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Re: Recht auf das eigene Bild - Aufnahme unzulässig?

Edna Krabappel schrieb am 11. April 2011 16:35
> meinbeitrag schrieb am 11. April 2011 16:27

>> Die Ansicht, man dürfe Personen in der Öffentlichkeit generell
>> nicht ohne deren Einverständnis fotografieren, stützt das Urteil
>> nicht. Solche Pauschalaussagen halte ich daher weiterhin
>> für Unsinn.

> Ja, aber das Gegenteil gilt ebenso nicht pauschal.

Da sind wir uns glaube ich einig. Daher hatte ich ja auch
geschrieben:

| Es gibt nach meinem Verstädnnis weder ein grundsätzliches
| Recht, im öffentlichen Raum nicht fotografiert zu werden,
| noch ein uneingeschränktes Recht, andere im öffentlichen
| Raum zu fotografieren. 

>> Es läuft auf Einzelfallabwägung heraus, was natürlich für
>> alle Seiten eher unbefriedigend ist:

> Finde ich eher nicht schlecht -- einen vernünftigen Richter
> vorausgesetzt.

Meiner Meinung nach ist da zu viel Raum für Bauchgefühle von
Richtern.

> Letztlich wäre es gut wenn alle mit Vernunft daran gehen würden,
> und dass das Gesetz nicht eindeutig "Ja" oder "Nein" entscheidet
> sollte allen eine Erinnerung daran sein.

So kann man es natürlich auch sehen.

Ich habe mir jetzt noch mal diverse Urteile des BVerfG angesehen:

| Das Recht am eigenen Bild (...) gewährleistet dem Einzelnen
| Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die
| Anfertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnungen
| seiner Person durch andere geht.
|
| BVerfGE 101, 361 (381)

Anfertigung mit eingeschlossen.

| Ob diese den Einzelnen in privaten oder öffentlichen
| Zusammenhängen zeigen, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle.
|
| BVerfGE 101, 361 (381)

Interessant.

| Das Schutzbedürfnis ergibt sich vielmehr (...) vor allem aus
| der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer
| bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu
| fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis
| zu reproduzieren.
|
| BVerfGE 101, 361 (381)

Die Möglichkeit, dass ein Bild einem "unüberschaubaren Personenkreis"
zugänglich gemacht werden kann, wird also als zentrales Kriterium
angeführt.

Das dürfte auch für Panoramadienste relevant sein. Hier wird meiner
Meinung nach deutlich, dass das BVerfG die Ansicht "Ob Dich das
StreetView-Auto auf dem Bürgersteig aufnimmt, oder Dein Nachbar Dich
da sieht, ist doch dasselbe" nicht teilt.

Das wird vom BVerfG ausführlich erläutert:

| Mit Hilfe der Reproduktionstechnik lassen sich die Formen der
| Öffentlichkeit ändern, in denen der Einzelne erscheint.
| Insbesondere kann die überschaubare Öffentlichkeit, in der man
| sich bei normalem Auftreten bewegt, durch die Medienöffentlichkeit
| ersetzt werden. So unterscheidet sich etwa die
| Gerichtsöffentlichkeit durch das im Saal anwesende Publikum von
| der durch das Fernsehen hergestellten Medienöffentlichkeit,
| weil das Publikum selbst die Geschehnisse erlebt und seinerseits
| von den Verfahrensbeteiligten wahrgenommen und eingeschätzt
| werden kann (...).
|
| BVerfGE 101, 361 (381)

Leider bleibt das Wesentliche aber unklar. Was stellt sich das BVerfG
unter "Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten" und dem
"Schutzbedürfnis" im Hinblick auf das Anfertigen von Fotografien
konkret vor? Hier läuft es dann wohl auf das Bauchgefühl von Richtern
hinaus.

An anderer Stelle wird das Recht am eigenen Bild vor allem auf die
Veröffentlichung und eher nicht auf die Aufnahme bezogen:

| Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist hier in seiner Ausprägung
| als Recht am eigenen Bild beachtlich, wie es § 22 KunstUrhG schützt
| (...). Es gewährt die Verfügungsbefugnis darüber, ob und inwieweit
| das Bild einer Person verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt
| werden darf.
|
| BVerfGE 97, 228 (268)

Neben dem Recht am eigenen Bild wird noch der Schutz der Privatsphäre
thematisiert. Grundsätzlich erkennt das BVerfG die Existenz privater
Orte im öffentlichen Raum an:

| Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre erheblich
| behindert, wenn der Einzelne nur im eigenen Haus der
| öffentlichen Neugier entgehen könnte. Die notwendige Erholung
| von einer durch Funktionszwänge und Medienpräsenz geprägten
| Öffentlichkeit ist vielfach nur in der Abgeschiedenheit einer
| natürlichen Umgebung, etwa an einem Ferienort, zu gewinnen.
| Deswegen muß der Einzelne grundsätzlich die Möglichkeit haben,
| sich auch in der freien, gleichwohl abgeschiedenen Natur oder
| an Örtlichkeiten, die von der breiten Öffentlichkeit deutlich
| abgeschieden sind, in einer von öffentlicher Beobachtung freien
| Weise zu bewegen. Das gilt gerade gegenüber solchen
| Aufnahmetechniken, die die räumliche Abgeschiedenheit überwinden,
| ohne daß der Betroffene dies bemerken kann.
|
| Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb
| des Hauses verlaufen, läßt sich nicht generell und abstrakt
| festlegen. Sie können vielmehr nur aufgrund der jeweiligen
| Beschaffenheit des Ortes bestimmt werden, den der Betroffene
| aufsucht. Ausschlaggebend ist, ob der Einzelne eine Situation
| vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit
| auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der
| Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein.
|
| BVerfGE 101, 361 (383f)

Es setzt aber auch sehr klare Grenzen:

| Plätzen, an denen sich der Einzelne unter vielen Menschen
| befindet, fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen
| des Privatsphärenschutzes im Sinn von Art. 2 Abs. 1 in
| Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Sie können das
| Rückzugsbedürfnis nicht erfüllen und rechtfertigen deswegen
| auch nicht den grundrechtlichen Schutz, den dieses Bedürfnis
| aus Gründen der Persönlichkeitsentfaltung verdient. Der
| Einzelne kann solche Orte auch nicht etwa durch ein Verhalten,
| das typischerweise nicht öffentlich zur Schau gestellt würde,
| in seine Privatsphäre umdefinieren. Nicht sein Verhalten, ob
| allein oder mit anderen, konstituiert die Privatsphäre, sondern
| die objektive Gegebenheit der Örtlichkeit zur fraglichen Zeit.
| Verhält er sich daher an Orten, die nicht die Merkmale der
| Abgeschiedenheit aufweisen, so, als stünde er nicht unter
| Beobachtung, hebt er das Schutzbedürfnis für Verhaltensweisen,
| die an sich die Öffentlichkeit nichts angehen, selbst auf.
|
| BVerfGE 101, 361 (384f)

In einem belebten Park ist also z.B. nicht von geschützter
Privatsphäre auszugehen, und somit wohl in erster Linie nur das Recht
am eigenen Bild relevant.

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