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mehr als 1000 Beiträge seit 17.03.2000

Re: Nettes Hintergrunddetail -> in dubio pro reo

Nabe schrieb am 31. Oktober 2007 21:26

> Arnd Jaekel schrieb am 31. Oktober 2007 16:25

> > Den heimischen PC, dessen Übertragungswege ja auch potenziell
> > überwachte werden können, konnte er kaum nutzen. Eine Mail zu
> > schicken erzeugt - auch ohne VDS eine nachvollziehbare Spur.

> Ein Yahoo-Account ist ja auch soo viel sicherer, als ein
> Freemail-Anbieter in z.b. Kanada. Die Herkunft von E-Mails
> verschleiern ist heutzutage absolut simpel.
Der Betroffene ging - wohl auch zu Recht - davon aus, dass die
Kommunikation, die über seinen privaten PC läuft, überwacht wird.
Daraus ergibt sich die Nutzung eines Internet Cafés. Da jede Mail,
die über einen Mailanbieter versendet wird, prinzipiell eine Spur
erzeugt, hat er einen Weg gewählt der ohne Versand auskommt. Das sind
so gesehen ganz normale Ausweichstrategien.

Ja, die Herkunft von Mails lässt sich mit geeigneten Tools
verschleiern. Diese auf einem abgehörten PC einzusetzen ergibt aber
keinen Sinn. Diese auf einem PC im Internet Café einzusetzen ist aber
meist nicht möglich. Davon abgesehen musste er mit einer ebensolchen
Überwachung auch beim Empfänger rechnen. Doch all das ist ohne
Belang, wenn - im Gegensatz zu dir - der Betroffene diese
Möglichkeiten vielleicht gar nicht kennt oder nicht weiß, wie man sie
umsetzen kann.

> > Aber selbst wenn er für jede Mail ins benachbarte Ausland gereist
> > wäre, hätte das auch keinen Unterschied gemacht. Seine Kontakte mit
> > Dritten können aus vielen Gründen "privat" gewesen sein. Einen Text
> > mit schmutzigen Fantasien über die kommende Nacht hätte ich
> > vielleicht auch nicht unbedingt mit den Ermittlern teilen wollen.

> Richtig. Aber dafür hätte man einfach eine verschlüsselte Mail
> schicken können, das ist nachvollziehbar und nicht so verdächtig wie
> der versuch die Kommunikation zu verschleiern.
Deiner Meinung nach muss man seine Kommunikation also nachvollziehbar
halten, damit man sich bei den Überwachern nicht noch verdächtiger
macht?! Das ist absurd. Wenn ich überwacht werden würde, wäre mir
*jedes* Mittel Recht zu verhindern, dass die Überwacher auch nur das
Geringste erfahren. Ich würde dazu alle (Um)Wege gehen, die mir
einfallen, um es möglichst schwierig zu gestalten, etwas zu erfahren.
Genau diese Strategie ist mein gutes Recht und endet nicht an einer
willkürlich festgelegten Grenze, die "normale" Verschlüsselung von
"verdächtiger" Verschleierung trennt.

> > > Nein, aber man sollte zumindest bei normalem Aufwand bleiben, um sich
> > > nicht übermässig verdächtig zu machen. Für eine Verurteilung ist das
> > > aber wirklich nicht ausreichend, bestenfalls ein Indiz für die
> > > Justiz.
> > Was ist denn ein "normaler" Aufwand? Vom heimischen PC verschlüsseln
> > ist normal? Von Internet Cafés im Klartext mit Verschleierung dann
> > aber nicht? Was ist mit persönlich abgegebenen Briefen? Sind die auch
> > "übermäßig verdächtig"?

> Ja.
Ich hoffe das ist Ironie - bin aber angesichts der restlichen
Argumentation nicht sicher. Der Besuch beim Arzt, Rechtsanwalt oder
Priester wäre demnach auch verdächtig, weil alles dort gesprochene
der Schweigepflicht unterliegt, das persönliche Gespräch unter
überwachungsfeindlichen Bedingungen auch; wo ist die Grenze, wer
entscheidet das und warum sollte es sie deiner Meinung nach geben?

> > Das ist alles Unsinn. Jeder freie Mensch hat das Recht auf Privatsphäre,

> Ja, aber übermässiger aufwand macht verdächtig. Was aber nur wichtig
> ist, wenn andere Indizien - etwa eine bereits bestehende Anklage -
> dazu kommen.
Nein. Jemand der seine Privatsphäre schützt indem er das Eindringen
in sie erschwert nimmt sein grundgesetzlich zugesichertes Recht in
Anspruch.

> > und der Versuch diese zu schützen darf
> > _unter_keinen_Umständen_ zu seinem Nachteil ausgelegt werden. So
> > sieht es der BGH - und das sollte jeder so sehen.

> Nein, das BGH sagt das *alleine* die Verschlüsselung von E-Mails
> keine zusätzliche Haft begründen.
Nein, das BGH sagt, "dass allein aus dem Umstand der Verschlüsselung
von E-Mails nicht zwingend geschlossen werden dürfe, in den
Nachrichten seien Hinweise auf strafbare Handlungen enthalten". Von
Haft ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede. Wenn der *Inhalt* der
Kommunikation des Betroffenen ihn einer strafbaren Handlung
bezichtigen würde, könnten daraus weitere Ermittlungen und ggf. auch
eine Untersuchungshaft begründet werden. Wenn man den Inhalt nicht
ermitteln kann, darf man die Tatsache, dass der Betroffene die
Kommunikation bewusst so geführt hat, *dass* man den Inhalt nicht
ermitteln kann, nicht zum Nachteil des Betroffenen auslegen. Daher
auch der Hinweis auf "in dubio pro reo". Für das Gericht spielt die
Art und Weise der Verschleierung (Verschlüsselung, Nutzung schwierig
zu überwachender öffentlicher PCs o.ä.) eben gerade keine Rolle.

Arnd

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