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Avatar von cyber_kneipper
  • cyber_kneipper

568 Beiträge seit 04.07.2014

Sorry, Zug abgefahren

Ich bin mittlerweile bekennender Amazon Prime Kunde. Amazon ist zwar
nur bei den umsatzstarken Artikeln wirklich sehr billig, aber der
Service haut es auch noch mal raus. Die schnelle Lieferzeit ist OK,
kein Muss. Dafür bei Bedarf noch Filme und Serien und unendlich
Speicher für meine Fotos/RAWs.
Aber der Preis und v.a. der Service hauen es raus.

Anstatt einer Aufzählung wieviel wo welche Kamera oder das Zubehör
kostet sei gesagt, dass ich außer bei Angeboten immer mehr bezahle im
Einzelhandel vor Ort, nicht selten mehr als die Hälfte nochmal oben
drauf bis hin zum doppelten Preis. Und Amazon ist ja nicht mal der
billigste Anbieter, sprich manche Produkte sind locker doppelt so
teuer als beim billigsten Anbieter!

Dazu kommt, dass ich z.B. eine Kamera sowas von problemlos
zurückgeben konnte nachdem diese immer wieder Fehler hatte und einmal
getauscht wurde. Da wird gar nicht nachgefragt oder erwartet, dass
man sich als Kunde erstmal erklären und beweisen muss, dass die
Kamera seit über einem Jahr immer wieder sporadisch den Fehler zeigt.
Teilweise traue ich mich gar nicht mehr diesen guten Service in
Anspruch zu nehmen, so dermaßen schlecht wurde man jahrelang in
Geschäften behandelt und konditioniert... Da hieß es immer, man müsse
erstmal den Fehler beweisen, man bekäme nur den Zeitwert, es wurde 8
Wochen lang eine Grafikkarte repariert, etc...
Egal ob Pixelfehler oder falsche Farben im Bildschirm, es wird
anstandslos zurückgenommen bei Amazon was man im Einzelhandel nie und
nimmer behaupten kann. Und die Beratung vor Ort ist z.B. bei den
Kameras bei mir darauf hinausgelaufen, dass man mir egal bei welcher
Kamera sagte, dass sie gute Bilder macht. Dafür zahle ich dann noch
150 Euro mehr? Und sollte was defekt sein, dann werd ich auch noch
als Täter hingestellt?

Wer jetzt auf Amazon schimpft, dass die nicht gut zahlen und den
Markt kaputtmachen oder andere Geschichten... Ich weiß direkt aus
erster Hand wie die Verhandlungen bei großen Unternehmen ablaufen. Da
kommt der rote oder blaue Elektronikmarkt zum Hersteller X und
jammert, dass Amazon die Waschmaschine für 399 Euro anbieten kann und
der rote oder blaue Elektronikmarkt will anstatt seinen 15% jetzt 20%
Rabatt auf den Einkaufspreis von 250 Euro. Hersteller X gewährt dem
roten oder blauen Elektronikmarkt jetzt 20% Rabatt, der rote oder
blaue Elektronikmarkt jammert aber weiterhin, dass er mit Amazon
nicht mithalten kann. Hersteller X teilt mit, dass Amazon nur 10%
Rabatt bekommt und der rote oder blaue Elektronikmarkt seine Fresse
halten soll.
Amazon macht seine Kohle jedenfalls in diesem Bereich nicht mit
Kampfpreisen sondern mit Logistik. Und deswegen finde ich auch die
Diskussion über die Tarife für die Amazonmitarbeiter unwirklich, denn
Amazon ist kein Einzelhändler.
Streiten kann man sich über DHL, da sollte Amazon vielleicht
irgendwie Druck machen. Wobei ich da auch aktuell nur von vor Ort
berichten kann und hier bei uns im Städtchen sind das noch keine so
prekären Arbeitnehmerverhältnisse als das was man so liest.

Dazu kommt, dass ich mit Empfehlungen hin und wieder doch ein paar
Euros mache. Sprich wenn ich Amazon Kunden bringe werde ich minimal
am Umsatz beteiligt. Meine Webseiten haben alle keine Werbebanner
mehr sondern lediglich gekennzeichnete Empfehlungen unter dem
Artikel. Damit fahre ich und meine User besser als mit 3 Bannern, die
blinken und ggf. Malware verteilen und nicht vom Content zu
unterscheiden sind.

Ein weiterer Punkt ist, dass es ohne Amazon viele mittlerweile gute
"Hersteller" bzw. Händler nicht geben würde. Als Händler kann man
sich voll aufs Marketing und das Produkt konzentrieren und bei Amazon
z.B. Lagerplatz anmieten. Logistik geht komplett über Amazon. So gibt
es viele neue Hersteller (von Nischenprodukten), die lassen richtig
geile Produkte nach Kundenwunsch in Asien fertigen und verkaufen die
über Amazon. Die paar Mitarbeiter konzentrieren sich voll aufs
Marketing (nicht nur Werbung, sondern eben auch Kundenbindung und
-betreuung). Das geht über eBay nicht weil eBay es verpasst hat
eigene Lager bzw. Versandmöglichkeiten einzuführen (und stattdessen
die Stammnutzer immer weiter verscheuchen).

Der Einzelhandel hat es aber ganz allein selbst zu verantworten, denn
so dumm kann man nicht sein das mittlerweile 15 Jahre so schleifen zu
lassen mit dem bösen "Internet".
Ich habe während meiner Schulzeit nebenbei in einem Farbengeschäft
(Groß- & Einzelhandel) gearbeitet - alter Familienbetrieb mit einem
Chef und dessen Frau und Schwester ab und zu im Verkauf, dazu 2-3
Schüler nachmittags.
Die Situation damals (vor der Jahrtausendwende) war, dass die
Steuerberaterin 1x im Monat kam und Rechnungen auf der
Schreibmaschine tippte und alles eine riesige Zettelwirtschaft war.
Irgendwann kauften wir einen billigen Computer im Aldi, einen guten
halbwegs farbtreuen Monitor im Media Markt und der Chef auf eigene
Faust irgendeine faktura Software. Innerhalb kurzer Zeit waren
sämtliche Bestände (unendlich viele Farben, Lacke, Eimer,
Lösungsmittel in allen Größen und Farben) in der Software, die
Rechnungen enthielten ein Logo mit dem Familienwappen und die
Steuerberaterin kam dann nur noch selten... Selbst die vielen
Karteikarten zum Lacke mischen benötigte man nicht mehr, dafür gab es
damals schon passende Software mit den entsprechenden Rezepten. Alle
Kunden waren drin. Rechtlich alles einwandfrei, das hatten wir damals
zu zweit alles so hinbekommen. Und Backups hat er selbst hinbekommen.
Der Chef fing dann an seine Aktien online zu traden nachdem ich es
ihm eingerichtet habe. Aber als ich anfing vom Onlinehandel seiner
Waren, dass er zumindest eine Website braucht bzw. haben sollte, dass
Kunden ihn finden und dann anrufen können, wollte er damals nichts
wissen obwohl das alles vernachlässigbare Kosten waren - wer hat scho
einen Schüler, der für 10 Euro in der Stunde ein ganzes Unternehmen
digitalisiert? Ich mein ich wusste ja wie das Unternehmen
funktioniert, wie oft von wo was bestellt wurde und wieviel das
kostete und für was es wiederum verkauft wurde. Die Leute kamen von
weiter weg zu dem Laden, da es wirklich ein gutes Sortiment war. Ich
ging dann 2002 da weg und irgendwann fing es wohl an, dass die
Baumärkte Farben scannen konnten und automatisch mischen ließen, was
dann natürlich ein Verlust an Kunden für das Unternehmen war. Zudem
bekam das Unternehmen auch keine Kredite mehr wegen Finanzkrise
obwohl es seit 60 Jahren fabelhaft dastand... Online war es nicht
aufzufinden und mit den anderen Artikeln und Leistungen konnte auch
kein Umsatz gemacht werden wenn "niemand" mehr davon wusste. Der
Laden hätte nicht nur eine Nische bedienen können, die bis vor 5
Jahren noch völlig unterrepräsentiert war im Netz.
Das ist aber alles 15 Jahre her! Und ich war sicher nicht der hellste
Schüler und nicht immer nüchtern beim Arbeiten. Irgendwelche jungen
Nerds können da noch viel viel mehr reißen als ich damals - zu
Schleuderpreisen.

Aber Jammern ist ja so einfach. Ich wünsche Amazon viel Konkurrenz,
sei es lokal mit gutem Service und kurzen Wegen oder online durch
eine neue Plattform. Konkurrenz ist immer gut, allerdings gibt es im
Internet eine "Regel": The winner takes it all. Was bringt der
zweitbeste Dienst, wenn es den besten gibt?!
Hätten wir hier vor Ort einen Händler, der mich mit Kameras richtig
gut beraten könnte und z.B. auch sowas wie Kurse fürs Fotografieren
oder Bildbearbeitung anbietet, gar sein Studio vermieten würde, dann
hätte ich da auch gerne mehr für die Kamera ausgegeben. Aber unsere
Händler beraten nicht sondern sind Vollpfosten, die dem Kunden
unterstellen, nur bescheißen zu wollen.

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