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  • Rolf Keller

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Re: Fluchtgeschwindigkeit (2)

Ulriko schrieb am 6. November 2007 16:08

> Richtig, aber überall herrschen alle Schwerefelder aller
> Körper. Zwischen Erde und Mond kommt zusätzlich irgendwann
> der neutrale Punkt, wo Mond und Erde das Raumfahrzeug gleich
> stark, aber in gegensätzliche Richtungen ziehen, sich also
> zu Null aufheben.

Das habe ich ja im weiteren Text gesagt: Der Umkehrpunkt kann überall
liegen, auch innerhalb der Mondbahn. Es gibt 5 Gleichgewichtspunkte,
die sogenannten Langrange-Punkte. Das Weltraumteleskop Hubble
befindet sich an so einem Punkt.

> Jenseits dieses Punktes zieht der Mond
> stärker als die Erde, d.h. das Raumfahrzeug wird in Richtung
> Mond beschleunigt. Es klappt also nicht, dass man ohne Bremsen
> auf dem Mond landen kann.

Diese Überlegung gilt für den Fall, dass man exakten Kurs auf den
Mond nimmt und dort weich landen will. Diskutiert wurde aber der
Fall, dass man in eine Kreisbahn um den Mond gelangen will, und dafür
wird man mit einer gewissen Geschwindigkeit am Mond vorbei zielen und
stürzt ohne Bremsen nicht zwangsläufig ab, jedenfalls nicht aufgrund
der Überlegung mit der immer stärker werdenden Anziehungskraft.

Dass man nicht ohne Bremsen in einen Mondorbit (eigentlich Mondlunit?
<g>) gelangt, liegt IMHO an etwas anderem. Man kann ja nicht einfach
aus einer Geraden, die die geplante Kreisbahn tangiert, in eine
Kreisbahn wechseln, denn das wäre ein Beschleunigungssprung
(Unstetigkeitsstelle der zweiten Ableitung des Weges nach der Zeit).
Man sieht das oft bei Modelleisenbahnen, wenn die "unnatürlich
ruckartig" aus der Geraden in eine Kurve schwenken.
Ohne Antrieb ist aber kein Beschleunigungssprung möglich, man muss
also eine sehr komplizierte Anschmiegekurve fliegen, die keine
solchen Sprünge aufweist. Da entsteht dann die Frage, ob man im
antriebslosen Flug so eine Kurve überhaupt erreichen kann. Ich bin
nicht sicher, ob das geht.

Außerdem gibt es ja unvermeidliche Ungenauigkeiten, also muss man
ohnehin zwischendurch kleine Bahnkorrekturen vornehmen. Am besten
macht man das wahrscheinlich in Zielnähe, weil dort die später noch
kommenden unerwünschten Kursabweichungen am Geringsten sind.

> Richtig ist, dass eine Kanonenkugel,
> die man von der Erde aus abfeuert, nicht ganz die sogenannte
> "Fluchtgeschwindigkeit" haben müsste, um zum Mond zu kommen,
> wenn, ja wenn die Erde keine Atmosphäre hätte. Da sie doch
> eine hat, muss die Kugel sogar schneller losfliegen als mit
> der sogenannten Fluchtgeschwindigkeit. Die sogenannte
> Fluchtgeschwindigkeit ist ein rein theoretischer Wert, der
> proportional der Gravitation ist. Genaugenommen ist sie für
> Raumfahrzeuge, die ja nicht aus Kanonen abgefeuert werden,
> praktisch völlig belanglos.

Ein Rakete brennt aber nur einige Minuten und befindet sich dann
schon im praktisch luftleeren Raum, aber erst in einigen 100 km Höhe.
An dem Moment ist die Situation nicht anders, als würde im Moment des
Brennschlusses eine Kanonenkugel mit derselben Geschwindigkeit
nebenher fliegen: Beide würden dann antriebslos beliebig lange
nebeneinander bleiben. Der einzige Unterschied ist der, dass die
Fluchtgeschwindigkeit in einigen 100 km Höhe **ein wenig** niedriger
als 11,2 km/s ist.

> Ganz abgesehen davon, dass Deine Rechnung immer
> von einem Raumschiff ausgeht, das durch eine "Kanone" quasi
> "abgefeuert" wurde.

Das ist ja auch praktisch so, wie ich oben erklärt habe. Es spielt
gar keine Rolle, ob man die Endgeschwindigkeit langsam (Rakete) oder
schnell (Kanone) erreicht. Relevant sind nur die Höhe und
Geschwindigkeit im Moment des Brennschlusses, sofern dieser außerhalb
der Atmosphäre liegt.

Rolf Keller

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