllt gleich mehrfach nicht die
Kriterien für ein Gewerbe, aber wie gesagt, das "Ausmaß" ist ja kein
Kriterium für Gewerbe.
Das ist genauso wie z.B. "kreisförmiges Ausmaß". Das wäre irgendein
Ding, das keine Eigenschaft eines Kreises aufweißen muss, aber das
selbe "Ausmaß" hat wie ein Kreis... O_o

Allein deshalb darf dieser Vertrag schon nicht unterschrieben werden.
Man kann nicht etwas zustimmen bzw. sich zu etwas verpflichten, von
dem man noch nicht mal weiß, was es eigentlich bedeutet. Hier wurde
offensichtlich ganz bewusst eine Formulierung gewählt, die letztlich
gar nichts bedeutet und nur in die Irre führt.

Das zieht sich sowieso durch den ganzen ACTA-Vertag. Der ist so
unendlich schwammig und streckenweise auch in sich widersprüchlich
formuliert, dass man alles und nichts hinein interpretieren kann.

Da findet sich z.B. im Kapitel über die "DURCHSETZUNG DER RECHTE DES
GEISTIGEN EIGENTUMS IM DIGITALEN UMFELD" sowas:

"Jede Vertragspartei ist bestrebt, Kooperationsbemühungen im
Wirtschaftsleben zu fördern, die darauf gerichtet sind, Verstöße
gegen Marken, Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wirksam zu
bekämpfen und gleichzeitig den rechtmäßigen Wettbewerb und – in
Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften der jeweiligen
Vertragspartei – Grundsätze wie freie Meinungsäußerung, faire
Gerichtsverfahren und Schutz der Privatsphäre zu beachten."
(Artikel 27,3)

Das kann doch nur bedeuten, dass die Unterzeichnerstaaten es aktiv
fördern sollen, wenn Rechteinhaber und z.B. Zugangsprovider
untereinander Vereinbarungen treffen, die das Verfolgen und
Unterbinden von Urheberrechtsverletzungen (von "gewerblichem Ausmaß"
ist hier keine Rede) ermöglichen/verbessern sollen.
Das kann eigentlich nur auf Überwachung, direkte Datenweitergabe und
gegebenenfalls Sperrung von Inhalten hinauslaufen.
Aber im nächsten Satz steht, dass diese Vereinbarungen dabei weder
die Grundrechte der Nutzer beeinträchtigen dürfen, noch die
wettbewerbsfähigkeit des Providers usw.

Das passt einfach nicht zusammen. "Wasch mich, aber mach mich nicht
nass."

Ich gehe davon aus, dass dieser eingefügte Hinweis auf die Achtung
der Grundrechte, Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien usw., der
den Forderungen direkt davor völlig widerspricht, erst nachträglich
aufgenommen wurde, nachdem die Geheimverhandlungen aufgeflogen sind
und das bis dahin erzielte Ergebnis allgemeines Entsetzen auslöste.

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